Mit dem Ende des Lockdowns verwandelt sich auch die Kunst- und Kulturwelt. Und an der Wiener Fischerstiege durfte man vergangene Woche ein durchaus symbolisches Zusammentreffen beobachten: Die Botschafter der Republiken Kroatien und Serbien waren auf Einladung der slowenischen Botschafterin zusammengekommen, um die Eröffnung zur Kunst von einem besonderen Ort zu zelebrieren.
Es geht um die kleine Stadt Lendava, die östlichste Stadt Sloweniens, einen Steinwurf von der ungarischen als auch der kroatischen Grenze entfernt. Die Mur, der Fluss, der im Salzburger Land entspringt, ist hier der Grenzfluss zwischen Slowenien und Kroatien, und wenn die Botschafterin Ksenija Skrilec, die selbst in Lendava aufgewachsen ist, daran erinnert, dass Slowenien in Kürze das 30. Jahr seines Bestehens feiert, dann richtet sich der Blick zurück und nach vorne zugleich.
Die gemeinsame Vorstellung eines untergegangenen Landes
Man muss eine Welt, die aus politisch handfesten Gründen zerfallen ist, nicht aus späterer Zeit romantisieren. Aber dass die nachfolgenden Länder dieses ehemaligen Jugoslawiens enger zusammenarbeiten müssen, liegt auf der Hand. Und ebenso liegt auf der Hand, dass sie nun einmal ein gemeinsames Erbe teilen. Die Arbeiten des nun in Wien ausgestellten großen und früh verstorbenen Grafikers Galič erzählen im Frühwerk noch sehr viel von einer gemeinsamen Kunstvorstellung im sozialistischen Jugoslawien. Schon damals hat der in Ljubljana ausgebildete Künstler auf die dort hochgehaltene Tradition grafischen Arbeitens gesetzt, zugleich aber auch malerisch eindrucksvolle Bilder im surrealen Stil hinterlassen.
„Fast könnte man sagen, dass an diesem Abend ganz Jugoslawien versammelt ist“, scherzte Alte-Schmiede-Mastermind Walter Famler bei der Eröffnung. Seit Monaten schon stellt er gemeinsam mit dem Wiener Verlag bahoe books slowenische Kunst an der Fischerstiege aus – und konnte diese in den vergangenen Monaten in dem einschaubaren Art-Space auch gegen alle Beschränkungen einer Pandemie hinter einer Schauwand zur Darstellung bringen.
Immer retour in die Herkunftswelt
Galič ist so ein typischer Bewohner der Prekmurje, dieses gerade einmal 1.000 Quadratkilometer großen Gebietes. Er ist dreisprachig aufgewachsen und bei aller Internationalität seines künstlerischen Weges immer ein Bürger dieses hinteren Ecks der Welt geblieben. Im Schloss von Lendava hat man ihm deshalb auch einen Gedenkraum eingerichtet, der die zwei Hauptelemente seines Arbeitens umfasst: seine Bildwelten, aber auch seine Leidenschaft für Insekten, speziell Schmetterlinge. Bis zum heutigen Tag hält man in Lendava die Schmetterlingskunde hoch, ja besitzt eine der größten Sammlungen in diesem Bereich in Europa. Für Galič ist der Falter stets auch zentraler Bestandteil in seinem künstlerischen Schaffen geblieben.
Frühe Bilder verweisen dabei auf eine fast schon margrittesche Surrealität – während er in seinen Grafiken diesem Tier einen überdimensionalen, wie farblich übersatten Platz in seinen Bildern einräumt. Die Natur, so erinnert auch die „Standard“-Journalistin Amira Ben Saoud in ihrem Beitrag über Galič, bilde der Künstler nicht ab, sie sei Ausgangspunkt für einen breiten Raum von Assoziationen, die der Künstler bildnerisch erkundet.
Hinweis
Die Ausstellung „Stefan Galič: Natura Viva“ ist noch bis 9. September im bahoe art house an der Wiener Fischerstiege zu sehen. Parallel dazu liegt bei bahoe books ein Band mit den Arbeiten von Galič vor.
Der Blick aus der Mansarde
Ab den späten 1970er Jahren taucht beim entomologisch geschulten Galič der Schmetterling in der Box auf, der sich mit der Box über alle Landschaften erhebt. Später in seinen Holzschnitten, die nun vor allem in Wien zu sehen sind, bricht Galič die Natur auf ihre elementarsten Bauformen herunter – entlockt aber allen Rissen und Verwerfungen über nachträgliche Farbeinträge, vorzugsweise in Gelb, eine erneut surreale Poesie.
In einer Dachkammer sind viele der Bilder Galičs, die nun in Wien zu sehen sind, gelagert worden. Der Blick aus der Mansarde war zuletzt sein Blick auf die Welt. Ungeduldig und mit viel Farbe hat er zum Ende seines Lebens noch einmal die schöne Landschaft seiner Herkunft zu Papier gebracht. Unkenntlich ist trotz der abstrakten Striche auf diesem Bild in sattem Grün nichts. Für Galič steckt wohl das ewige Heimweh in dieser Arbeit. Für seine Entdecker könnte sich ein Fernweh in die Welt rund um Lendava ergeben.