Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP)
APA/Helmut Fohringer
Falschaussage

Ermittlungen gegen Kurz

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat Ermittlungen gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und seinen Kabinettschef Bernhard Bonelli aufgenommen. Beide werden der Falschaussage vor dem „Ibiza“-U-Ausschuss verdächtigt und als Beschuldigte geführt.

Grund für die Ermittlungen sind die Vorgänge um die Bestellung des Aufsichtsrats und des Alleinvorstands der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG). Hier sollen Kurz und Bonelli den U-Ausschuss falsch informiert haben, es gilt die Unschuldsvermutung. Basis war eine Anzeige von NEOS. Zuerst berichtete die „Presse“ über die Ermittlungen gegen den Bundeskanzler.

Es würde sich um ein Verfahren handeln, das wegen des geringen Strafmaßes vor einem Einzelrichter landen würde, sagte Kurz in einer ersten Stellungnahme. Die WKStA könne jederzeit einen Strafantrag stellen. Er werde nicht zurücktreten, sondern seine Sicht der Dinge schildern, so der Kanzler. Er werde einer Befragung durch einen Richter „auch sehr gerne nachkommen“. Er habe selbstverständlich alle Fragen immer wahrheitsmäßig beantwortet.

Kurz zu Ermittlungen der WKStA

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat Ermittlungen gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und seinen Kabinettschef Bernhard Bonelli aufgenommen. Kurz nahm dazu vor dem Ministerrat Stellung. Eine Verurteilung könne er sich „beim besten Willen“ nicht vorstellen.

Im U-Ausschuss stehen Auskunftspersonen unter Wahrheitspflicht. Laut Paragraf 288 Strafgesetzbuch (StGB) ist ein „Zeuge“, der vor Gericht falsch aussagt, mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren zu bestrafen. In der Sachverhaltsdarstellung von NEOS wurde auch Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) angeführt. Hier gab es aber offenbar nach einer Anfangsverdachtsprüfung keine belastbaren Ergebnisse. Kürzlich hatte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) die Wahrheitspflicht im U-Ausschuss selbst zur Diskussion gestellt.

Kurz kann sich Verurteilung nicht vorstellen

Eine Verurteilung könne er sich auch „beim besten Willen“ nicht vorstellen, so Kurz. Er sei sich immer bewusst gewesen, dass der U-Ausschuss ein wichtiges Gremium sei, dem man Rede und Antwort stehen müsse. Er habe sich „stets bemüht“, sich „bestmöglich“ zu erinnern und „wahrheitsgemäße Angaben“ zu machen – zu Themen, die jahrelang zurückliegen, und zu Themenbereichen, die er „teilweise nur am Rande mitbekommen“ habe.

Kritik übte Kurz an der politischen Kultur im Land, werde doch mittlerweile ständig mit Anzeigen gearbeitet. In diesem U-Ausschuss werde „ganz bewusst mit Suggestivfragen, mit Unterstellungen“ versucht, teilweise eine „sehr aufgeheizte Stimmung zu erzeugen“, sagte der Kanzler.

Es werde schnell versucht, „einem das Wort im Mund umzudrehen“ und Menschen „irgendwie in eine Falschaussage hineinzudrängen“, meinte Kurz. „Niemand hat ein Interesse, eine Falschaussage zu machen – das ist ja logisch.“ Einen Termin bei der WKStA hat Kurz noch nicht, er sei gerade erst über das Ermittlungsverfahren informiert worden.

Schmid-Chats über Postenbesetzung

Die WKStA hatte mittlerweile zig Chatnachrichten aus dem Smartphone von ÖBAG-Alleinvorstand Thomas Schmid ausgewertet. Es sei sowohl Kurz als auch Bonelli stärker als bisher bekannt in die Suche nach Aufsichtsräten für die neu gegründete Staatsholding involviert gewesen. Im WKStA-Verdacht heißt es: Kurz habe unter anderem „tatsachenwidrig die ab Ende 2017 mit dem gemeinsam Bestreben, MMag. Thomas Schmid für die ÖVP zum Alleinvorstand der ÖBAG zu nominieren, geführten Gespräche und Telefonate sowie (…) Chats mit diesem in Abrede gestellt und behauptet, er sei nur informiert, aber nicht darüber hinausgehend eingebunden gewesen“.

Kurz hatte bereits im Juni des vergangenen Jahres als Auskunftsperson ausgesagt. Damals verneinte er unter Wahrheitspflicht, mit Schmid vor dessen Bestellung zum Alleinvorstand der staatlichen Beteiligungsgesellschaft ÖBAG über diesen Sachverhalt gesprochen zu haben. Aber aus Chatverläufen geht laut Opposition klar hervor, dass Kurz von der Bestellung Schmids gewusst hatte. „Sebastian will mich nicht gehen lassen“, schrieb Schmid etwa in einem Chat zu seinen Ambitionen, in die ÖBAG-Vorläuferorganisation ÖBIB zu wechseln. Zwei Monate vor seinem Hearing schrieb er, dass alles „auf Schiene“ und „mit Sebastian“ abgestimmt sei.

In einer Nachricht an den Bundeskanzler bedankte sich der damalige Generalsekretär im Finanzministerium, Schmid, beim Kanzler für „alles“. Das war kurz vor der Bestellung der Aufsichtsräte im Februar 2019. Im März, noch vor der Bestellung von Schmid zum ÖBAG-Alleinvorstand, bat dieser den Bundeskanzler, ihn „nicht zu einem Vorstand ohne Mandate zu machen“. Kurz antwortete: „kriegst eh alles was du willst.“

SPÖ fordert Rücktritt bei Anklage, FPÖ sofort

Als erste Partei reagierte die FPÖ auf die Ermittlungen gegen Kurz und forderte den Rücktritt des Kanzlers. Die „türkise Regierungsmannschaft“ taumle „von einem Strafverfahren ins nächste“, so der FPÖ-Fraktionschef im „Ibiza“-U-Ausschuss, Christian Hafenecker. Er sieht aber auch die Grünen gefordert. Es werde sich zeigen, ob sie „der Volkspartei die Mauer machen (…) oder ob man sich nunmehr endlich dazu aufrafft, den Weg der Anständigkeit einzuschlagen“. Konkret appellierte er an die Grünen, für die Verlängerung des U-Ausschusses zu stimmen.

Der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried beurteilte die Vorwürfe gegen Kurz als „sehr schwerwiegend“. Der Bundeskanzler habe „selbst immer gesagt, dass die Grenze das Strafrecht ist. Hier sind wir mitten im Strafrecht“, so Leichtfried. Sollte es zu einer Anklage gegen den Bundeskanzler wegen Falschaussage kommen, dann sei eine rote Linie überschritten. „Ein angeklagter Bundeskanzler kann sein Amt nicht mehr ausüben und muss die Konsequenzen ziehen.“

Ähnlich äußerte sich NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger. „Auch der Bundeskanzler kann und darf vor einem Untersuchungsausschuss nicht die Unwahrheit sagen“, sagte sie und verwies auf weitere Verfahren, die gegen „Mitglieder der türkisen ‚Familie‘“ laufen. Das sei „eine weitere Bestätigung für die Missachtung des Rechtsstaates durch Sebastian Kurz und seine ÖVP“, so die NEOS-Chefin.