Abgefangene Raketen über Gaza
Reuters/Amir Cohen
Raketenangriffe

Gefährliche Eskalation in Nahost

Seit mehreren Tagen ist Jerusalem Schauplatz von Ausschreitungen zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften. Am Montag eskalierten die Auseinandersetzungen – nicht nur in Jerusalem. Schon tagsüber gab es immer wieder Raketenangriffe aus dem Gazastreifen Richtung Israel. Israel reagierte mit Luftangriffen Richtung Gazastreifen.

Die Truppen an der Grenze wurden verstärkt. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kündigte an, dass sich die Israelis darauf einstellen müssten, dass der gegenwärtige Konflikt länger dauern könnte. Nach den Raketenangriffen der Hamas drohte Netanjahu mit einer harten Reaktion. Es sei eine „rote Linie“ überschritten worden.

„Israel wird mit großer Macht reagieren. Wir werden keine Angriffe auf unser Gebiet, unsere Hauptstadt, unsere Bürger und Soldaten dulden. Wer uns angreift, wird einen hohen Preis bezahlen“, so Netanjahu. Laut dem Gesundheitsministerium im Gazastreifen starben bei den israelischen Vergeltungsangriffen bisher mindestens 20 Menschen, unter ihnen seien neun Kinder. Die genauen Umstände sind aber noch unklar. Nach Angaben der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas wurde auch einer ihrer Kommandeure getötet.

Abgeschossene Rakete über Gaza Richtung Israel
Reuters/Mohammed Salem
Über 40 Raketen sollen aus dem Gazastreifen Richtung Israel gefeuert worden sein. Israel reagierte mit Luftangriffen.

„Botschaft“ der Hamas

Der militärische Hamas-Arm veröffentlichte am Montag ein Video, in denen militante Kämpfer mit Raketen und Abschussrampen zu sehen waren. „Jerusalem hat uns gerufen, und wir haben geantwortet“, hieß es darin. „Wenn ihr weitermacht, machen wir auch weiter.“ Schon tagsüber gab es am Montag die heftigsten Ausschreitungen seit Jahren auf dem Tempelberg in der Nähe der Al-Aksa-Moschee.

Es gab mehr als 300 verletzte Palästinenser und knapp zwei Dutzend verletzte Sicherheitskräfte. Nachdem ein Ultimatum der radikalislamischen Hamas verstrichen war, das die Räumung des Tempelbergs durch Polizisten und Siedler gefordert hatte, wurden laut israelischem Militär sieben Raketen aus dem Gazastreifen abgefeuert. Sie schlugen auch im Großraum von Jerusalem ein.

Man habe als „Botschaft“ an den israelischen Feind Raketen auf Jerusalem gefeuert. Es handle sich um eine „Reaktion auf seine Verbrechen und Aggression gegen die heilige Stadt“ sowie auf Israels Vorgehen auf dem Tempelberg und im Stadtteil Scheich Dscharrah.

Großbrand auf dem Tempelberg

Mehr als 150 Raketen sind laut der israelischen Armee auf Israel abgeschossen worden. Dutzende davon seien von der Raketenabwehr „Eisenkuppel“ abgefangen worden. Sechs Raketen hätten Jerusalem als Ziel gehabt. Raketenalarm in Jerusalem ist sehr selten. Medienberichten zufolge wurde das Parlament in Jerusalem geräumt. Die Abgeordneten seien in Schutzräume gebracht worden.

Großbrand auf dem Tempelberg

Der Brand auf dem Tempelberg Montagabend ging vermutlich von einem Feuerwerkskörper aus.

Israelische Behörden räumten zudem die Klagemauer aufgrund der Zusammenstöße. Hunderte jüdische Gläubige wurden in Sicherheit gebracht. Nach Angaben der Polizei gab es einige Einschläge in Jerusalem. Am Abend berichtete die Nachrichtenagentur AFP von einem Großbrand auf dem Tempelberg. Offenbar ging ein großer Baum durch einen Feuerwerkskörper in Flammen auf.

Flaggenmarsch abgesagt

Der für Montag geplante Marsch durch die Jerusalemer Altstadt anlässlich des israelischen Feiertags Jerusalem-Tag fand angesichts der Lage nicht statt. Am Jerusalem-Tag feiert Israel die Eroberung des arabischen Ostteils von Jerusalem einschließlich der Altstadt während des Sechstagekrieges 1967. 13 Jahre später wurde der Teil annektiert. Die Annexion wird international nicht anerkannt. Die Palästinenser sehen Ostjerusalem als Hauptstadt eines künftigen eigenen Staates.

Cupal (ORF) zu den Krawallen in Israel

ORF-Israel-Korrespondent Tim Cupal berichtet über die aktuellen Situation in Jerusalem.

Aus Sorge vor Gewalt hatte die israelische Polizei Juden am Montag verboten, bei Flaggenmärschen durch die Altstadt auch den Tempelberg zu besuchen. Der Tempelberg mit dem Felsendom und der Al-Aksa-Moschee ist für das Judentum wie für den Islam von herausragender Bedeutung. Es ist die drittheiligste Stätte im Islam. Zugleich standen dort früher zwei jüdische Tempel, von denen der letzte im Jahr 70 von den Römern zerstört wurde. Die Klagemauer ist ein Überrest jenes zerstörten Tempels und die heiligste Stätte der Juden.

30 Palästinenser vor Zwangsräumung

Die Lage im Westjordanland und im arabisch geprägten Ostteil Jerusalems ist seit Beginn des Fastenmonats Ramadan angespannt. Bei heftigen Zusammenstößen waren in Jerusalem schon seit Freitag rund 300 Palästinenser und etwa 20 Polizisten verletzt worden. Die tagelangen Proteste hatten im Viertel Scheich Dscharrah ihren Ausgang genommen, weil dort 30 Palästinenser mit der Zwangsräumung ihrer Wohnungen rechnen müssen. Ein für Montag geplanter Gerichtstermin zu den Zwangsräumungen wurde verschoben.

Karte von Ostjerusalem
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Scheich Dscharrah liegt im Ostteil der Stadt. Anfang des Jahres hatte Jerusalems Bezirksgericht entschieden, dass die Häuser der vier betroffenen Familien rechtmäßig jüdischen Familien gehören. Nach israelischem Recht können jüdische Israelis vor Gericht Besitzanspruch auf Häuser in Ostjerusalem anmelden, wenn ihre Vorfahren vor dem arabisch-israelischen Krieg (1948/49) dort im Besitz von Grundstücken waren. Für Palästinenser, die ihr Eigentum ebenfalls infolge des Krieges verloren haben, gibt es kein solches Gesetz.

Keine Einigung im UNO-Sicherheitsrat

Von Europa bis in die USA gab es laute Appelle an beide Seiten, eine weitere Eskalation zu verhindern. Der UNO-Sicherheitsrat beriet am Montag in einer Dringlichkeitssitzung über Jerusalem. Auf eine gemeinsame Erklärung konnten sich die Ratsmitglieder zunächst nicht einigen. Die USA würden sich einem Diplomaten zufolge „hinter den Kulissen“ bemühen, die Situation zu beruhigen.

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres warnte vor einer weiteren Eskalation der Lage. „Er verurteilt aufs Schärfste den Abschuss von Raketen aus dem Gazastreifen nach Israel, zu denen sich Berichten zufolge die Hamas bekannt hat“, sagte Guterres-Sprecher Stephane Dujarric. Der Chef der Vereinten Nationen forderte von Israelis und Palästinensern „maximale Zurückhaltung“. Das Weiße Haus zeigte sich angesichts der eskalierenden Gewalt in Israel ernsthaft besorgt.

Raketenangriffe auf Jerusalem

Am Montag ist es in Israel erneut zu Ausschreitungen zwischen israelischen Sicherheitskräften und Palästinensern gekommen. Inzwischen wurden auch aus dem Gazastreifen Raketen der radikalislamischen Hamas abgefeuert, die im Großraum von Jerusalem eingeschlagen sind.

Vor dem Hintergrund aufflammender Gewalt forderte der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn, den Nahost-Konflikt ins Zentrum von Beratungen auf EU-Ebene zu stellen. Es gebe derzeit die Angst, „dass die Israelis im Begriff sind, Ostjerusalem zu okkupieren“. ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg warnte vor den Beratungen in Brüssel: „Die Situation ist brandgefährlich und sehr volatil.“