Passanten auf der Westminster Bridge din London
AP/Frank Augstein
Sorge vor B.1.617.2

Britische Regierung verteidigt CoV-Fahrplan

Der britische Gesundheitsminister Matt Hancock hat die Öffnungspläne der Regierung in London trotz lokaler Ausbrüche der zuerst in Indien nachgewiesenen Coronavirus-Variante B.1.617.2 verteidigt. Hancock zufolge wisse man bisher noch nicht, ob diese Variante – so wie von Experten befürchtet – eine deutlich erhöhte Ansteckungsgefahr birgt: „Deswegen ist es angemessen, den Fahrplan weiter zu verfolgen, aber die Menschen müssen wachsam und vorsichtig sein.“

Bis zum 21. Juni, so der Plan, sollten zumindest im größten britischen Landesteil England alle Coronavirus-Maßnahmen aufgehoben werden. Der nächste Öffnungsschritt steht am Montag an. Die Bewohnerinnen und Bewohner Englands dürfen sich dann in geschlossenen Räumen wieder in Gruppen von bis zu sechs Menschen oder zwei Haushalten treffen.

Zudem dürfen Restaurants und Pubs ihre Innenräume wieder öffnen, Museen, Kinos und Sportstätten können wieder ihren Betrieb aufnehmen. Auch in den anderen Landesteilen des Vereinigten Königreichs stehen die nächsten Öffnungsschritte an. Das Gesundheitssystem liegt zwar in der Zuständigkeit der einzelnen Regionalregierungen, diese orientierten sich bisher aber an der Vorgangsweise der britischen Regierung.

„Völlig falsch“

Hancock versicherte am Sonntag, dass die Lockerungen ungeachtet der B.1.617.2 -Ausbreitung umgesetzt würden. Dass aber alle Beschränkungen wie geplant am 21. Juni fallen werden, wollte Hancock nicht versprechen. Das Land befinde sich in einem Rennen zwischen dem Virus und seiner Impfkampagne, sagte der Gesundheitsminister dem Sender Sky News. Die Regierung sei aber zuversichtlich, „dass der Impfstoff siegen wird“. Umso wichtiger sei es allerdings, so viele Menschen wie möglich zu impfen, sagte er dem Sender BBC.

Scharf verwahrte sich Hancock gegen Vorwürfe der Opposition, die Regierung habe zu zögerlich auf die Gefahr durch die Virusvariante B.1.617.2 reagiert und Reisebeschränkungen für Indien zu spät verhängt. Es sei „völlig falsch“, dass Großbritannien schneller hätte handeln können, vielmehr seien für Indien strenge Reisebeschränkungen verhängt worden, noch bevor die Variante genau untersucht worden sei.

Die britische Regierung hatte Pakistan und Bangladesch vor Indien auf die rote Liste gesetzt, für die besonders strikte Quarantänebestimmungen gelten. Dafür hagelte es jetzt Kritik von der Opposition. Hancock wies die Vermutung zurück, dass die Entscheidung durch eine geplante Reise von Premierminister Boris Johnson im April beeinflusst worden sei, bei der es um die Handelsbeziehungen nach dem Brexit gehen sollte. Der Besuch wurde dann wegen der Coronavirus-Situation in Indien gestrichen.

Rund 1.300 registrierte Fälle

Mittlerweile lassen lokale Ausbrüche der Variante B.1.617.2, die auf dem asiatischen Subkontinent zu einer drastischen Welle an Infektionen und Todesfällen führte, auch im Vereinten Königreich zunehmend die Alarmglocken läuten.

Das renommierte Expertengremium SAGE (Scientific Advisory Group for Emergencies), das die Regierung berät, fürchtet, dass die Mutation um bis zu 50 Prozent ansteckender sein könnte als die bisher in Großbritannien vorherrschende Mutation B.1.1.7.

Bisher wurden rund 1.300 Fälle in Großbritannien registriert – doch die Zahl hat sich innerhalb einer Woche beinahe verdreifacht. In besonders stark betroffenen Gebieten wie dem nordwestenglischen Bolton und dem Londoner Bezirk Hackney sollen Massentests helfen, die Ausbreitung einzudämmen.

7-Tage-Inzidenz bei 24

Man lote zudem Möglichkeiten aus, wie Impfungen möglichst effektiv eingesetzt werden könnten, sagte der für die Impfkampagne zuständige Staatssekretär Nadhim Zahawi gegenüber Sky News. So könnten entweder zweite Impfdosen vorgezogen oder in den Regionen auch jüngere Altersgruppen geimpft werden, die eigentlich noch nicht an der Reihe sind.

Das rund 67 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner zählende Großbritannien hat derzeit mit einer landesweiten 7-Tage-Inzidenz von rund 24 Neuinfektionen pro 100.000 Menschen binnen einer Woche vergleichsweise wenige Fälle. Bisher wurden auch in den betroffenen Gebieten keine erhöhten Krankenhauseinweisungen oder Todesfälle registriert. Daher gibt es Hoffnung, dass die Impfungen zumindest gegen schwere Erkrankungen durch den mutierten Erreger schützen.