Martin Kocher in der ORF Pressestunde
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Kocher optimistisch

„Österreich kommt gut durch die Krise“

Auch wenn es in seiner bisherigen Amtszeit auch Tage gebe, „die nicht so gut sind“, hat es ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher noch nicht bereut, dass er Anfang des Jahres in die Politik gewechselt ist. Außer Frage stellte Kocher am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“ die enormen Herausforderungen, welche die laufende Coronavirus-Krise allein für sein Ressort – Stichwort Rekordarbeitslosigkeit – weiter mit sich bringt. Er zeigt sich dennoch optimistisch, dass Österreich gut durch die Krise kommt – aber auch dass die Koalition ungeachtet der jüngsten Turbulenzen hält.

Angesprochen auf die Ermittlungen gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), sagte Kocher, er halte es für „viel zu früh“, um über Konsequenzen zu spekulieren. „Wir warten jetzt einmal ab, was passiert“, so Kocher, der in diesem Zusammenhang die Unabhängigkeit der Justiz außer Frage stellt. Diese „ermittelt unabhängig, und das ist gut so, und da gibt es auch keine Diskussion aus meiner Sicht.“

Was die Vorwürfe gegen Kurz betrifft, könne er sich aber „beim besten Willen nicht vorstellen, dass er bewusst die Unwahrheit gesagt hat im U-Ausschuss“. In den Chats rund um die Bestellung von Thomas Schmid zum ÖBAG-Chef sieht Kocher „persönlich nichts Verwerfliches“, zum Teil seien diese „nicht ganz elegant“, vieles sei „locker formuliert“, sie seien sicherlich keine „literarischen Werke“.

U-Ausschüsse erachte er als „ganz, ganz wichtiges demokratisches Instrument“, es sei aber wichtig, dass es „sachorientierte Aufklärung“ gebe. Er könne jedoch nicht viel dazu sagen, weil er noch nie bei einem U-Ausschuss gewesen sei.

Ermittlungen gegen ÖVP-Politiker

Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) hält es für „viel zu früh“, über Konsequenzen der Ermittlungen gegen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zu spekulieren. „Wir warten jetzt einmal ab, was passiert“, sagte er am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“.

Ruf nach Rückkehr zur Sachpolitik

Etwas zurückhaltender als andere aus der ÖVP-Regierungsriege formulierte Kocher die Kritik an der Opposition: Er glaube „tatsächlich“, dass es derzeit eine starke Polarisierung gebe zwischen Regierung und Opposition, „das ist nicht sehr angenehm“, man sollte zur Sachpolitik zurückkehren. Diese Polarisierung entstehe auch „mit Anzeigen“, konstatierte Kocher „schon ein gewisses System dahinter“ – merkte aber auch an, dass wohl infolge der Coronavirus-Krise derzeit weltweit eine starke Polarisierung festzustellen sei.

Gedanken darüber, ob er nach einer allfälligen – von ihm aber nicht erwarteten – Neuwahl Minister bleiben würde, hat sich Kocher, wie er sagte, noch nicht gemacht, „auch weil nicht klar ist, in welcher Konstellation das dann wäre“. Sein Planungshorizont sei die Legislaturperiode, also bis 2024 – und er gehe davon aus, dass sie bis zum Ende dauert.

Reform von Kurzarbeit auf der Zielgeraden

Die Koalition arbeite „aus meiner Sicht sehr gut zusammen“, so Kocher, der in diesem Zusammenhang zwar „Ablenkungen“, aber keinen Stillstand in der Politik sieht. Er selbst konzentriere sich auf seinen Zuständigkeitsbereich, und in der Arbeitsmarktpolitik gelte es nun, gleich eine Reihe zentraler Weichen zu stellen.

Reform der Kurzarbeit

Wie die Kurzarbeit in Zukunft ausgestaltet werden soll, legte Arbeitsminister Martin Kocher in der „Pressestunde“ dar.

„Teil einer intensiven Diskussion mit Sozialparntnern“ sei derzeit etwa das Thema Kurzarbeit – die Reform soll bis Ende Mai stehen. Details ließ Kocher offen – es gelte aber, die Kurzarbeit nun so zu gestalten, dass jene, die sie brauchen, sie weiter bekommen. Gleichzeitig dürfe die Kurzarbeit nicht auf Dauer in der derzeitigen großzügigen Form bestehen, weil das die Dynamik am Arbeitsmarkt bremse.

„Situation angepasst ausphasen“

Generell sei die Rücknahme der Coronavirus-Hilfen nach den Öffnungen politisch nicht ganz einfach. Unbestritten sei aber: „Wir müssen der Situation angepasst ausphasen“, sagte Kocher mit Blick auf drohende Mitnahmeeffekte. Natürlich werde man nach der Krise die Hilfen wieder zurückfahren – man brauche dann aber auch eine Zeit des Wirtschaftsaufschwungs. In diesem Zusammenhang geht der frühere IHS-Chef aufgrund des in der CoV-Krise aufgestauten Konsums von einem großen Aufschwung in den nächsten Monaten aus.

Nicht dulden dürfe die Politik, dass es gleichzeitig eine hohe Arbeitslosigkeit und einen Fachkräftemangel gibt. Weil in den kommenden Jahren die geburtenstarken Jahrgänger in Pension gehen, drohe der Fachkräftemangel „endemisch“ zu werden. Kocher setzt hier auf Qualifizierungsmaßnahmen, nimmt aber auch die Unternehmen, die selbst mehr ausbilden müssten, in die Pflicht.

Nicht festlegen wollte sich Kocher, wie die Arbeitslosenhilfe künftig aussehen sollte. „Ich glaube, es macht Sinn, das zu diskutieren, wenn am Arbeitsmarkt wieder Normalität eingekehrt ist“. Viele Maßnahmen hingen vom Gesamtsystem ab, ging Kocher auf den Vorschlag des ÖVP-Wirtschaftsbundes, das Arbeitslosengeld mit der Zeit zu kürzen, nicht ein. Ziel müsse sein, dass Menschen, die ihren Job verlieren, rasch einen neuen finden und annehmen.

Entwicklung der Arbeitslosenzahlen

Österreich blickt auf die höchste Arbeitslosenzahlen der zweiten Republik. Kocher verwies hier auf die von der Regierung gesetzten Schritte.

Joboffensive und „Sprungbrett“

Den Anstieg der Zahl der Langzeitarbeitslosen führt Kocher zu einem Teil auf die Pandemie zurück. Er geht davon aus, dass die Langzeitarbeitslosigkeit mit den Öffnungen in Gastronomie und Tourismus wieder zurückgeht. Im Blick habe er vor allem jene Arbeitslosen, die schon vor der Krise keinen Job hatten.

Die Langzeitarbeitslosigkeit sei seit der Finanzkrise erhöht. Sie zu bekämpfen sei schwierig. Am besten sei es, sie von vornherein zu vermeiden. Auch sein Ziel, die Krise auf dem Arbeitsmarkt bis 2023 zu überwinden, sei „sehr ambitioniert“, räumte Kocher ein. Die Coronavirus-Joboffensive und das Programm „Sprungbrett“ würden dabei helfen.

Kosten für die Coronavirus-Krise

Der Fiskalrat schätzte den Rahmen der von der Coronavirus-Pandemie für Österreich entstandenen Kosten auf bis zu 80 Milliarden. Kocher hält das nicht für zu hoch gegriffen – sieht Österreich aber gerüstet.

Keine Debatte über neue Steuern

Angesprochen auf das Thema Vermögenssteuer sagte Kocher, dass er jetzt nicht die Zeit sehe, um über neue Steuern zu diskutieren. Es sei auch nicht die Zeit für große Sparpakete – vielmehr müsse man auf ein Herauswachsen aus den coronavirusbedingten Schulden hoffen. Kocher zeigte sich in diesem Zusammenhang betont optimistisch. Im Gegensatz zur Finanzkrise würden die Hilfsgelder diesmal nicht in das Stopfen von Bilanzlöchern, sondern in Einnahmen fließen, „und das wird die Wirtschaft anfeuern“. Österreich stehe zur Bewältigung der CoV-Krise „gut da“, sagte Kocher, weswegen ihn auch die vom Fiskalrat auf bis zu 80 Milliarden Euro geschätzten Kosten der Krise keine schlaflosen Nächte bereiten: „Ich glaube, Österreich kommt gut durch die Krise.“

SPÖ fürchtet „unsoziale Pläne“

Von den Oppositionsparteien fürchtet die SPÖ nach Kochers Auftritt in der „Pressestunde“ weiter eine anstehende Kürzung des Arbeitslosengeldes. „Arbeitsminister Kocher gibt sich zu den unsozialen Plänen des Wirtschaftsbundes, Arbeitssuchenden das Geld zu kürzen, weiter bedeckt“, heißt es dazu in einer Aussendung von SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch.

Für die FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch ist Kocher weiter auf „einem brutalen Sozialabbau-Kurs“. NEOS fordert, die Kurzarbeit dringend anzupassen. "Es liegt auf der Hand, dass die Kurzarbeit, die inmitten der Krise absolut notwendig war, dringend angepasst werden muss, so NEOS-Mandatar Gerald Loacker.