Justizministerin Alma Zadic (Grüne)
APA/Herbert Neubauer
Zadic zu Aktenlieferung

„Hätte viel früher passieren sollen“

Die Grünen halten Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) in der Causa „Ibiza“ die Stange und stimmen nicht in den Chor der Opposition mit ein, die seinen Rücktritt verlangt. Kritik üben sie dennoch an der zögerlichen Aktenlieferung Blümels trotz eindeutiger Anweisung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH). Für Justizministerin Alma Zadic (Grüne) kam sie zu spät.

Höchst zögerlich und geheim: Blümel lieferte Tausende Akten in letzter Sekunde, ausgedruckt und für die Opposition im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss äußerst schwer zu sichten. Das hatte bereits für geharnischte Kritik an Blümel gesorgt. FPÖ und SPÖ verlangten seinen Rücktritt, auch weil die Unterlagen als „geheim“ klassifiziert geliefert wurden. Verfassungsjuristen zweifelten an Blümels rechtsstaatlicher Gesinnung, weil er erst nach dem Exekutionsantrag des VfGH tätig geworden war und Bundespräsident Alexander Van der Bellen eingeschaltet werden musste.

Für die Grünen ergibt sich durch die Geschehnisse der Woche einmal mehr ein schwieriger Spagat zwischen ihrer Rolle als Koalitionspartner und dem Versprechen, Kontrollpartei zu sein. Für Zadic hätten die Akten jedenfalls eher geliefert werden sollen, wie sie am Samstag in der Ö1-Reihe „Im Journal zu Gast“ sagte. Sie finde es gut, dass Blümel die Akten nun geliefert habe. „Es hätte auch viel früher passieren sollen, meines Erachtens, weil der Verfassungsgerichtshof war ganz klar, und dass das letzten Endes exekutiert wird, falls nicht geliefert wird, war eigentlich auch ganz klar. Wir kennen alle die Verfassung“, so Zadic. Und diese gelte für alle.

„Und wenn der Verfassungsgerichtshof das sagt, und das ist dem Untersuchungsausschuss zu liefern, dann haben auch die höchsten Verwaltungsorgane, und dazu gehören auch die Bundesminister und Bundesministerinnen, sich daran zu halten.“ Ob die Geheimhaltung der Akten – derzeit sind sie klassifiziert in Stufe drei (von vier), wodurch die Inhalte in der Öffentlichkeit nicht besprochen werden dürfen – geändert werden sollte, sagte Zadic nicht. Das sei Sache des Parlaments, so Zadic am Freitag im Rahmen einer Pressekonferenz.

Kritik an Zadics Worten kam umgehend von der FPÖ: „Dass Zadic zu den permanenten Angriffen der ÖVP auf Rechtsstaat und Justiz sowie besonders zu den ungeheuerlichen Vorgängen rund um die bis zum Exekutionsantrag durch den Verfassungsgerichtshof zurückgehaltenen Akten aus dem ÖVP-geführten Finanzministerium keine klareren und eindeutigeren Worte fand, ist schon sehr verwunderlich", so Justizsprecher Harald Stefan per Aussendung. „Wenn nämlich ein Minister permanent Gesetze sowie die Verfassung mit Füßen tritt, das Parlament und dann auch noch den VfGH missachtet, dann wäre eine geharnischte Reaktion vonseiten der Justizministerin schon mehr als angebracht gewesen“, hieß es.

Grüne zurückhaltend

Auch sonst kam von den Grünen nur zurückhaltend Kritik an Blümels Vorgehen. Die Vorwürfe reichten nicht für einen Rücktritt, befand die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer im Ö1-„Mittagsjournal“ am Freitag. Die Frage, ob Blümel für die Grünen noch tragbar sei, bejahte Maurer. Das Finanzministerium habe mittlerweile aber wohl selbst erkannt, dass es „klüger“ gewesen wäre, gleich zu liefern. Entscheidend ist für Maurer allerdings, dass die Akten nun im Parlament sind. Gegen scharfe Kritik von Verfassungsrechtler Heinz Mayer verteidigte Maurer die ÖVP: Der Regierungspartner agiere im Rahmen der Verfassung – „wenn auch sehr zögerlich“.

Vizekanzler und Grünen-Chef Kogler meinte zwar, es sei „gut, dass der Verfassungsgerichtshof das jetzt geklärt hat“, wie er zur „Kronen Zeitung“ sagte. „Einsehen muss man das aber nicht, dass das so lange gedauert hat und bis zum Äußersten gegangen ist.“

Der VfGH hatte am Donnerstag mit einem Exekutionsantrag an den Bundespräsidenten für die Übermittlung der Akten gesorgt. Übergeben wurden schließlich 204 Ordner an die Parlamentsdirektion. Beantragt hatten die Daten die Oppositionsparteien. Bundespräsident Van der Bellen sprach von einem bisher einzigartigen Fall.

Angelegenheit für ÖVP erledigt

Die ÖVP verteidigte die späte Aktenlieferung. U-Ausschuss-Fraktionschef Andreas Hanger erklärte Blümels Vorgehen damit, dass das Finanzministerium die Unterlagen vor Übermittlung datenschutzrechtlich habe prüfen müssen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), gegen den noch mehrere Beschwerden der Opposition beim Höchstgericht anhängig sind, sagte am Freitag: „Es ist für Gerichte, auch den Verfassungsgerichtshof, immer eine schwierige und heikle Frage abzuwägen zwischen Datenschutzinteressen, zum Beispiel von Mitarbeitern, auch wenn es um Gesundheitsdaten geht, und dem Interesse, dass der U-Ausschuss die Einsicht bekommt, die er benötigt.“

Aufregung über geheime Akten

Das Finanzministerium hat höchst zögerlich Akten an den „Ibiza“-U-Ausschuss geliefert und als geheim eingestuft. In dieser Form könnten die Dokumente vom Ausschuss kaum verarbeitet werden. Die Parteien kündigten an, sich gegen die Geheimhaltungsstufe zu wehren.

„Der Verfassungsgerichtshof hat hier eine klare Entscheidung getroffen, der wurde selbstverständlich Folge geleistet. Soweit ich informiert bin, hat das Finanzministerium auch alle angeforderten Daten geliefert.“

Sanfter Tadel kam von Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP). Zwar betonte auch er, dass die E-Mails vom Finanzminister geliefert worden seien: „Wir sind ein Rechtsstaat. Die Rechtsmittel sind eingehalten worden“, sagte er zu ATV. „Aber persönlich denke ich mir, man muss nicht mit allem und jedem bis zum letzten Abdruck warten.“