Klubobfrau der Grünen, Sigrid Maurer
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„Unsozial“ vs. „untragbar“

Grüne und WKO im Clinch

Rund um das geplante Klimaschutzgesetz und die Arbeitspolitik hat sich in den letzten Tagen ein öffentlich ausgetragener Konflikt zwischen den Grünen und der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) entsponnen. Wie der „Standard“ am Dienstag berichtete, soll sich die WKO intern gegen das Klimagesetz ausgesprochen und dieses als „überambitioniert“ und teils „untragbar“ bezeichnet haben. Die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer bezeichnete die WKO daraufhin in Sachen Klima und Armutsbekämpfung als „unsozial“.

In ihrer Kritik bezog sich Maurer dabei auf einen Vorschlag der dominanten ÖVP-Fraktion in der Wirtschaftskammer, dem Wirtschaftsbund, zum Arbeitslosengeld. WKO- und Wirtschaftsbund-Chef Harald Mahrer (ÖVP) hatte sich zuletzt für ein Modell ausgesprochen, bei dem der Bezug degressiv auf 40 Prozent des Letzteinkommens fallen soll, und betont, dass das auch die Position der Wirtschaftskammer sei: „Egal ob beim Klima oder bei der Arbeitsmarktpolitik, es ist ein altes, ein unsoziales Denken, das auf Ausbeutung von Mensch und Natur basiert“, sagte Maurer dazu im Ö1-Morgenjournal. Mahrer hatte sich auch dafür ausgesprochen, die Notstandshilfe zu begrenzen.

„Ich habe auch den Eindruck, dass Herr Mahrer hier die Zeichen der Zeit übersieht“, so Maurer. Im Regierungsprogramm habe man „die Halbierung der Armut beschlossen und nicht die Halbierung des Arbeitslosengeldes“. Die Wirtschaftskammer betreibe „eine Politik, die sich schon vor 30 Jahren als falsch erwiesen hat“.

„Völlig abgehoben“

Sie habe den Eindruck, dass manche „Wirtschaftskammer-Funktionäre völlig abgehoben agieren. Die gönnen sich da ihre Mitgliedschaften in Jacht- und Golfclubs um die Kammerbeiträge, während sie gleichzeitig arbeitslosen Menschen, die im Corona-Jahr einfach Pech gehabt haben, das letzte Hemd nehmen wollen“, so Maurer. Auch beim Klima habe sie „den Eindruck, dass Personen aus der Wirtschaftskammer, die da eher dem fossilen Denken anhaften, versuchen, Sand ins Getriebe zu streuen“.

Kopf will „Wettbewerb der Ideen“

Zuvor hatte WKO-Generalsekretär Karlheinz Kopf Vorschläge von Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) zur CO2-Bepreisung als „ideologiegetriebene Bestrafungsfantasien“ bezeichnet. Kopf war es auch, der im Ö1-Mittagsjournal auf Maurers Kritik zur Arbeitsmarktpolitik antwortet: Es sei Maurer „selbstverständlich unbenommen, Vorschläge des Wirtschaftsbundes zu kritisieren“.

Er wies aber darauf hin, dass auch der grüne Parteiobmann Werner Kogler eine degressive Gestaltung des Arbeitslosengeldes bereits begrüßt habe. Darauf angesprochen hatte Maurer bereits im Morgenjournal betont, dass das korrekt sei, es mit den Grünen allerdings kein Sinken des Arbeitslosengeldes unter 55 Prozent geben werde. Mauerers „Jacht-Sager“ bezeichnete Kopf als „letztklassig“: Es müsse Schluss sein mit den übertriebenen Attacken. Wichtig sei jetzt, die unterschiedlichen Vorschläge und Ideen in einem Wettbewerb „in Ruhe zu diskutieren“.

WKÖ-Chef Harald Mahrer
APA/Georg Hochmuth
Maurer schoss sich auf WKO-Chef Mahrer ein

Internes WKO-Dokument gegen Klimagesetz

Diskussionbedarf zeichnet sich auch beim Klimaschutz ab. Wie der „Standard“ (Dienstag-Ausgabe) berichtete, hält die Kammer den Entwurf des grünen Klimaschutzministeriums für „untragbar“ und „überambitioniert“. Die zuständige Ministerin Gewessler mahnte daraufhin: „Gerade für den Wirtschaftsstandort Österreich gibt es nichts Schädlicheres, als wenn wir diese Entwicklung verschlafen.“ Mit Blick in Richtung Wirtschaftskammer sagte sie: „Wir werden uns im Klimaschutz nicht von altem Denken und Zögern bremsen lassen.“

Gegenüber der Zeitung betonte die Wirtschaftskammer, dass es sich um ein internes Dokument handeln müsse. Öffentlich bekennt sich die WKO zu den Pariser Klimazielen, um die Erderhitzung bei 1,5 Grad zu begrenzen.

Kritik an Verankerung in Verfassung

Wie es laut „Standard“ in der mit Ende April datierten kammerinternen Analyse heißt, würde das geplante Gesetz Strukturen schaffen, „die erheblichen Druck aufbauen“. Vor allem ein Aspekt scheint die Kammer zu stören: der Plan der Grünen, Klimaneutralität bis 2040 inklusive eines Treibhausgasreduktionspfads in der Verfassung zu verankern. Das würde den politischen Handlungsspielraum künftiger Regierungen „lahmlegen“.

Die Einrichtung eines Klimakabinetts hält die WKO für in Ordnung. Dieses könne – in Kombination mit anderen im Entwurf geplanten Institutionen – allerdings dazu führen, dass „NGOs und die Wissenschaftler das Klimakabinett vor sich hertreiben und wahrscheinlich sogar gerichtlich belangen“. Auch den – von Fachleuten wiederholt geforderten – klaren CO2-Reduktionspfad in dem „überambitionierten Papier“ sieht die Kammer kritisch.

Die Zielvorgaben würden „massive Verwerfungen“ mit sich bringen und seien „enorm teuer“. Lediglich in der Landwirtschaft seien die Verpflichtungen „vergleichsweise moderat“. Jene Milliardenkosten, die auf Österreich aufgrund einer Klimazielverfehlung zukämen, wurden nicht erwähnt.

Forderung nach Einbindung der Sozialpartner

Bereits bekannt ist, dass die Kammer einen Notfallmechanismus, sollten die Klimaziele verfehlt werden, ablehnt. Ein automatischer Anstieg der Steuern auf fossile Energieträger wäre eine „massive Mehrbelastung“ für den Wirtschaftsstandort.

Die Wirtschaftskammer drängt darauf, in der Klimafrage nicht nur auf die Wissenschaft, sondern auch auf die Sozialpartner zu hören. Konkret fordert man „eine umfassende Bewertung der Zahlengerüste durch Experten und Sozialpartner“. In einem Inserat in der „Presse“ fordert die Wiener Wirtschaftskammer unterdessen den Bau des Autobahntunnels durch das Wiener Naturschutzgebiet Lobau.

Druck „Sinn und Zweck“

Unverständnis für die Ablehnung der WKO äußerte der grüne Klimaschutzsprecher Lukas Hammer. „Nach Jahren verfehlter Klimaziele sorgt sich die WKO nun, dass mit einem neuen Klimaschutzgesetz Strukturen geschaffen würden, die erheblichen Druck aufbauen. Genau das ist aber Sinn und Zweck eines wirkungsvollen Klimaschutzgesetzes. Wollen wir, dass sich etwas ändert, oder nicht?“

Kritik an der Haltung der Wirtschaftskammer kam am Dienstag auch von den Umweltschutzorganisationen WWF, Global 2000, Greenpeace und „Fridays for Future“. „Fridays For Future“ kündigte für Freitag eine Demonstration vor der WKO-Zentrale in Wien an. SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch kritisierte zudem die von der WKO vorgeschlagenen Arbeitsmarktmaßnahmen als „zynisch und unsozial“. Das durchschnittliche Arbeitslosengeld beträgt 34,40 Euro pro Tag, wenn es nach Mahrer geht, sind das dann nur mehr 25 Euro pro Tag.

Verhandlungen laufen

Die beiden Regierungsparteien ÖVP und Grüne verhandeln derzeit über ein Klimaschutzgesetz. Ziel ist es, dass Österreich ab 2040 kein klimaschädliches CO2 mehr ausstößt. Deutschland strebt nach einem Urteil der Verfassungsrichter Klimaneutralität nun bis 2045 an.

Zuerst hatte Vizekanzler Kogler die WKO als Blockierer in Sachen Klimaschutz gescholten. Im Interview mit der „Kronen Zeitung“ attestierte er „manchen Institutionen“ wie der Wirtschaftskammer „noch viel altes und fossiles Denken“. Die ÖVP-Spitze hingegen wisse, „dass wir ein paar Modernisierungsschübe brauchen“, so Kogler.