Ehemaliger Landesrat Bernhard Tilg (ÖVP)
APA/EXPA/Johann Groder
Auch Tilg geht

Doppelrücktritt in Tiroler Regierung

Nach dem Rücktritt von Tirols Wirtschaftslandesrätin Patrizia Zoller-Frischauf (ÖVP) Dienstagabend hat kurz darauf auch Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) seinen Rückzug bekanntgegeben. Die Rücktritte kommen einigermaßen überraschend – spekuliert wird daher über einen Zusammenhang mit der PCR-Test-Affäre, die derzeit die Tiroler Landesregierung belastet.

Tilg war im vergangenen Jahr im Zuge des Coronavirus-Krisenmanagements stark unter Beschuss geraten. Bekannt wurde er durch einen Auftritt in der ZIB2, in dem er mehrmals wiederholte, dass die Behörden in Sachen Ischgl „alles richtig gemacht“ hätten.

Tilg erklärte in einer Aussendung, nicht weiter in der Politik bleiben zu wollen. Stattdessen kehrt er als Professor für Medizintechnik und Medizininformatik an die Privatuniversität UMIT zurück. Der 53-Jährige war – wie Zoller-Frischauf – bereits seit Beginn der Ära von Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) im Jahr 2008 in dessen Team.

„Besondere Herausforderung“

In einer Aussendung meinte Tilg, dass die Bewältigung der CoV-Krise eine „besondere Herausforderung“ gewesen sei. „Eine Zeit, die uns alles abverlangt hat – auch mir selbst“, sagte er. Der Schutz der Bevölkerung sei „zu jedem Zeitpunkt an erster Stelle“ gestanden, und er sei froh, dass die Tiroler Spitäler „vor einer Überlastung“ geschützt werden konnten.

Gesundheitslandesrat Tirols tritt zurück

Tirols Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) gab am Dienstagabend seinen Rücktritt bekannt. Er war von Beginn der Pandemie an für das CoV-Management in Tirol verantwortlich, auch für das Ischgl-Desaster vor mehr als einem Jahr. Mitgrund des Rücktritts war vermutlich ein Laborbetreiber, der für Tirol PCR-Tests ausgewertet und eventuell Virusvarianten falsch gemeldet haben soll.

Er sei jedenfalls „mit Leib und Seele Mitglied der Tiroler Landesregierung“ gewesen, teilte Tilg mit und bedankte sich insbesondere bei Landeshauptmann Platter sowie unter anderen bei seinen Regierungskolleginnen und -kollegen. Er wolle von den „13 Jahren in der Spitzenpolitik, die intensiv und fordernd waren“, aber keines „missen“, sagte Tilg – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Zoller-Frischauf: Rücktritt lange geplant

Nur zwei Stunden vor dem Rücktritt Tilgs hatte Zoller-Frischauf ihren Rückzug verkündet. Sie habe nach der Landtagswahl 2018 für sich beschlossen, dass sie „zur Halbzeit der Legislaturperiode in den Landtag wechseln“ werde, sagte sie. Das sei bereits mit Platter seit Beginn der Periode so besprochen gewesen. Die Coronavirus-Krise habe das allerdings ein wenig verzögert. Nachdem die Impfungen nun aber voranschreiten würden, sei der richtige Zeitpunkt für eine Übergabe gekommen, teilte die 62-jährige Obfrau des Tiroler Seniorenbundes mit.

Politologe Filzmaier zu Tilgs Rücktritt

Politikwissenschaftler Peter Filzmaier kommentiert den Rücktritt von Tirols Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP). Er bewertet die aktuelle Lage in Tirols Landesregierung nach zwei Rücktritten als „chaotisch“.

Ihren nunmehrigen Rückzug kommunizierte Zoller-Frischauf über eine private E-Mail-Adresse. Im Landhaus sowie in ÖVP-Kreisen war man APA-Informationen zufolge offensichtlich überrascht über diesen Schritt – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Nachfolge schon geregelt

Schon am Dienstagabend wurden die Nachfolger präsentiert. Der Landtagsvizepräsident und Bürgermeister von Galtür, Anton Mattle, soll als Wirtschaftslandesrat folgen. Die Geschäftsführerin des Sanatoriums Kettenbrücke, Annette Leja, soll Gesundheitslandesrätin werden, teilte die ÖVP mit.

Landeshauptmann Platter will die beiden am Mittwoch dem Parteivorstand vorschlagen. Mattle habe „hohe Kompetenz in wirtschaftlichen Fragen“, mit Leja würde man eine „angesehene Expertin und Managerin aus dem Gesundheitssektor“ gewinnen, meinte der Landeshauptmann und ÖVP-Parteiobmann.

Mit Mattle setzt der Landeschef auf einen erfahrenen, über die Parteigrenzen hinweg anerkannten Politiker. Bundesweite Bekanntheit hatte der 58-Jährige im Jahr 1999 im Zuge der Lawinenkatastrophe in Galtür erlangt. Mattle war damals wie heute Bürgermeister der kleinen Gemeinde im Paznauntal. Leja gilt dagegen als klassische Quereinsteigerin und unbeschriebenes Blatt auf der landespolitischen Bühne – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Zusammenhang zu PCR-Test-Affäre?

Spekuliert wurde, ob die Rücktritte mit der Affäre rund um PCR-Tests und deren Vergabe zusammenhängen. Klare Verbindungen gibt es derzeit noch nicht. Das Land Tirol hatte den Auftrag über die Abwicklung von PCR-Tests im Umfang von knapp acht Millionen Euro direkt und ohne Ausschreibung der Wiener Firma HG Pharma erteilt. Der „Standard“ stellte nunmehr den Verdacht in den Raum, dass seit November „keine oder fachlich nicht richtige Tests geliefert wurden“.

So war die Frage offen, wer die PCR-Tests befundet hatte. Dazu bedürfe es eines Facharztes, Ralf Herwig, einer der beiden Gründer der Firma HG Pharma, ist Urologe. Das Land sah hingegen keinerlei Ungereimtheiten bei der labortechnischen Befundung sowie der Auftragsvergabe – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Herwig beschäftigt in unterschiedlichen Causen seit mehr als zehn Jahren die Gerichte. Derzeit steht der Urologe in Wien wegen vorgeworfener „Fehlbehandlungen“ bei Erektionsstörungen vor Gericht, wie die ZIB2 vergangene Woche berichtete. „Der Standard“ berichtete unterdessen über gute Beziehungen von Herwig in die Kitzbühler Event-Society. Herwig selbst sprach von einer „Rufmordkampagne“ gegen seine Person bzw. sein Unternehmen und sagte, dass er erwäge, das Handtuch zu werfen – also den noch bis Ende Juni laufenden Vertrag mit dem Land Tirol nicht mehr zu erfüllen.