Bundeskanzler Sebastian Kurz
APA/Helmut Fohringer
WKStA ermittelt

Opposition mit scharfer Kritik an Kurz

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wegen Falschaussagen Ermittlungen eingeleitet. Die FPÖ forderte am Mittwoch dessen Rücktritt, die SPÖ sieht die „rote Linie“ bei einer Anklage überschritten. Für NEOS schadet das Kurz-Kabinett dem Land. Während sich die Grünen zurückhaltend zeigten, attackierten ÖVP-Minister die Opposition.

Neben Kurz wird auch dessen Kabinettschef Bernhard Bonelli wegen Falschaussage als Beschuldigter geführt. Basis war eine Anzeige von NEOS wegen Kurz’ Aussagen zur Bestellung von ÖBAG-Chef Thomas Schmid im „Ibiza“-U-Ausschuss. Kurz hatte bereits im Juni des vergangenen Jahres im U-Ausschuss unter Wahrheitspflicht verneint, mit Schmid vor dessen Bestellung zum Alleinvorstand der staatlichen Beteiligungsgesellschaft AG (ÖBAG) darüber gesprochen zu haben. Die WKStA sieht es anders und ermittelt nun gegen Kurz.

Der Kanzler will der WKStA seine Sicht der Dinge darlegen, wie er am Mittwochvormittag betonte. An einen Rücktritt denke er allerdings nicht. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner betonte, dass die Ermittlungen natürlich abgewartet werden müssten. „Sollte es aber in weiterer Folge zu einer Anklage gegen den Bundeskanzler wegen Falschaussage kommen, dann ist eine rote Linie überschritten. Ein amtierender Kanzler, der angeklagt ist und vor Gericht steht, kann sein Amt nicht mehr ausüben und muss die Konsequenzen ziehen.“

Die SPÖ-Bundesvorsitzende sprach von „schwerwiegenden Verdachtsmomenten“. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft habe den begründeten Verdacht, dass der Bundeskanzler unter Wahrheitspflicht im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss die Unwahrheit gesagt habe, so Rendi-Wagner.

„Keinerlei moralische Legitimation“

Die FPÖ ging einen Schritt weiter und verlangte den sofortigen Rücktritt des Kanzlers. „So geht es jedenfalls nicht weiter, Herr Bundeskanzler, Ihr Rücktritt bitte“, so der FPÖ-Fraktionsführer im „Ibiza“-U-Ausschuss, Christian Hafenecker. Für ihn zeigen die Ermittlungen, „dass die türkise Regierungsmannschaft keinerlei moralische Legitimation mehr besitzt, dieses Land zu führen“.

Hafenecker sieht nun auch die „Stunde der Wahrheit“ für die Grünen. Diese müssten entscheiden, ob sie „mit dieser durch und durch korrupten türkisen Truppe weiter in den Untergang marschieren wollen“. Für NEOS ist der Schritt der WKStA „ein starkes Zeichen dafür, dass unser Rechtsstaat funktioniert. Vor dem Gesetz müssen alle gleich sein. Auch der Bundeskanzler kann und darf vor einem Untersuchungsausschuss nicht die Unwahrheit sagen“, so NEOS-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger.

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger
APA/Georg Hochmuth
Für Meinl-Reisinger ist der Schritt der WKStA ein „starkes Zeichen“ für die Rechtsstaatlichkeit

„Einzigartig und äußerst bestürzend“ nannte Meinl-Reisinger, dass mit Kurz und Bonelli sowie Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) und ÖBAG-Chef Schmid gleich vier „Spitzen der Republik“ und „Mitglieder der türkisen ‚Familie‘“ als Beschuldigte geführt werden: „Sebastian Kurz hat aus der Regierung ein zwielichtiges Kabinett gemacht. Das schadet unserem Land und dem Vertrauen in die Politik massiv.“

ÖVP sieht keine Falschaussage

Die Grünen blieben in ihrer Stellungnahme äußerst knapp und teilten mit, dass man „vollstes Vertrauen in die Justiz“ habe. Sie werde „die notwendigen Schritte setzen und die Vorwürfe in Ruhe und mit der gebotenen Seriosität klären. Das passiert ohne Ansehen der Person.“ Ähnlich äußerte sich Justizministerin Alma Zadic (Grüne). Ob sie einen Rücktritt des Kanzlers spätestens im Fall einer Verurteilung für geboten hielte, beantwortete Zadic trotz mehrmaliger Nachfragen nicht.

Dafür meldeten sich Kanzleramtsministerin Susanne Raab und Innenminister Karl Nehammer (beide ÖVP) zu Wort, um die Opposition und den U-Ausschuss zu schelten: Es sei „unglaublich“, wie die Opposition versuche, durch ständige Anzeigen die politische Kultur „zu zerstören“, meinte Raab. Im U-Ausschuss werde mit laufenden „Unterstellungen“ und „Provokationen“ versucht, einem „das Wort im Mund umzudrehen“. Auch Nehammer befand, dass im U-Ausschuss „in erster Linie Suggestivfragen“ gestellt würden, um die Auskunftsperson in Widersprüche zu verwickeln und dann anzeigen zu können.

Andreas Hanger, Fraktionsvorsitzender der ÖVP im „Ibiza“-U-Ausschuss, zeigte sich überzeugt, dass sich die Vorwürfe gegen Kurz „in Luft auflösen werden“, wie er gegenüber dem TV-Sender Puls24 sagte. Der Bundeskanzler habe bei seiner Befragung im U-Ausschuss den Konjunktiv verwendet, als es um die Bestellung des ÖBAG-Vorstands ging. Das zeige, dass er sich an die genauen Vorgänge wahrscheinlich nicht mehr habe erinnern können und deshalb den Konjunktiv verwendet habe. „Ich kann weit und breit keine Falschaussage sehen.“

Bis zu drei Jahre Haft bei Verurteilung

Zuvor hatte Kurz gesagt, dass es sich um ein Verfahren handle, das wegen des geringen Strafmaßes vor einem Einzelrichter landen würde. Die WKStA könne jederzeit einen Strafantrag stellen. Er werde einer Befragung durch einen Richter „auch sehr gerne nachkommen“, er habe selbstverständlich alle Fragen immer wahrheitsmäßig beantwortet, so der Kanzler weiter. Eine Verurteilung könne er sich auch „beim besten Willen“ nicht vorstellen.

Kurz zu Ermittlungen der WKStA

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat Ermittlungen gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und seinen Kabinettschef Bernhard Bonelli aufgenommen. Kurz nahm dazu vor dem Ministerrat Stellung. Eine Verurteilung könne er sich „beim besten Willen“ nicht vorstellen.

Im U-Ausschuss stehen Auskunftspersonen unter Wahrheitspflicht. Laut Paragraf 288 Strafgesetzbuch (StGB) ist ein „Zeuge“, der vor Gericht falsch aussagt, mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren zu bestrafen. In der Sachverhaltsdarstellung von NEOS wurde auch Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) angeführt. Hier gab es aber offenbar nach einer Anfangsverdachtsprüfung keine belastbaren Ergebnisse. Kürzlich hatte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) die Wahrheitspflicht im U-Ausschuss selbst zur Diskussion gestellt.

Schmid-Chats über Postenbesetzung

Die WKStA hat zig Chatnachrichten aus dem Smartphone von ÖBAG-Alleinvorstand Schmid ausgewertet. Es sei sowohl Kurz als auch Bonelli stärker als bisher bekannt in die Suche nach Aufsichtsräten für die neu gegründete Staatsholding involviert gewesen. Im WKStA-Verdacht heißt es: Kurz habe unter anderem „tatsachenwidrig die ab Ende 2017 mit dem gemeinsam Bestreben, MMag. Thomas Schmid für die ÖVP zum Alleinvorstand der ÖBAG zu nominieren, geführten Gespräche und Telefonate sowie (…) Chats mit diesem in Abrede gestellt und behauptet, er sei nur informiert, aber nicht darüber hinausgehend eingebunden gewesen“.

Kurz hatte bereits im Juni des vergangenen Jahres als Auskunftsperson ausgesagt. Damals verneinte er unter Wahrheitspflicht, mit Schmid vor dessen Bestellung zum Alleinvorstand der staatlichen Beteiligungsgesellschaft ÖBAG über diesen Sachverhalt gesprochen zu haben. Aber aus Chatverläufen geht laut Opposition klar hervor, dass Kurz von der Bestellung Schmids gewusst hatte. „Sebastian will mich nicht gehen lassen“, schrieb Schmid etwa in einem Chat zu seinen Ambitionen, in die ÖBAG-Vorläuferorganisation ÖBIB zu wechseln. Zwei Monate vor seinem Hearing schrieb er, dass alles „auf Schiene“ und „mit Sebastian“ abgestimmt sei.

In einer Nachricht an den Bundeskanzler bedankte sich der damalige Generalsekretär im Finanzministerium, Schmid, beim Kanzler für „alles“. Das war kurz vor der Bestellung der Aufsichtsräte im Februar 2019. Im März, noch vor der Bestellung von Schmid zum ÖBAG-Alleinvorstand, bat dieser den Bundeskanzler, ihn „nicht zu einem Vorstand ohne Mandate zu machen“. Kurz antwortete: „kriegst eh alles was du willst.“