Ein Bulldozer vor einem zerstörten Gebäude in Gaza City
AP/Adel Hana
Israel vs. Hamas

USA erhöhen Druck für Waffenruhe

Die USA arbeiten laut Präsident Joe Biden vor dem Hintergrund der schweren Kämpfe in Nahost mit Palästinensern und Israelis zusammen, um eine „dauerhafte Ruhe“ zu erreichen. Hamas und Israel setzten unterdessen in der Nacht ihre Angriffe fort.

„Wir glauben, dass Palästinenser und Israelis gleichermaßen ein Leben in Sicherheit und Geborgenheit verdienen“, sagte Biden in einer am Sonntag ausgestrahlten Videobotschaft zum Ende des islamischen Fastenmonats Ramadan.

Israelis und Palästinenser sollten auch „ein gleiches Maß an Freiheit, Wohlstand und Demokratie genießen“, betonte Biden gleichzeitig. Zuvor war es dem UNO-Sicherheitsrat erneut nicht gelungen, sich auf eine gemeinsame Erklärung zum eskalierten Nahost-Konflikt zu einigen. Diplomaten zufolge blockierten die USA wie schon in den beiden vorangegangenen nicht öffentlichen Sitzungen eine gemeinsame Erklärung.

Blinken berät mit Saudi-Arabien

Angesichts der zunehmenden Gewalt mit vielen Toten beriet sich US-Außenminister Antony Blinken am Sonntag mit seinem saudischen Amtskollegen Faisal bin Farhan Al Saud. Nach Angaben des US-Außenministeriums ging es dabei vor allem um die fortlaufenden Bemühungen, die Spannungen in Israel, im Westjordanland und im Gazastreifen abzubauen und die Gewalt zu beenden.

Kämpfe gehen ungebremst weiter

Die Versuche internationaler Vermittler, eine Waffenruhe zu erzielen, blieben bisher erfolglos. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres warnte bei einer Dringlichkeitssitzung des UNO-Sicherheitsrats in New York vor unkontrollierbaren Folgen des Konflikts für den gesamten Nahen Osten. Die israelische Armee erklärte, Kampfjets griffen „Terrorziele“ im Gazastreifen an. Die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas feuerte ihrerseits weiter Raketen auf Israel ab.

Feuerball in Gaza City
APA/AFP/Anas Baba
Israels Luftwaffe flog in der Nacht erneut zahlreiche Angriffe

Netanjahu: „Mit voller Wucht“

„Unsere Kampagne gegen die Terrororganisationen wird mit voller Wucht fortgesetzt“, sagte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Sonntag. Die Armee habe bisher mehr als 1.500 Ziele im Gazastreifen attackiert. Der Einsatz werde „noch einige Zeit dauern“. Israelische Kommentatoren betonten freilich seit dem Wochenende, dass die Zeit für die Militärschläge gegen die Hamas und den Islamischen Dschihad im Gazastreifen ablaufe.

Israel will „Abschreckungseffekt“ erzielen

Israel will mit seinen Luftschlägen die militärischen Fähigkeiten der Terrororganisationen so weit wie möglich schwächen und einen „Abschreckungseffekt“ wiederherstellen, das heißt: Die Hamas soll – aus Sorge vor der überproportionalen Reaktion – neuerlichen Raketenbeschuss und sonstige Angriffe auf Israel möglichst lange nicht als Option in Betracht ziehen. Auch deshalb nahm Israels Militär zuletzt die Hamas-Führungsriege und deren Häuser ins Visier.

Aus israelischer Sicht ist dieser Abschreckungseffekt offenbar noch nicht erreicht. Die Hamas hat ihre Ziele dagegen schon erreicht und signalisierte, für eine Waffenruhe bereit zu sein. Auch für Israels Regierung sind letztlich Druck und Vermittlung der USA wichtig, da es auch für sie einen gesichtswahrenden Ausstieg aus der aktuellen Eskalation ermöglicht.

Brennendes Auto in Aschkelon
APA/AFP/Jack Guez
In Aschkelon schlugen am Sonntag mehrere aus Gaza abgefeuerte Raketen ein. Es wurden eine Synagoge und Autos getroffen.

Verhandlungen und schwere Kämpfe

Während im Hintergrund die Verhandlungen über eine Waffenruhe auf Hochtouren laufen, gehen zugleich die Kämpfe ungebremst weiter. Von palästinensischer Seite hieß es, die jüngsten Luftangriffe seien die bisher schwersten Luftangriffe in dem dicht besiedelten Küstengebiet gewesen. Israels Luftwaffe zerstörte am Wochenende auch ein Hochhaus mit Büros von Medienunternehmen im Gazastreifen.

Berichten zufolge waren die Bewohner zuvor telefonisch gewarnt worden. Die von dem Vorfall betroffene Nachrichtenagentur AP zeigte sich entsetzt, Journalistenverbände protestierten. Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) will in der Sache den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) anrufen. Der absichtliche Angriff auf Medienbüros stelle ein „Kriegsverbrechen“ dar, sagte am Sonntag der Generalsekretär der Organisation, Christophe Deloire.

In dem Hochhaus sei ein Geheimdienstbüro der Hamas untergebracht gewesen, das Angriffe auf israelische Zivilisten organisiert habe, sagte Netanjahu dem US-Sender CBS. Es sei also „ein völlig legitimes Ziel“ gewesen.

Immer mehr Tote

Im Gazastreifen wurden nach Angaben des dortigen Gesundheitsministeriums seit Montagabend fast 200 Menschen getötet. Allein in der Nacht auf Sonntag kamen laut Ministerium bei Angriffen der israelischen Armee auf Häuser in dem Küstengebiet 42 Palästinenser ums Leben. In Israel wurden Rettungskräften zufolge durch den Raketenbeschuss seit Montagabend vergangener Woche zehn Menschen getötet.

Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern hatte sich während des muslimischen Fastenmonats Ramadan und nach der Absage der palästinensischen Parlamentswahl fortlaufend zugespitzt. Als Auslöser gelten Polizeiabsperrungen in der Jerusalemer Altstadt, die viele junge Palästinenser als Demütigung empfanden. Hinzu kamen drohende Zwangsräumungen für palästinensische Familien im Ostjerusalemer Viertel Scheich Dscharrah und heftige Zusammenstöße auf dem Tempelberg in der Altstadt von Jerusalem.

Zusammenstöße in Israel gehen zurück

Auch im Westjordanland gab es schwere Zusammenstöße zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften, mehrere Menschen starben. In mehreren Städten im israelischen Kernland kam es erneut zu Auseinandersetzungen zwischen jüdischen und arabischen Israelis. Allerdings haben diese deutlich abgenommen. Am Wochenende besuchte der arabische-israelische Politiker Mansur Abbas die Stadt Lod und verurteilte gemeinsam mit dem Bürgermeister der Stadt den Brandanschlag auf eine dortige Synagoge.

Geheimdienst im Einsatz

In Jerusalem wurden sechs Polizisten verletzt, als ein Fahrer sie mit einem Auto rammte. Zur Identität des Fahrers machte die Polizei zunächst keine Angaben, er sei „neutralisiert“ worden. Seit Tagen ist der Inlandsgeheimdienst Schin Bet zusätzlich zur oftmals überforderten Polizei im Kampf gegen die Ausschreitungen im Einsatz. Schin Bet wendet Anti-Terror-Maßnahmen an – mit geheimdienstlicher Aufklärung und gezielten Verhaftungen schon im Vorfeld.

Der jüngste Konflikt eskalierte während des Versuchs zur Bildung einer Regierung in Israel. Der bisherige Oppositionsführer Jair Lapid warf Netanjahu vor, den Konflikt zu nutzen, um seinen Verbleib im Amt zu sichern. Der Ministerpräsident widersprach. Ihm war es zuvor nicht gelungen, eine Mehrheit für eine Koalition zu schmieden, sodass der Auftrag zur Regierungsbildung Lapid zufiel.