Zerstörte Gebäude in Gaza
AP/Yousef Masoud
Israel – Hamas

Vorsichtige Signale für Waffenruhe

Trotz neuer Angriffe in der Nacht auf Donnerstag gibt es im Nahost-Konflikt vorsichtige Signale für eine bevorstehende Waffenruhe. Eine Waffenruhe in den nächsten zwei Tagen sei wahrscheinlich, sagte ein hochrangiger Vertreter der radikalislamischen Hamas. Ähnlich äußerten sich Medienberichten zufolge auch israelische Regierungsvertreter. Offiziell bekräftigte Premier Benjamin Netanjahu allerdings seine harte Linie.

„Ich erwarte, dass ein Waffenstillstand innerhalb von ein oder zwei Tagen erreicht wird, und der Waffenstillstand wird im gegenseitigen Einvernehmen sein“, sagte der Hamas-Funktionär Musa Abu Marsuk dem libanesischen Fernsehsender al-Majadin. „Ich glaube, dass die laufenden Bemühungen um eine Waffenruhe erfolgreich sein werden“, so der Hamas-Funktionär. Er forderte laut israelischen Medien jedoch, dass Israel den ersten Schritt gehen müsse. „Wenn Israel aufhört, Gaza zu beschießen, werden wir aufhören, auf Tel Aviv zu feuern“, zitierte ihn die israelische Nachrichtenseite Ynet.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu forderte hingegen, dass zuerst der Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen aufhören müsse. Einen Aufruf von US-Präsident Joe Biden zu einer „deutlichen Deeskalation (…) auf dem Weg zu einer Waffenruhe“ wies Netanjahu am Mittwoch zurück. „Ich bin entschlossen, diese Operation fortzusetzen, bis ihr Ziel erreicht ist“, teilte er via Twitter mit.

„NYT“: Verhandlungen über stufenweise Waffenruhe

Hinter den Kulissen soll man laut Medienberichten aber auch in Israel von einem baldigen Waffenstillstand ausgehen. Laut „New York Times“ könnten sich Israel und die Hamas innerhalb der nächsten beiden Tage einigen. Im Gespräch ist laut der Zeitung eine stufenweise Waffenruhe.

Israels Premier Benjamin Netanjahu
Reuters/Sebastian Scheiner
Israels Premier Netanjahu: Hinter den Kulissen soll an einem Waffenstillstand gearbeitet werden

Israels Armee soll die Angriffe auf Einrichtungen und hochrangige Mitglieder der Hamas einstellen, die Hamas soll im Gegenzug den Raketenbeschuss israelischer Städte beenden. Zudem verlangt Israel laut „NYT“ von der Hamas, den Bau von Tunneln in Richtung Israel aufzugeben und gewalttätige Demonstrationen an der Grenze zwischen Israel und Gaza zu unterbinden.

Leise Anzeichen für Waffenruhe in Nahost

Ein hochrangiges Hamas-Mitglied hat ein Ende der Gewalt in Aussicht gestellt, wenn Israel den ersten Schritt Richtung Waffenstillstand macht. Israels Regierungschef Netanjahu will hingegen, dass zuerst die Angriffe aus dem Gazastreifen gestoppt werden.

In einer weiteren Stufe soll Israel die Körper zweier gefallener Soldaten zurückerhalten. Zudem soll die Hamas zwei inhaftierte israelische Siedler freilassen. Dafür soll die israelische Seite den Waren- und Geldtransfer nach Gaza wieder erlauben. Auf israelischer Seite mit den Verhandlungen betraut ist laut „NYT“ der Nationale Sicherheitsberater Meir Ben-Schabbat, ein enger Vertrauter Netanjahus. Offiziell werden die Gespräche von israelischer Seite dementiert.

Biden drängt Israel zu „bedeutsamer Deeskalation“

In den vergangenen Tagen hatten sich die USA und Europa für ein Ende der Kämpfe in Nahost starkgemacht. Biden hatte den Druck auf die israelische Regierung erhöht und Netanjahu zu einer sofortigen „bedeutsamen Deeskalation“ gedrängt. Am Montag hatte er nach Angaben des Weißen Hauses in einem Telefonat mit Netanjahu seine „Unterstützung für einen Waffenstillstand zum Ausdruck gebracht“. Am Mittwoch führte Biden sein viertes Telefonat mit Netanjahu seit Beginn der Gewalteskalation zwischen Israel und militanten Palästinensern.

Die USA sind ein historischer Verbündeter Israels. Im UNO-Sicherheitsrat blockierte Washington zuletzt Bemühungen für eine gemeinsame Erklärung zu der Gewalt zwischen Israel und Palästinensern. Zuletzt wuchs aber der Druck auf Biden aus der eigenen Demokratischen Partei, angesichts der vielen Opfer in der palästinensischen Zivilbevölkerung eine härtere Gangart gegenüber Israel einzuschlagen.

US-Präsident Joe Biden
Reuters/Leah Millis
Biden erhöhte den Druck auf Israels Regierungschef und fordert eine „bedeutsame Eskalation“

Deutschlands Außenminister Heiko Maas (SPD) bekundete am Donnerstag bei einem Besuch in Israel die Solidarität seines Landes mit Israel. Maas bekräftigte das Recht Israels auf Selbstverteidigung gegen Angriffe der radikalislamischen Hamas. „Ich bin heute hierhergekommen, um euch unsere Solidarität zu versichern“, sagte Maas bei einem Treffen mit seinem israelischen Kollegen Gabi Aschkenasi in Tel Aviv. Die Angriffe Israels auf Hamas-Einrichtungen bezeichnete er als verhältnismäßig. Im Laufe des Tages wird Maas auch mit hochrangigen Vertretern der Palästinenser zusammentreffen.

Bisher 4.070 Raketen auf Israel abgefeuert

Ungeachtet der sich mehrenden Signale für eine Waffenruhe gab es in der Nacht auf Donnerstag neue Angriffe der Konfliktparteien. Kurz nach Mitternacht feuerten radikale Palästinenser erneut Raketen auf Israel. Im Laufe der Nacht gab es keine weiteren Angriffe, in der Früh wurde in israelischen Orten in Grenznähe wieder Raketenalarm ausgelöst.

In den vergangenen eineinhalb Wochen wurden nach Angaben der israelischen Armee aus dem Gazastreifen rund 4.070 Raketen in Richtung Israel abgefeuert. Davon seien etwa 610 noch in dem Palästinensergebiet am Mittelmeer niedergegangen, bevor sie israelisches Gebiet erreichten, teilte das Militär am Donnerstag mit. Das israelische Abwehrsystem Eisenkuppel („Iron Dome“) habe eine Abfangquote von etwa 90 Prozent. Zum Vergleich: Während des 51-tägigen Gaza-Krieges 2014 waren insgesamt 4.481 Raketen auf Israel abgefeuert worden.

Israels Luftwaffe griff Hamas-Tunnelsystem an

Israels Luftwaffe bombardierte in der Nacht erneut Teile des weitläufigen Tunnelsystems der Hamas im Gazastreifen. Binnen 24 Stunden seien Dutzende weitere Ziele der „Metro“ in dem Palästinensergebiet angegriffen worden, teilte die israelische Armee Donnerstagfrüh mit. Außerdem seien im Küstengebiet weitere Ziele beschossen worden: das Haus eines Kommandanten in Chan Junis, eine Hamas-Waffenfabrik sowie mehrere Raketenabschussrampen.

Feuerwehr löscht einen Brand in Moshav Ohad nach einem Raketenangriff
Reuters/Baz Ratner
In den vergangenen eineinhalb Wochen feuerten radikale Palästinenser 4.070 Raketen auf Israel ab

Die Armee veröffentlichte zudem ein Video zu der weit verzweigten unterirdischen Anlage der Hamas. Nach Angaben der Streitkräfte hatten die Islamisten das Tunnelsystem über Jahre aufgebaut. Es habe eine Länge von Hunderten Kilometern und werde unter anderem dazu benutzt, innerhalb des Gazastreifens Kämpfer, Munition und Lebensmittel zu bewegen, teils auch mit Fahrzeugen. Beschossen wurden laut Armee Knotenpunkte und andere strategisch wichtige Orte des Netzes. Die „Metro“ liegt zu großen Teilen unter der Stadt Gaza im Norden des Gazastreifens.