Ein israelischer Truck beim Transport von Artilleriegeschossen.
AP/Ariel Schalit
Hamas vs. Israel

Zeichen stehen weiter auf Eskalation

Nach der jüngsten Eskalation im Nahost-Konflikt zeichnet sich auch nach tagelangen Angriffen keine Beruhigung ab – im Gegenteil. Militante Palästinenser im Gazastreifen setzten ihre Raketenangriffe auf Israel fort. Israel beschoss weiterhin Ziele in dem Palästinensergebiet. Stimmen auf beiden Seiten deuten auf einen längeren Konflikt hin. Diplomatische Bemühungen um eine Beilegung der Kämpfe blieben bisher erfolglos.

Die radikal-islamische Hamas feuerte weitere Raketen auf israelische Städte wie Tel Aviv. Israel flog am Donnerstag unterdessen erneut zahlreiche Luftangriffe auf den Gazastreifen. Das israelische Militär zog zudem Kampftruppen und Panzer an der Grenze zum Gazastreifen zusammen und teilte am späten Donnerstagabend mit, bereits in den Gazastreifen vorgedrungen zu sein.

Während Hamas-Chef Ismail Hanijeh von einer „unbefristeten Konfrontation mit dem Feind“ sprach, stimmte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Bürgerinnen und Bürger am Donnerstag ebenso auf einen längeren Einsatz im Gazastreifen ein: „Es wird einige Zeit dauern, aber mit großer Entschlossenheit, sowohl defensiv als auch offensiv, werden wir unser Ziel erreichen – die Ruhe im Staat Israel wiederherzustellen.“

Raketen werden von einem Raketenabwehrsystem abgefangen.
Reuters/Amir Cohen
Israelischen Angaben zufolge fängt die Luftabwehr 90 Prozent der Geschosse ab, die die Grenze überqueren

Raketen auch aus dem Libanon

Auch aus dem Libanon sind israelischen Angaben zufolge drei Raketen auf Israels Norden gefeuert worden. Die Geschosse seien im Meer gelandet, teilt das israelische Militär am Donnerstagabend mit. Dabei sei weder jemand verletzt noch Schaden angerichtet worden.

Seit Montagabend beschießen militante Palästinenser Israel massiv mit Raketen. Der israelischen Armee zufolge seien bisher insgesamt über 1.750 Raketen aus dem Gazastreifen abgefeuert worden. Seit Beginn des Beschusses aus dem Gazastreifen starben bisher sieben Menschen in Israel, sechs Zivilisten und ein Soldat, wie Militärsprecher Jonathan Conricus am Donnerstag mitteilte.

Situation im Nahen Osten eskaliert

Die Lage im Nahen Osten eskaliert weiter. Der Gazastreifen und Israel feuern Raketen ab. In einigen Städten kam es zudem zu Konflikten zwischen jüdischen und arabischen Bewohnern.

Hamas: „Mehr als 100“ Tote in Gaza

Die israelische Armee reagiert auf den Beschuss mit dem umfangreichsten Bombardement seit dem Gaza-Krieg des Jahres 2014. Das israelische Militär beschoss nach Angaben von Netanjahu knapp 1.000 Ziele im Gazastreifen.

Wie das von der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas geführte Gesundheitsministerium in Gaza-Stadt am Donnerstagabend mitteilte, wurden seit Montag 103 Menschen durch israelischen Beschuss getötet, darunter 27 Kinder und elf Frauen. Rund 580 Menschen seien verletzt worden.

Warnung vor Bürgerkrieg

Auch kam es in mehreren israelischen Städten zu gewaltsamen gewalttätige Auseinandersetzungen Spannungen zwischen jüdischen und arabischen Israelis. Mit Blick auf die Ausschreitungen im Land und den gleichzeitigen Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen sprach Netanjahu von einem Kampf „an zwei Fronten“.

Präsident Reuven Rivlin verurteilte die Gewalt auf Israels Straßen. Sie sei „eine echte Bedrohung für die israelische Souveränität“. Die gemäßigte Mehrheit von Juden und Arabern müsse sich für Rechtsstaatlichkeit und eine gemeinsame Existenz einsetzen, forderte Rivlin. „Wir dürfen nicht zulassen, dass Extremisten den Ton angeben.“ Rivilin warnte vor einem Bürgerkrieg und forderte ein Ende des „Wahnsinns“.

Israelische Soldatenbeim abfeuern einer Haubitze.
APA/AFP/Menahem Kahana
Israelischen Angaben zufolge wurden knapp 1.000 Ziele im Gazastreifen angegriffen

Internationale Besorgnis über Eskalation wächst

International wächst die Besorgnis über die Eskalation des Konflikts. Die Vereinten Nationen warnten den UNO-Sicherheitsrat laut Diplomaten vor einem großen Krieg. Der britische Premierminister Boris Johnson rief zu einer sofortigen Deeskalation auf. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verurteilte die Raketenangriffe auf Israel.

US-Präsident Joe Biden erklärte nach einem Telefonat mit Netanjahu, er gehe davon aus, dass die Kämpfe bald enden werden. Präsident Wladimir Putin forderte bei einem Gespräch mit UNO-Generalsekretär Antonio Guterres ein Ende der Gewalt.

Ägypten bemühte sich indes erneut um Vermittlung zwischen Israelis und Palästinensern. Eine ägyptische Delegation traf dafür am Donnerstag in Tel Aviv ein, um auf eine Feuerpause zwischen beiden Seiten hinzuarbeiten, wie es aus Sicherheitskreisen hieß. In den Gesprächen solle es auch um Wohnungsräumungen gehen, die palästinensischen Familien in Jerusalem drohten.

Diplomatische Bemühungen bisher erfolglos

Das russische Außenministerium teilte mit, Moskau und Kairo wollten sich eng abstimmen bei ihren Bemühungen um einen Neustart der Verhandlungen zwischen der palästinensischen und der israelischen Seite. So soll etwa das Nahost-Quartett aus den USA, Russland, den Vereinten Nationen und der EU einberufen werden.

Die diplomatischen Bemühungen um eine Beilegung der Kämpfe blieben bisher jedoch ohne erkennbaren Erfolg. Aus Palästinenser-Kreisen verlautete, Vermittlungsbemühungen der Vereinten Nationen, Ägyptens und Katars hätten keine Fortschritte gebracht. US-Außenminister Antony Blinken hatte die Entsendung des Nahost-Experten Hady Amr als Sondergesandten in die Region angekündigt. Auch er soll sich um eine Deeskalation bemühen.

UNO-Sicherheitsratstreffen am Sonntag

Der UN-Sicherheitsrat wird sich am Sonntag mit dem eskalierenden Nahost-Konflikt befassen. Die virtuelle Sitzung sei auf Antrag von China, Norwegen und Tunesien auf Sonntag um 16.00 Uhr MESZ angesetzt worden, teilten Diplomaten bei den Vereinten Nationen in New York am Donnerstag mit. Auch die USA, die die Absage einer für Freitag geplanten Sicherheitsratssitzung bewirkt hatten, seien einverstanden.

Als Auslöser der jüngsten Gewalteskalation gelten etwa Polizeiabsperrungen in der Jerusalemer Altstadt, die viele junge Palästinenser als Demütigung empfanden. Hinzu kamen drohende Zwangsräumungen von Familien und daraus resultierende Auseinandersetzungen von Palästinensern und israelischen Siedlern im Jerusalemer Viertel Sheikh Jarrah sowie heftige Zusammenstöße auf dem Tempelberg.