Richter kritisieren Angriffe aus Politik

Die Präsidentin der Vereinigung der Richterinnen und Richter, Sabine Matejka, übt Kritik an der Reaktion der Politik auf die Ermittlungen gegen einzelne Amtsträger. Die politischen Reaktionen seien sehr oft „grenzüberschreitend“ gewesen, sagte Matejka heute gegenüber dem Ö1-Morgenjournal. „Dass es Angriffe gibt oder Anschuldigungen gegen die Justiz, das ist jetzt nichts Neues, aber man hat schon das Gefühl, dass hier die Intensität zugenommen hat.“

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte nach Bekanntwerden der Ermittlungen gegen ihn wegen mutmaßlicher Falschaussage im „Ibiza“-U-Ausschuss von einer Systematik „Kurz muss weg“ gesprochen. Die ÖVP-Spitze hatte nach einer Hausdurchsuchung bei Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) von „Verfehlungen“ der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gesprochen.

„Staatsanwaltschaft ermittelt objektiv“

Die Ermittlungen gegen Kurz fußen auf einer Anzeige der Oppositionspartei NEOS. Kurz sieht das eingeleitete Verfahren als politisch motiviert an.

„Ob die Anzeige, die Auslöser dieser Ermittlungen ist, politisch motiviert war, das möchte ich nicht beurteilen, aber die Staatsanwaltschaft ermittelt jetzt aufgrund eines Anfangsverdachts. Und das ist völlig unabhängig davon, wer diese Anzeige ursprünglich eingebracht hat. Die Staatsanwaltschaft selbst ermittelt objektiv und nicht politisch motiviert“, sagte Matejka.

Aufruf zu Sachlichkeit

Auch Spitzenpolitiker sollten, selbst wenn gegen sie ermittelt wird, sachlich bleiben, so Matejka gegenüber Ö1. „Die eine oder andere Wortwahl war nicht unbedingt sachlich. Es wird immer wieder in den Raum gestellt, dass hier politische Motive im Hintergrund sind und man hier die Objektivität des Verfahrens infrage stellt. Nicht nur jetzt, sondern in den letzten Monaten ist das ja öfters vorgekommen. Das ist etwas, was bedenklich ist.“

Solche Anschuldigungen würden immer Spuren hinterlassen, „selbst wenn sie sich im Nachhinein als falsch herausstellen oder es zu einer halbherzigen Entschuldigung kommt. Sie stehen einmal im Raum, sie werden weiterverbreitet, und das greift nach und nach schon auch den Rechtsstaat an. Steter Tropfen höhlt sozusagen den Stein.“

Sorge um Vertrauen in Rechtsstaat

Dadurch könne das Vertrauen in die Justiz geschädigt werden, so Matejka: „Wir haben einen starken Rechtsstaat, aber er ist nicht unzerstörbar. Wir sehen das auch in anderen Ländern in Europa, dass man hier auch den Rechtsstaat aushebeln kann. Ich glaube, es wären alle – auch politische Akteure – gut beraten, darüber nachzudenken und sich klar dazu zu bekennen, dass der Rechtsstaat wichtiger ist als Individualinteressen.“