Migranten bei ihrer Ankunft in Lampedusa
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Lampedusa vor Kollaps

Tausende fliehen wieder übers Mittelmeer

Mit der Verbesserung der Wetterbedingungen und der politischen Instabilität in Nordafrika steigt wieder die Zahl der übers Mittelmeer Flüchtenden. Allein in den letzten 24 Stunden wurden mehr als 2.000 Schutzsuchende vor der Küste der italienischen Insel Lampedusa gerettet – ein Vielfaches der Zahl von Anfang des vergangenen Jahres.

Der Seeweg zwischen Nordafrika und Italien gilt als eine der gefährlichsten Routen für Geflüchtete. Trotzdem machten sich in den vergangenen Wochen wieder sehr viele Menschen in Schlauchbooten und kleinen Holzschiffen auf die Fahrt Richtung Europa, oft von Libyen und Tunesien aus.

Allein in der Nacht auf Montag hätten Patrouillenschiffe 635 Menschen aus kleinen Booten vor Lampedusas Küste aufgenommen und an Land gebracht, berichtete die italienische Nachrichtenagentur ANSA. Andere hätten selbst die Küste erreicht. Damit sei die Zahl der Männer, Frauen und Kinder, die auf der Insel innerhalb von 24 Stunden registriert wurden, auf 2.128 gestiegen. Insgesamt habe es rund 20 Anlandungen gegeben.

Migranten in Thermodecken in Lampedusa
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Schutzsuchende im Hotspot auf Lampedusa

Hotspot überfüllt

Die Geflüchteten wurden im Hotspot der Insel untergebracht. Der Hotspot, der zuvor leer war, sei nun stark überfüllt, wie die Tageszeitung „Corriere della Sera“ berichtete, und stehe vor dem Kollaps. Er beherberge mehr als 2.000 Menschen – bei einer maximalen Kapazität von 250 Plätzen. Es sei unterdessen damit begonnen worden, die Geflüchteten in Quarantäneschiffen in Auffanglager auf Siziien zu bringen.

Seit Beginn des Jahres erreichten nach einer Zählung des Innenministeriums in Rom mit den jüngsten Ankünften knapp 13.000 Schutzsuchende Italien. Vor einem Jahr waren es zum gleichen Zeitpunkt gut 4.100 gewesen. Nach einer Zählung der Internationalen Organisation für Migration (IOM) gelangten fast 530.000 Menschen seit Anfang 2015 auf dem Seeweg nach Italien. Die Route ist jedoch zugleich eine der gefährlichsten.

Seit Jänner kamen nach Angaben der IOM 359 Menschen auf der Flucht im zentralen Mittelmeer ums Leben. Im vergangenen Jahr starben nach offiziellen Zahlen mehr als 1.200 Menschen bei dem Versuch, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Experten gehen jedoch von einer hohen Dunkelziffer aus.

CoV erschwert Seenotrettung

Die Hilfsorganisation SOS Mediterranee wies unterdessen auf erschwerte Bedingungen bei der Rettung von Geflüchteten während der Coronavirus-Pandemie hin. „Es war ein besonders schwieriges Jahr für die zivile Seenotrettung“, hieß es im Jahresbericht der Organisation für 2020.

Migranten bei ihrer Ankunft in Lampedusa
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Im Mittelmeer Gerettete werden an Land gebracht

Als besondere Herausforderungen nannten die Seenotretter die De-facto-Schließung von Häfen in Italien und Malta, lange Quarantänezeiten sowie Coronavirus-Maßnahmen an Bord der Schiffe. Der Bericht wies auch darauf hin, dass Hygienevorschriften an Bord der Rettungsschiffe nur schwer einzuhalten seien. Unter den strengen Hygienevorschriften sind die Rettung und Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen der Organisation zufolge kaum möglich.

Aufgeheizte Stimmung

Das Thema heizte am Wochenende die einwanderungsfeindliche Stimmung der Rechtsparteien in Italien an. Sie forderten ein Treffen mit Italiens Premier Mario Draghi, um die Migrationsproblematik zu besprechen. „Während Millionen von Italienern wegen der Pandemie in Schwierigkeiten sind, können wir nicht an Tausende illegale Migranten denken“, sagte der Chef der rechten Regierungspartei Lega, Matteo Salvini. Er werde mit Innenministerin Luciana Lamorgese gemeinsam nach Lösungen suchen.

Die Chefin der Oppositionspartei Fratelli d’Italia (Brüder Italiens), Giorgia Meloni, forderte eine Schiffsblockade, um die Migrationsbewegung zu stoppen. Der Bürgermeister von Lampedusa, Toto Martello, wiederum unterstrich die Notwendigkeit „klarer Regeln“, um „die Rettung auf See und die Kontrolle im Mittelmeer-Raum gemäß den Menschenrechten“ gewährleisten zu können.

Lamorgese war wegen des Anstiegs der Zahl der Bootsmigrantinnen und Bootsmigranten nach ANSA-Angaben am Wochenende bereits in Kontakt mit Draghi gestanden. Nächste Woche werde Draghi nach Tunis reisen, um das Problem anzusprechen. Rom ist bemüht, Bootsmigranten schnell innerhalb der EU weiterzuverteilten.