Einzelner Baum auf einer Wiese
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Grüne Investments

Was kostet die Welt?

Um im Kampf gegen die Klimakrise umweltfreundliche Investitionen voranzutreiben, arbeiten Forscher und Forscherinnen an der Preisetikettierung der Natur – von der Biene bis zum Baum. Der Gedanke dahinter: Wird kein Preis festgelegt, ist der Wert automatisch null. Dass bei der Natur aber das Gegenteil der Fall ist, erkannte auch die Finanzwelt und weiß es nun für sich zu nutzen – nicht ohne Gegenwind.

„Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann“, lautet ein bekannter Spruch aus der Umweltbewegung. Investoren und Investorinnen scheinen das nun ins Gegenteil verkehren zu wollen, indem sie ihre Aufmerksamkeit auf den „finanziellen Wert der Natur“ richten und darauf, wie sie diesen in ihre Anlagestrategien integrieren könnten, schreibt die „Financial Times“ („FT“).

Verwiesen wird hierbei etwa auf die kürzlich gegründete Natural Capital Investment Alliance. Diese Allianz verschiedener Investmentunternehmen hat es sich zum Ziel gesetzt, bis 2022 zehn Milliarden Dollar (rund acht Mrd. Euro) zu mobilisieren, um so die Entwicklung von Naturkapital als Anlagethema zu beschleunigen.

Rodungen für eine Fabrik von Tesla au der Grünheide bei Berlin
Reuters/Hannibal Hanschke
„Naturkapital-Initiativen“ propagieren Geldgewinn und Weltrettung zugleich – doch die finanzielle Bewertung der Natur ist nicht ohne Probleme

„Wachsendes Interesse“, in die Natur zu investieren

Seitens der Allianz heißt es in einer Presseaussendung: „Während sich die Welt mit der Bewältigung der Klima- und Biodiversitätskrise auseinandersetzt, wächst das Interesse, in die Nutzung und den Erhalt des Naturkapitals zu investieren und auf diese Weise zur Emissionsreduktion, Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und Förderung von nachhaltigem Wirtschaftswachstum sowie zur Schaffung von Arbeitsplätzen beizutragen.“

„Naturkapital-Initiativen“, wie sie die „FT“ nennt, würden von einfachen Lösungen wie Investments in plastikvermeidende Firmen bis hin zu komplexeren Projekten wie dem Kauf und der zukünftigen landwirtschaftlichen Bewirtschaftung von unfruchtbarem Land reichen.

Noch sei der Markt zwar überschaubar, doch in den kommenden Jahren werde eine steigende Nachfrage und Wachstum erwartet, so die „FT“. Nicht zuletzt wohl vor dem Hintergrund, dass auch die Klimakrise zunehmend ein Finanzrisiko darstellt, wie bereits aus unzähligen Studien hervorgeht.

Keine „Gratis-Dienstleistungen der Natur“

Grüne Investments, also die Idee, Geld damit zu sparen oder sogar zu verdienen, indem die Natur nicht zerstört wird, sei für Klimaaktivisten und -aktivistinnen „ein Gräuel“. Befürworter sehen in den Innovationen, etwa sich an Unternehmen zu beteiligen, die keine Wälder zerstören, allerdings eine gute Anlagemöglichkeit für umweltbewusste Investoren und Investorinnen.

Zitiert wird in diesem Zusammenhang auch Diane Coyle, Professorin an der Universität von Cambridge und Leiterin eines Projekts zur Bewertung des Werts von Naturkapital. Sie sagt: „Wenn kein Geldwert festgelegt wird, beläuft sich dieser auf null. Und das ist definitiv die falsche Antwort.“

Auch Olaf Tschimpke, ehemaliger Präsident des deutschen Naturschutzbunds sprach einst von „Gratis-Dienstleistungen der Natur“ und forderte, dass die Erde nicht länger ein „frei verfügbares Rohstofflager für die Konzerne dieser Welt“ sein dürfe.

Die „Charging Bull“-Statue in der New Yorker Wall Street
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Die Ökonomie von Ökosystemen spielt mittlerweile auch in Investments eine große Rolle – nicht zur Freude aller

Forschende wollen Bewertung einfacher machen

Bei der Entwicklung von naturbezogenen Finanzprodukten gebe es allerdings eine Hürde, nämlich die Schwierigkeit, natürliche Ressourcen finanziell genau zu bewerten. Im Rahmen des Natural Capital Project (NCP) an der Stanford Universität arbeitet daher ein interdisziplinäres Team aus Forschenden und NGOs aus der ganzen Welt zusammen, „um die Bewertung von Naturkapital einfacher und zugänglicher“ zu machen, wie es seitens des Projekts heißt, das auf seiner Website eine Open-Source-Software (InVEST) zur Berechnung zur Verfügung stellt.

Die Forschenden sind davon überzeugt, dass die Ökosysteme als „Kapitalvermögen“ angesehen werden können, das essenziell zur wirtschaftlichen Leistung beiträgt. Doch im Vergleich zu anderen Kapitalformen sei „lebendiges Naturkapital“ noch kaum geschätzt und werde im Gegenteil sogar zerstört. Und weiter: „Oft werden die Vorteile, die die Natur bringt, erst bei ihrem Verlust erkannt.“ Das Projekt ziele darauf ab, dieses Paradigma zu ändern.

Preisschild allein keine Lösung

Dennoch: Allein ein Preisschild auf die Natur zu kleben reiche nicht aus, um sie zu erhalten, sagte die Leiterin des Projekts, Gretchen Daily gegenüber der „FT“, die hier auch die Politik gefordert sieht, entsprechende Maßnahmen zu setzen und grüne Investments zu intensivieren. In eine ähnliche Richtung geht die Kritik der Gegner und Gegnerinnen des Naturkapital-Ansatzes: Staatliche Akteure müssten (finanzielle) Verantwortung übernehmen, es dürfe zu keiner Privatisierung der Natur kommen, und marktwirtschaftliche Kriterien sollten nicht über die Schutzwürdigkeit von Natur entscheiden.