Luftangriff in Gaza
Reuters/Mohammed Salem
Angriff auf Medienhaus in Gaza

Biden sprach mit Abbas und Netanjahu

Nach der Zerstörung eines von internationalen Medien genutzten Hochhauses in Gaza durch die israelische Luftwaffe haben die USA Israel zum Schutz von Journalisten im Nahost-Konflikt aufgerufen. Zudem telefonierte US-Präsident Joe Biden mit dem israelischen Premier Benjamin Netanjahu und – das erste Mal seit seinem Amtsantritt – auch mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas.

Es habe sich um ein „wichtiges“ Telefonat gehandelt, ließ Abbas wissen. Abbas’ Fatah-Bewegung kontrolliert das Westjordanland und ist Erzrivalin der radikalislamischen Hamas, die sich seit Montag die heftigsten Gefechte seit Jahren mit Israel liefert. Laut der palästinensischen Agentur Wafa versprach Biden Abbas, dass die USA „Anstrengungen mit den betroffenen Parteien unternehmen, um das Ziel zu erreichen“, die Gewalt in der Region zu reduzieren.

Biden soll auch gesagt haben, dass die USA die Vertreibung von Palästinensern aus Ostjerusalem Scheich Dscharrah ablehnen. In einer vom US-Präsidialamt veröffentlichten Mitteilung zu dem Telefonat fand sich dieser Punkt allerdings nicht. Darin wurde auf die Entscheidung Bidens hingewiesen, die von seinem Vorgänger Donald Trump gekürzten US-Hilfen für die Palästinenser-Gebiete wiederaufzunehmen. Zudem müsse die Hamas ihren Raketenbeschuss einstellen.

Netanjahu dankte für „bedingungslose Unterstützung“

Netanjahu teilte nach dem Gespräch mit Biden mit, dass er den US-Präsidenten über Entwicklungen und Maßnahmen informiert habe. Zudem habe er Biden für die „bedingungslose Unterstützung“ der USA gedankt, wenn es um Israels Recht auf Selbstverteidigung gehe. Das bestätigte das Weiße Haus.

Die USA schickten bereits ihren Nahost-Gesandten Hady Amr nach Israel. Er werde Gespräche mit israelischen Regierungsvertretern und palästinensischen Verantwortungsträgern führen und für „nachhaltige Ruhe“ werben, sagte die Vizesprecherin des US-Außenministerium, Jalina Porter. Amr soll bereits am Sonntag mit den ersten Gesprächen beginnen.

Zerstörung nach Luftangriff in Gaza
Reuters/Mohammed Salem
Das von internationalen Medien genutzte Hochhaus in Gaza wurde am Samstag von der israelischen Luftwaffe zerstört

„Es gibt Grenzen“

Zuvor hatte es aus dem Weißen Haus geheißen, dass den Israelis direkt gesagt worden sei, „dass die Gewährleistung der Sicherheit und des Schutzes von Journalisten und unabhängigen Medien eine vorrangige Pflicht ist“. Kritisch äußerte sich auch die Vereinigung der Europajournalisten (AEJ): „Es gibt Grenzen.“ Es habe selten einen größeren Bedarf an ernsthaftem Journalismus und Sicherheit für Reporter vor Angriffen gegeben.

In dem zerstörten Hochhaus in Gaza waren der katarische TV-Sender al-Jazeera und die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) mit Büros vertreten. Die Berichterstattung aus Gaza wurde nun stark erschwert. Es habe eine Warnung gegeben, so die betroffenen Medien. Die Beschäftigten der Medien und die Bewohner und Bewohnerinnen des Hauses hatten nach Angaben von al-Jazeera eine Stunde Zeit, das Gebäude zu verlassen.

Israel: „Militärische Ressourcen“ der Hamas

Für AP-Präsident Gary Pruitt ist das eine „unglaublich beunruhigende Entwicklung“: „Wir sind schockiert und entsetzt, dass das israelische Militär das Gebäude, in dem das AP-Büro und andere Nachrichtenorganisationen in Gaza untergebracht sind, angreift und zerstört. Sie kennen seit Langem den Standort unseres Büros und wussten, dass sich dort Journalisten aufhalten.“

Cupal (ORF) zum neu aufgeflammten Nahostkonflikt

Tim Cupal kommentiert die Gewalt zwischen Israel und Palästinensern, die auch am Samstag unvermindert weitergegangen ist, und gibt Einschätzungen zum Angriff auf das Medienhaus in Gaza.

Die israelische Armee teilte auf Twitter mit, dass dieses Hochhaus angegriffen worden sei, da hier der Militärgeheimdienst der islamistischen Hamas über „militärische Ressourcen“ verfügt habe. Die Hamas verstecke sich hinter den Büros ziviler Medien und missbrauche diese als menschliche Schutzschilde.

Hamas-Angriffe auf Tel Aviv

Ein Sprecher des militärischen Hamas-Arms sagte nach der Zerstörung des Gebäudes, Tel Aviv solle sich auf eine „Antwort vorbereiten, die die Erde erschüttern lässt“. Militante Palästinenser hatten die Küstenmetropole zuvor am Samstag bereits dreimal mit Raketen angegriffen. Dabei wurde in dem Tel Aviver Vorort Ramat Gan ein Mensch getötet, es gab beträchtlichen Sachschaden. Es waren die bisher intensivsten Angriffe auf den Großraum Tel Aviv.

Insgesamt schlugen nach Angaben der israelischen Polizei zwei Raketen in Ramat Gan ein – eine davon in der Nähe der österreichischen Botschaft. „Glücklicherweise sind wir alle in Sicherheit“, teilte Botschafterin Hannah Liko auf Twitter mit. Nach Angaben des Außenministeriums ist die Einschlagstelle 1,4 Kilometer von der österreichischen Botschaft entfernt.

Nahost-Konflikt in Israel geht weiter

Die Gewalt zwischen Israel und Palästinensern ist auch am Samstag unvermindert weitergegangen. Bei Angriffen der israelischen Luftwaffe wurde ein Gebäude internationaler Medien zerstört. Die Hamas feuerte indes weiter Raketen aus dem Gazastreifen. Bei Angriffen auf Tel Aviv schlug auch eine Rakete nahe der österreichischen Botschaft ein.

In Tel Aviv wurde in der Nacht auf Sonntag erneut Raketenalarm ausgelöst. Ein „schwerer Hagel von Raketen“ sei vom Gazastreifen aus auf die Mitte und den Süden Israels abgeschossen worden, twitterte die Armee in der Früh. Männer, Frauen, Kinder und ältere Menschen befänden sich in Bunkern. Zuvor hatte ein Sprecher des militärischen Hamas-Arms gedroht, von Mitternacht an erneut Raketen auf Tel Aviv zu feuern.

Über 2.300 Raketen aus dem Gazastreifen

Auch die Städte Beershewa, Ashkelon und Ashdod wurden erneut angegriffen. Seit Montag wurden mehr als 2.300 Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel abgefeuert. Laut Behördenangaben starben mindestens zehn Menschen, darunter ein sechsjähriger Bub und ein Soldat. Mehr als 560 Menschen in Israel erlitten Verletzungen.

Die israelische Armee griff als Reaktion auf den Raketenbeschuss seit Wochenbeginn rund 800 Ziele im Gazastreifen an, darunter ein unter Wohngebieten errichtetes Tunnelsystem der Hamas. Nach Angaben der Hamas wurden im Gazastreifen 139 Menschen getötet, darunter 39 Kinder, 950 weitere Menschen seien verletzt worden.

Israel droht Hamas-Führung mit gezielter Tötung

Israels Militär drohte indes der Führungsriege der Hamas mit gezielter Tötung. Das sagte Armeesprecher Hidai Zilberman am Samstagabend. „Jeder Terrorist in Gaza weiß heute, dass er sich nirgends verstecken kann, nicht über der Erde und – nach dem Angriff auf die Metro – auch nicht unter der Erde“, sagte Zilberman. Ein Sprecher des militärischen Arms der Hamas drohte mit Gegenangriffen.

Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern hatte sich während des muslimischen Fastenmonats Ramadan und nach der Absage der palästinensischen Parlamentswahl zugespitzt. Die Unruhen breiteten sich inzwischen auch auf das Westjordanland aus. Hinzu kamen Auseinandersetzungen von Palästinensern und israelischen Siedlern im Jerusalemer Viertel Scheich Dscharrah wegen Zwangsräumungen sowie heftige Zusammenstöße auf dem Tempelberg (al-Haram al-Scharif).

Die Anlage mit Felsendom und Al-Aksa-Moschee ist die drittheiligste Stätte im Islam. Sie ist aber auch Juden heilig, weil dort früher zwei jüdische Tempel standen. Die islamistische Hamas hat sich zur Verteidigerin Jerusalems erklärt. Sie wird von Israel und der EU als Terrororganisation eingestuft.

Borrell ruft zu Achtung des Völkerrechts auf

EU-Chefdiplomat Josep Borrell rief am Samstagabend dazu auf, das Völkerrecht zu respektieren. Es müsse vollen humanitären Zugang zum Gazastreifen geben. Zugleich verurteilte er die Hamas und andere Gruppen, die mit Raketen zivile Ziele in Israel angriffen. Israel habe das Recht, seine Bevölkerung vor diesen Angriffen zu schützen, müsse aber angemessen handeln und zivile Opfer vermeiden.