Verhandlungssaal im VfGH in Wien
ORF.at/Christian Öser
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Van der Bellen muss Mails aus BMF holen

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) geht in den Auseinandersetzungen über Einsicht in Korrespondenzen im „Ibiza“-U-Ausschuss einen ungewöhnlichen Schritt: Das Höchstgericht beantragte bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen die Exekution einer seiner Entscheidungen im Finanzministerium.

Denn Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) kam bisher der Aufforderung, dem U-Ausschuss bestimmte E-Mails und Dateien vorzulegen, nicht nach. Van der Bellen kündigte dazu eine Stellungnahme für 15.00 Uhr an.

Das Finanzministerium kündigte unterdessen an, man werde der VfGH-Entscheidung „selbstverständlich unverzüglich und vollumfänglich nachkommen“. Blümel habe von Beginn an den Auftrag gegeben, „vollumfänglich mit dem U-Ausschuss zusammenzuarbeiten und die notwendigen Daten, die im Übrigen nicht die Amtszeit von Bundesminister Blümel betreffen, zur Verfügung zu stellen“.

„Restliche Unterlagen“ noch am Donnerstag

Im Statement wurde zugleich auf eine „Fürsorgepflicht gegenüber den 12.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“ bezüglich Daten- und Persönlichkeitsschutz verwiesen. Noch am Donnerstag werde man aber „die restlichen Unterlagen an die Parlamentsdirektion übermitteln“.

Beantragt hatten das die Oppositionsfraktionen SPÖ, FPÖ und NEOS. Der VfGH gab am 3. März ihrem Verlangen statt, dass Blümel die E-Mail-Postfächer der Leiterin des Beteiligungsmanagements im Finanzministerium sowie die Korrespondenzen von Ministeriumsmitarbeitern mit dem nunmehrigen ÖBAG-Chef Thomas Schmid, damals Generalsekretär im Finanzministerium, und anderen Mitarbeitern des damaligen Finanzministers Hartwig Löger (ÖVP) dem Ausschuss zur Verfügung zu stellen hat.

Da Blümel dem aber nicht nachkam, beantragte die Opposition, die Exekution dieser Entscheidung durch den Bundespräsidenten zu erwirken. Auch dem gab der VfGH nun statt.

Weisung muss von Kanzler nicht unterzeichnet werden

Die Verfassungsrichter haben festgestellt, dass das Erkenntnis vom 3. März „eine Leistungspflicht enthält, die zwangsweise durchgesetzt werden kann“, hieß es in einer Aussendung am Donnerstag. Gemäß Verfassung (Art. 146 Abs. 2 B-VG) sei die Exekution „nach den Weisungen des Bundespräsidenten durch die nach seinem Ermessen beauftragten Organe des Bundes oder der Länder einschließlich des Bundesheeres durchzuführen“.

Solche Weisungen des Bundespräsidenten bedürfen keiner Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler, wenn sich die Exekution – wie hier – gegen ein Organ des Bundes richtet, merkte der VfGH an.

Keine Einsicht in Dateien

Einen weiteren Antrag der Opposition in dieser Causa wies der VfGH jedoch ab: Einsicht in die vom Finanzministerium dem VfGH vorgelegten Dateien sei nicht angebracht, weil „keine konkreten Rechtsschutzinteressen vorliegen“. Es sei keine Akteneinsicht zu gewähren, wenn deren Gewährung bereits den Streit darüber entscheiden würde, ob die Akten überhaupt dem Untersuchungsausschuss vorgelegt werden müssen, stellten die Verfassungsrichter fest.

SPÖ-U-Ausschuss-Fraktionsführer Kai Jan Krainer sprach von einer „wegweisenden Entscheidung“. „Dass ein ÖVP-Minister durch den VfGH dazu gezwungen werden muss, sich an die Verfassung und an Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs zu halten, sagt leider alles darüber, was aus der ÖVP unter Kurz geworden ist“, so Krainer in einer Aussendung. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger twitterte: „Das ist wohl eine politische Bombe.“

Entscheidung in Sachen Bundeskanzleramt steht noch aus

Noch nicht entschieden hat der VfGH in Sachen Meinungsverschiedenheiten zwischen Opposition und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) über die Aktenvorlage im U-Ausschuss. SPÖ, FPÖ und NEOS haben mehrfach beklagt, keine einzige Mail und keinen einzigen Kalendereintrag des Kanzlers erhalten zu haben. Über ihre Anträge dazu werden die Beratungen kommende Woche fortgesetzt, teilte der VfGH am Donnerstag mit. Das Kanzleramt hat dem Gerichtshof in diesem Verfahren 692 Mails von Mitarbeitern übermittelt, wonach sie in einem „umfassenden Suchprozess“ keinerlei „abstrakt relevante Akten und Unterlagen“ gefunden hätten.