Zerstörung nach Luftangriffen in Gaza
APA/AFP/Mahmud Hams
Kämpfe Israel – Hamas

Bereits mehr als 220 Menschen tot

Der Konflikt zwischen Israel und militanten Palästinensern geht in die zweite Woche – und von einem international geforderten Waffenstillstand ist weiterhin keine Spur. Israel fliegt Angriffe auf Ziele im Gazastreifen, aus dem von der Hamas beherrschten Gazastreifen werden Raketen auf israelische Städte gefeuert. Mittlerweile stieg die Zahl der Todesopfer auf über 220.

Nach Angaben des israelischen Militärs feuerten militante Palästinenser bisher mehr als 3.350 Raketen auf Israel ab und töteten damit zwölf Menschen – zuletzt zwei Thailänder, die im Grenzgebiet arbeiteten. Mehr als 300 seien verletzt worden. Zum Vergleich: Während des 51-tägigen Gaza-Krieges im Jahr 2014 wurden insgesamt 4.481 Raketen auf Israel abgefeuert. Die weitaus meisten Raketen werden vom Abwehrsystem „Eisenkuppel“ („Iron Dome“) abgefangen, mit dem Israel sein Staatsgebiet schützt.

Umgekehrt griff das israelische Militär nach eigenen Angaben bisher mehr als 1.200 Ziele im Gazastreifen an. Das Gesundheitsministerium in Gaza bezifferte die Zahl der Getöteten seit Beginn der Eskalation vor knapp zwei Wochen auf 212, darunter 61 Kinder. Verletzt worden seien 1.400 Menschen. Die Angriffe haben aber auch 132 Gebäude in Gaza zerstört und damit laut „New York Times“ 2.500 Menschen obdachlos gemacht. Das US-Medium beruft sich auf Angaben der dortigen Behörden.

Raketenbeschuss und heulende Sirenen auch am Dienstag

Am Dienstag gingen die heftigen israelischen Luftangriffe auf den Gazastreifen weiter. „Nach sechs Stunden Ruhe heulen im Süden Israels wieder die Warnsirenen“, teilte die israelische Armee am Vormittag mit. Die Hamas beschoss nach eigenen Angaben die Ortschaft Ofakim. Israels Armee teilte indes mit, im Süden des Gazastreifens sei ein Hamas-Trupp, der Panzerabwehrraketen abfeuern wollte, angegriffen und getroffen worden. Israels Luftwaffe griff darüber hinaus am Dienstag nach Armeeangaben Häuser von drei Hamas-Kommandeuren im Gazastreifen an.

Bereits in der Früh hatte die israelische Luftwaffe den Gazastreifen attackiert. In zwei Gebäuden in Gaza-Stadt schlugen Raketen ein, und dichter Rauch stieg auf. Auch militante Palästinenser feuerten wieder Raketen aus dem Küstengebiet ab, die in Städten im Süden Israels Luftalarm auslösten. Tausende Menschen suchten dort in Luftschutzkellern Zuflucht. Berichte über Opfer lagen nicht vor. Indes wurde ein bewaffneter Palästinenser nach Angaben des israelischen Militärs bei einem versuchten Anschlag im Westjordanland getötet.

Im Bereich von Kerem Schalom, dem einzigen Warenübergang in das Küstengebiet, gab es zu Mittag Raketenalarm. In der Nähe des Erez-Übergangs wurde nach Angaben der Nachrichtenseite Ynet ein Mensch bei Mörsergranatenbeschuss verletzt. Eine israelische Armeesprecherin sagte, man prüfe den Bericht. Nach Angaben von Sanitätern wurde ein 19-Jähriger in ein Krankenhaus gebracht. Über Kerem Schalom wurden nach Medienberichten am Dienstag Treibstoff und humanitäre Hilfsgüter in das blockierte Palästinensergebiet gebracht.

Netanjahu: „Schläge gegen Terroristen gehen weiter“

Israels Premier Benjamin Netanjahu kündigte bereits am Montag nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts an, die Angriffe auf den Gazastreifen würden fortgesetzt. „Die Weisung lautet: Die Schläge gegen Terrorziele gehen weiter“, sagte er. Es gehe darum, dass „Ruhe und Sicherheit für alle israelischen Bürger wiederhergestellt werden“.

Demonstranten in Beirut
AP/Hassan Ammar
Im Libanon solidarisierten sich Menschen mit den Palästinensern

Das israelische Militär meldete auch, dass aus dem Libanon sechs Raketen in Richtung Israel abgefeuert wurden. Als Reaktion habe das Militär mit Artillerie auf die Angreifer gefeuert, teilte die Armee am späten Montagabend mit. In der libanesischen Hauptstadt Beirut hatten sich zuvor Anhänger und Anhängerinnen der Hisbollah und andere Demonstrierende mit den Palästinensern solidarisiert. Sie schwenkten Fahnen der Palästinenser und der Hisbollah und riefen unter anderem „Tel Aviv, wir kommen“.

Aus Protest gegen Israels Vorgehen im Gazastreifen legten zahlreiche arabische Israelis und Palästinenser im Westjordanland am Dienstag die Arbeit nieder. Die arabische Gemeinde in Israel nannte nach Medienberichten auch die Konfrontationen muslimischer Gläubiger mit israelischen Sicherheitskräften auf dem Tempelberg in Jerusalem sowie die drohenden Zwangsräumungen palästinensischer Familien in Scheich Dscharrah in Ostjerusalem als Gründe für den Protest.

Geschlossene Geschäfte in Hebron
APA/AFP/Hazem Bader
Im Westjordanland legten viele Menschen ihre Arbeit nieder – aus Protest gegen Israels Vorgehen

Biden unter Druck: Telefonat mit Netanjahu

US-Präsident Joe Biden erklärte unterdessen seine Unterstützung für eine Waffenruhe im Nahen Osten. Das habe Biden in einem Telefonat mit dem israelischen Ministerpräsidenten zum Ausdruck gebracht, teilte das Weiße Haus mit. Der US-Präsident habe mit Netanjahu auch über Bemühungen der Vereinigten Staaten gemeinsam mit Ägypten und anderen Partnern für eine solche Waffenruhe gesprochen.

Biden sieht sich zunehmendem Druck ausgesetzt, stärker für ein Ende der Gewalt einzutreten. In der diplomatisch formulierten Mitteilung des Weißen Hauses blieb er allerdings hinter Forderungen nach einer sofortigen Waffenruhe auch aus seiner eigenen Demokratischen Partei zurück. Die USA sind Israels wichtigster Verbündeter. Das Weiße Haus teilte weiter mit, Biden habe in dem Telefonat mit Netanjahu erneut seine Unterstützung für Israels Recht auf Selbstverteidigung bekräftigt. Zugleich habe er Israel ermutigt, „alle Anstrengungen zu unternehmen, um den Schutz unschuldiger Zivilisten zu gewährleisten“.

US-Präsident Joe Biden
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Biden telefonierte erneut mit Netanjahu, um seine Unterstützung für eine Waffenruhe zu bekräftigen

Angesichts des Blutvergießens auf beiden Seiten wehrte sich die Biden-Regierung am Montag gegen Kritik, sie trete nicht vehement genug für ein Ende der Gewalt ein. Die USA setzten in dem Konflikt auf „stille, intensive Diplomatie“, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki. Zuletzt hatten 29 demokratische Senatoren in einer gemeinsamen Stellungnahme „ein Waffenstillstandsabkommen“ verlangt. Die Republikaner im Senat kritisierten das als Versuch, „Terroristen, die Israel angreifen“, gleichzusetzen mit einer „Nation, die sich selber verteidigt“. Die USA müssten an der Seite Israels stehen.

EU-Außenminister beraten

Auch in der EU steht der Konflikt an oberster Stelle der Tagesordnung. Am Dienstagnachmittag ist daher eine Videokonferenz der Außenministerinnen und -minister geplant, um über die Eskalation im Nahost-Konflikt zu beraten. Kern der Gespräche soll die Frage sein, wie die EU zu einer Deeskalation und zu einem Ende der Gewalt beitragen könnte. Zudem wird erwartet, dass es einen Bericht über die aktuelle Lage und die bisherigen Vermittlungsbemühungen gibt.

Deutschland stellte sich unterdessen hinter Israel – drängt aber ebenso auf ein Ende der Kämpfe. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan warf Israel indes vor, ein „Massaker“ an den Palästinensern im Gazastreifen zu verüben. Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron unterstützt die Vermittlung Ägyptens in dem eskalierenden Konflikt zwischen Israel und militanten Palästinensern im Gazastreifen. Beide Länder wollten sich abstimmen, um eine rasche Waffenruhe zu fördern und eine Ausbreitung des Konflikts zu verhindern. Das berichteten Kreise des französischen Präsidialamtes am Montag nach einem Treffen von Macron mit seinem ägyptischen Kollegen Abdel Fattah al-Sisi.

Medizinisches Labor in Gazastreifen zerstört

Nach palästinensischen Angaben trafen israelische Raketen am Montag auch ein medizinisches Labor im Viertel Rimal in Gaza-Stadt, das als zentrale Stelle für Coronavirus-Tests und -Impfungen diente. Die israelische Armee tötete am Montag nach eigenen Angaben gezielt einen ranghohen Militärkommandanten des Islamischen Dschihad im Gazastreifen. Hasem Abu Harbid, der Leiter des nördlichen Kommandos der militanten Organisation, soll für mehrere Anschläge auf israelische Zivilisten und Soldaten sowie für Raketenangriffe auf Israel verantwortlich gewesen sein.

Keine Waffenruhe im Nahost-Konflikt

Trotz der Bemühungen von US-Präsident Joe Biden, Israel zu einer Waffenruhe zu bewegen, wurde diese bisher nicht ausgesprochen. Die Angriffe werden auch in der zweiten Woche fortgesetzt.

Weitere Angriffe richteten sich nach Angaben der Armee gegen fünf Häuser von hochrangigen Kommandanten der islamistischen Hamas, die den Gazastreifen kontrolliert. Die Wohnanlagen hätten Kommando- und Kommunikationszentralen sowie Waffenlager beherbergt. Ein weiterer Luftangriff zerstörte laut den Angaben die wichtigste Operationszentrale der internen Sicherheitsabteilung der Hamas.

Der jüngste Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern hatte sich an Spannungen in Jerusalem entzündet. Dazu trugen drohende Zwangsräumungen für palästinensische Familien im von Israel annektierten Ostteil Jerusalems ebenso bei wie das harte Einschreiten der israelischen Polizei bei Zusammenstößen auf dem Tempelberg (Al-Haram al-Scharif) in der Altstadt von Jerusalem. Die religiösen Stätten in der Altstadt sind sowohl Juden als auch Muslimen heilig.