Flüchtlinge in Ceuta
AP/Javier Fergo
In EU geflüchtet

6.000 schwammen bereits nach Ceuta

Die Situation in der spanischen Exklave Ceuta in Nordafrika spitzt sich zu: Bis Dienstagvormittag sind etwa 6.000 Menschen über das Meer von Marokko in das spanische Gebiet geschwommen, so viele wie noch nie binnen eines Tages. Mittlerweile wurde fast die Hälfte der Geflüchteten in das Nachbarland zurückgebracht, doch immer noch versuchen einige, die Grenze zu überqueren. Unter den Geflüchteten sind auch zahlreiche Minderjährige.

Von den 6.000 Menschen seien bereits 2.700 in das Nachbarland zurückgebracht worden, sagte Spaniens Innenminister Fernando Grande-Marlaska am Dienstag. Bei etwa 1.500 der seit Montag angekommenen Menschen handelt es sich offiziellen Angaben zufolge um Minderjährige. Die Zahl der Polizisten an der Grenze werde von gegenwärtig 1.200 um 200 erhöht, sagte er.

Zudem würden bei den Patrouillen nun auch Soldaten eingesetzt. Auf Fernsehbildern waren gepanzerte Fahrzeuge am Strand zu sehen, während weitere Geflüchtete aus dem Wasser stiegen. Ein Regierungssprecher sagte, die Sicherheitskräfte würden auch in der Exklave für Ordnung sorgen.

Flüchtlinge in Ceuta
AP/Javier Fergo
Tausende Menschen erreichten die spanische Exklave über die Küste

Minderjährige in völlig überfülltem Lager

Noch nie zuvor kamen so viele Menschen binnen eines Tages in die kleine Exklave mit rund 85.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Marokko hatte die Kontrolle der angrenzenden Strände ohne Erklärung ausgesetzt. Tausende gingen in der Folge an der Küste bis an den Grenzzaun zu Ceuta. Von dort mussten sie nur um eine Mole herumschwimmen, um nach Ceuta zu gelangen.

Die Behörden der Exklave wurden völlig überwältigt und konnten nicht mehr tun, als Menschen vor dem Ertrinken zu retten. Ein Mensch ertrank. Die Erwachsenen, die zuerst in der Stadt unterwegs waren, wurden in ein Stadion gebracht. Die Minderjährigen wurden in einem inzwischen völlig überfüllten Auffanglager untergebracht.

Menschen flüchten auch in spanische Exklave Melilla

Unterdessen erreichten über 80 Menschen zudem die spanische Exklave Melilla. Nach Angaben der örtlichen Behörden versuchten mehr als 300 Menschen aus afrikanischen Ländern südlich der Sahara, von Marokko aus den Grenzzaun zu überwinden. Den Behörden sei es gelungen, rund 200 Menschen zurückzuhalten. 85 Männer und eine Frau konnten die Absperrung überwinden.

Die spanische Zeitung „El Pais“ beschrieb die Lage vor Ceuta tags zuvor als eine „Autobahn auf dem Meer“. Die meisten der Ankommenden seien Männer, aber es seien auch Frauen und Familien mit Babys darunter gewesen. Einige hatten Schwimmreifen und kleine Schlauchboote dabei. Nach unbestätigten Medienberichten hatten sich auch in der marokkanischen Hafenstadt Tanger Menschen aus Ländern südlich der Sahara auf den Weg in Richtung Ceuta gemacht.

Flüchtlinge in Ceuta
APA/AFP/Antonio Sempere
Die Sicherheit an der Grenze wurde von spanischer Seite verstärkt

„Beispielloses Ereignis“

Für Spanien ist die Ankunft Tausender Menschen in Ceuta laut „El Pais“ ein „beispielloses Ereignis“. Im November des Vorjahres reisten rund 1.500 Menschen an einem einzigen Wochenende über die Kanarischen Inseln ein, das sei der bisherige Rekord gewesen, schreibt die Zeitung.

Spaniens Regierungschef Pedro Sanchez hat auf Twitter seine Unterstützung für Ceuta kundgetan: „Meine Priorität ist es im Moment, die Normalität in Ceuta wiederherzustellen“, zitierte „El Pais“ Sanchez. Bürgerinnen und Bürger könnten auf die Unterstützung der spanischen Regierung zählen, so Sanchez.

Streit über Westsahara als Auslöser?

Nach Einschätzung spanischer Medien ließ Marokko die Menschen nach Ceuta passieren, weil es darüber verärgert ist, dass Spanien die medizinische Behandlung des Chefs der Unabhängigkeitsbewegung Polisario für Westsahara, Brahim Ghali, in einem Krankenhaus in Logrono erlaubte. Marokko beansprucht das Gebiet an seiner Südgrenze als Teil seines Staatsgebietes. Eine Erklärung aus Rabat gibt es bisher nicht.

Von spanischer Seite hieß es, dass es keinen Zusammenhang mit der Behandlung Ghalis in Spanien gebe. Außenministerin Arancha Gonzalez Laya sagte laut der Nachrichtenagentur AFP am Montag, dass marokkanische Regierungsvertreter versichert hätten, dass die Ereignisse nichts mit der Situation in Westsahara zu tun hätten.

Westsahara an der nordafrikanischen Atlantikküste war bis 1975 eine spanische Kolonie. Marokko kontrolliert große Teile des dünn besiedelten Gebiets an seiner Südgrenze. Die Polisario strebt nach Unabhängigkeit für die Westsahara. Marokko will der Region nur Autonomie zugestehen.

EU fordert Marokko auf, weitere Geflüchtete zu stoppen

Die EU-Kommission forderte Marokko unterdessen auf, weitere Menschen an der Flucht nach Ceuta zu hindern. Die Situation sei besorgniserregend, sagte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson am Dienstag. „Das Wichtigste ist jetzt, dass Marokko sich weiter dafür einsetzt, dass irreguläre Ausreisen verhindert werden.“ Zudem müssten Menschen, „die kein Bleiberecht haben, geordnet und effektiv zurückgeführt werden“. „Spanische Grenzen sind europäische Grenzen“, sagte Johansson im Europaparlament. Sie sprach von „beispiellosen irregulären Ankünften“ von Flüchtlingen in dem Gebiet.