Illustration des grünen Passes mit QR-Code am Handy
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„Grüner Pass“

Harsche Kritik an Datensammlung

Ab 4. Juni soll der „Grüne Pass“ österreichweit zum Einsatz kommen. Via QR-Code soll der jeweilige CoV-Status – getestet, genesen oder geimpft – sichtbar sein. Dafür schickte das Gesundheitsministerium eine Novelle des Epidemie- und Covid-19-Maßnahmengesetzes in Begutachtung. Die Kritik daran ist aber enorm – von Opposition, Datenschützern und zentralen Institutionen wie den Sozialversicherungsträgern.

Mit der Novelle soll nicht nur der „Grüne Pass“ umgesetzt werden. Es ist auch eine großangelegte Sammlung von Daten fast aller Bürger und Bürgerinnen vorgesehen. Die von der ELGA-Infrastruktur vorgenommenen Impfungen werden in ein anderes Register, das Epidemiologische Meldesystem (EMS), kopiert.

Am Donnerstag lehnte etwa der Dachverband der Sozialversicherungsträger die geplante Datensammlung in seiner Stellungnahme ab. Der Zweck, der Umfang und die Dauer der Datenverarbeitung seien im Gesetz nicht definiert. Auf Basis dieser Rechtsgrundlage lehnt der Dachverband die Übermittlung von Daten der Versicherten ab.

Zeitpunkt wackelt

Bei Weitergabe von Daten „aus dem Verantwortungs- und Kontrollbereich der Sozialversicherung können die Sozialversicherungsträger und der Dachverband die Sicherheit dieser Daten nicht mehr garantieren“.

Die technische Umsetzung des „Grünen Passes“ liegt beim technischen Dienstleister der Sozialversicherung. Dort zweifelt man allerdings am geplanten Starttermin 4. Juni, wie aus einem internen Papier, das dem „Standard“ vorliegt, hervorgeht: „Aus technischer Sicht ist dieser Starttermin mutmaßlich nicht zu halten“, heißt es in dem Papier. Wenn die „Anforderungen“ geklärt sind, könne eine „gesicherte Timeline“ kommuniziert werden.

„Fast alle Lebensbereiche werden durchleuchtet“

Aufgrund der Datenfülle sei eine vorgesehene Pseudonymisierung „gänzlich wirkungslos, da Menschen anhand der Kombination“ eindeutig identifizierbar würden, argumentierte die Datenschutz-NGO epicenter.works. Entsprechend wies auch die ELGA GmbH am Donnerstag auf die Risiken einer personenbezogenen Speicherung aller Daten in einem Register hin – trotz Pseudonymisierung. ELGA argumentierte zudem, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen ein zentrales Impfregister nicht aus ELGA ausgegliedert werden dürfe.

In geplanten Datenbank sollen die Daten von Covid-19-Erkrankten mit jenen der -Geimpften zusammengeführt werden. Darüber hinaus sollen aktuelle und historische Daten über das Erwerbsleben, das Einkommen, etwaige Arbeitslosigkeit, den Bildungsweg, Rehaaufenthalte und Krankenstände verbunden werden.

„Fast alle unserer Lebensbereiche werden in dieser Datenbank durchleuchtet werden“, kritisierte epicenter.works. Sollte dieses Gesetz beschlossen werden, drohte die Plattform mit einer Verfassungsklage. Auf europäischer Ebene gebe es bereits eine Klarstellung, dass etwa Bewegungsprofile nicht von zentraler Stelle abgerufen werden können. Das brauche es in Österreich auch, forderte Datenschützer Thomas Lohninger von epicenter.works am Donnerstag im Ö1-Morgenjournal.

Datenschützer kritisieren noch mehr Zugriffsmöglichkeiten

Die Datenschützer kritisierten auch, dass das Gesundheitsministerium ermächtigt werden soll, per Verordnung weitere Daten aus allen Ministerien anzufordern und anzulegen. So dürfte der Gesundheitsminister etwa „zum Zweck der epidemiologischen Überwachung sowie des Monitorings der Wirksamkeit“ der CoV-Maßnahmen Daten wie die Dauer von Krankenständen, Rehaaufenthalte und höchste abgeschlossene Ausbildungsstufe verarbeiten und mit den von ELGA übermittelten Daten mit dem Register verknüpfen.

Diese dürften für die Ermittlung von Impfdurchbrüchen, Kontaktnachverfolgung und Ausbruchsmanagement verwendet werden. Da diese Daten auch im Statistikregister gespeichert werden, würde der Kreis der Zugriffsberechtigten immens erweitert, beklagten Datenschützer.

Juristen vermissen Verhältnismäßigkeit

Der Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) vermisst bei dem Gesetzesentwurf die gebotenen Verhältnismäßigkeitserwägungen in Hinblick auf den Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz. Es werde die Verwendung der Daten nicht spezifiziert und die von der EU vorgeschriebene Datensparsamkeit nicht eingehalten.

Wenig erfreut zeigte sich am Donnerstag auch der Gemeindebund über die geplante Novelle. Zum einen wurden datenschutzrechtliche Gründe angeführt, zum anderen wurde kritisiert, dass der Gemeindebund nicht eingebunden worden sei – obwohl auch die Gemeinden Zutrittszertifikate zur Verfügung stellen sollen. Das müsse der Ausnahmefall bleiben, wurde betont – „in Anbetracht der Tatsache, dass die Gemeinden bisher gar nicht über den Prozess informiert wurden“, dieser aber bis spätestens 4. Juni funktionieren soll.

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein
APA/Roland Schlager
Datenschutz ist Mückstein „wichtig“, aber es brauche eine „Verschränkung“ der Daten

Ministerium will „effektives Pandemiemanagement“

Mit der geplanten Datensammlung will das Gesundheitsministerium „effektives Pandemiemanagement“ ermöglichen. Daraus könnten neue Erkenntnisse gewonnen werden. „Datenschutz ist uns sehr wichtig“, sagte Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne). Da viele Daten während der Pandemie nicht optimal vorhanden waren, sollen diese nun auf neue Beine gestellt werden, so Mückstein. Es seien daher „solche Verschränkungen wichtig, genauso wie die Anonymisierung wichtig“ sei. Mückstein: „Ich gehe davon aus, dass die Daten zentral im Gesundheitsministerium gut aufgehoben sind.“

Angesichts der breiten Kritik rief NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker das Gesundheitsministerium am Donnerstag dazu auf, das „Datenchaos zu beseitigen und zurück zum Start“ zu gehen. Es sei möglich, einen Datenzugang für die Forschung zu ermöglichen, ohne dabei den Datenschutz gänzlich zu opfern: „Daten über Tests oder Impfungen gehören aber nicht in das EMS, auf das unzählige Einheiten problemlos zugreifen können.“ Die FPÖ befürchtet einen „gläsernen Bürger“. Ohne Zustimmung jedes einzelnen Menschen dürfe dieses „inhumane“ Projekt keinesfalls umgesetzt werden, so FPÖ-Chef Norbert Hofer.