Venezuela: Sitz von regierungskritischer Zeitung besetzt

Venezolanische Sicherheitskräfte haben den Sitz der regierungskritischen Onlinezeitung El Nacional besetzt, um Entschädigungsansprüche eines hochrangigen Mitglieds der Staatsführung in Millionenhöhe durchzusetzen. Ein Richter sei gestern (Ortszeit) mit Nationalgardisten in das Gebäude gekommen, um „alles zu beschlagnahmen“, schrieb Nacional-Chef Miguel Henrique Otero auf Twitter.

Sicherheitsbeamter vor dem Eingang der El Nacional
APA/AFP/Yuri Cortez

Venezuelas Oberster Gerichtshof hatte die Zeitung im April dazu verurteilt, Diosdado Cabello, Venezuelas mächtigstem Mann nach Staatschef Nicolas Maduro, wegen „ernsthaften moralischen Schadens“ 13,4 Millionen Dollar (11,1 Mio. Euro) Entschädigung zu zahlen. Auf Twitter schrieb Cabello nun: „Der Prozess der Entschädigungszahlung hat begonnen.“

Cabello hatte die Zeitung 2015 geklagt, weil sie einen Bericht der spanischen Zeitung „ABC“ nachgedruckt hatte. Darin wurde ihm eine Verwicklung in den Drogenhandel vorgeworfen. 2018 war El Nacional zunächst angewiesen worden, Cabello mit einer Million Bolivar zu entschädigen, was damals einem Schwarzmarktwerkt von 600 Dollar entsprach. Der Oberste Gerichtshof setzte dann aber die Entschädigungssumme von 13,4 Millionen Dollar fest.

=Printversion seit 2018 eingestellt==

Die 1943 gegründete Zeitung hatte sich schon mit Maduros Amtsvorgänger Hugo Chavez immer wieder angelegt. Maduro wirft El Nacional vor, sich mit der Opposition verschworen zu haben, um ihn zu stürzen. Die Printversion von El Nacional wurde 2018 wegen Finanzierungsproblemen und Papiermangels eingestellt. Das streng rationierte Papier teilt die sozialistische Staatsführung regierungsfreundlichen Zeitungen zu.

Von El Nacional gibt es nur noch eine Onlineausgabe, die von etwa hundert Mitarbeitern produziert wird. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Espacio Publico machten in Venezuela seit Maduros Amtsantritt 2013 mehr als 100 Medien dicht.