Frau mit Smartphone und Reisepass
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„Grüner Pass“

Einigung auf EU-Impfzertifikat

Auf EU-Ebene ist am Donnerstag eine Einigung zum Zertifikat über Impfungen, Tests und Genesungen erzielt worden. Der Nachweis soll schon bald EU-weit das Reisen erleichtern. In Österreich hat das Gesundheitsministerium eine Novelle des Epidemie- und des Covid-19-Maßnahmengesetzes erarbeitet, mit der der „Grüne Pass“ umgesetzt wird. Die Kritik daran ist aber laut. Auch der Zeitplan wackelt.

Rechtzeitig vor der Sommersaison haben sich die EU-Länder und das EU-Parlament auf Details eines europaweiten Zertifikats geneigt. Es soll Coronavirus-Impfungen, -Tests und überstandene Covid-19-Erkrankungen nachweisen. Es gebe „weißen Rauch“, erklärte EU-Justizkommissar Didier Reynders am Donnerstag nach einer vierten Verhandlungsrunde. Das digital lesbare Dokument soll ab 1. Juli EU-weit Reisen erleichtern und neben Angaben zu Impfungen auch Informationen über Tests oder überstandene Infektionen enthalten. Eingeführt werden soll das System bis Ende Juni.

Seit Anfang des Jahres war darüber debattiert worden, in welchem Ausmaß EU-Länder Reiseerleichterungen und Restriktionen selbst bestimmen können. Der Kompromiss sieht nun vor, dass nicht in die Hoheit der Mitgliedsstaaten eingegriffen wird, aber zusätzliche Beschränkungen wie etwa Quarantäne für negativ Getestete, Geimpfte oder Geheilte nur eingeführt werden soll, wenn es etwa die Infektionslage erfordert.

In vielen Ländern ist es bereits jetzt schon möglich einzureisen, ohne in Quarantäne zu müssen. In Griechenland etwa muss lediglich eine abgeschlossene Impfung oder ein höchstens 72 Stunden alter PCR-Test vorgewiesen werden. Auch in Italien besteht keine Pflicht zur Isolation mehr – die Behörden verlangen aber weiterhin ein negatives Testergebnis bei Ankunft.

Zweifel an Umsetzung bis Anfang Juni

In Österreich hat das Gesundheitsministerium eine Novelle des Epidemie- und des Covid-19-Maßnahmengesetzes erarbeitet, mit der der „Grüne Pass“ umgesetzt wird. Österreich wollte einen eigenen „Grünen Pass“ bereits im April einführen, die Umsetzung verzögerte sich allerdings. Nun ist der Plan, den Nachweis bis 4. Juni einzuführen. Dann soll das Testergebnis oder die Bestätigung einer Genesung oder des Impfschutzes elektronisch erfasst werden und über einen QR-Code zur Verfügung stehen. Inzwischen gibt es aber erneut erhebliche Zweifel, ob dieser „Grüne Pass“ bis dahin tatsächlich auch technisch umgesetzt werden kann. Das zeigte zuletzt ein internes Papier der Sozialversicherung.

Zuständig für die Umsetzung des „Grünen Passes“ ist der IT-Dienstleister des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger. In dem Papier, das dem „Standard“ vorliegt, erklären die Geschäftsführer der IT-Services der Sozialversicherung, dass der 4. Juni ein „Wunsch“ der Politik gewesen sei: „Aus technischer Sicht ist dieser Starttermin mutmaßlich nicht zu halten.“ Sobald die Anforderungen geklärt seien, könne eine „gesicherte Timeline“ kommuniziert werden. Man gehe aber nicht davon aus, dass die Probleme bis Anfang Juni ausgeräumt werden könnten.

Übermittlung von Daten abgelehnt

Die Regelung soll bereits kommende Woche vom Nationalrat beschlossen werden. Für Mittwoch ist eine Sondersitzung nur zu diesem Thema geplant. Begründet wird die Eile damit, dass die Novelle Voraussetzung für den QR-Code sein soll, der Impfung, Testung oder Genesung nachweist. Änderungen gegenüber den ursprünglichen Plänen sind nicht ausgeschlossen.

Die Kritik an der österreichischen Lösung ist aber groß. Zum einen fehle die Rechtssicherheit für Betroffene, so die IT-Services der Sozialversicherung. Zum anderen stehe der geplante QR-Code in einem „möglichen Widerspruch“ zum EU-Projekt. Schon zuvor hatte die Sozialversicherung in einer offiziellen Stellungnahme zur geplanten Novelle des Epidemie- und Covid-19-Maßnahmengesetzes Kritik geübt. Der Zweck, der Umfang und die Dauer der Datenverarbeitung seien im Gesetz nicht definiert. Auf Basis dieser Rechtsgrundlage lehnt der Dachverband die Übermittlung von Daten der Versicherten ab.

Auch die ELGA GmbH wies am Donnerstag auf die Risiken einer personenbezogenen Speicherung aller Daten in einem Register hin – trotz Pseudonymisierung. Datenschützer hatten kritisiert, dass aufgrund der großen Menge an Daten Menschen anhand der Kombination eindeutig identifizierbar wären. ELGA argumentierte zudem, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen ein zentrales Impfregister nicht aus ELGA ausgegliedert werden dürfe.

Umfassende Datensammlung

Mit der in Begutachtung geschickten Novelle soll nicht nur der „Grüne Pass“ in Österreich umgesetzt werden. Es ist auch eine großangelegte Sammlung von Daten fast aller Bürger und Bürgerinnen vorgesehen. Die von der ELGA-Infrastruktur vorgenommenen Impfungen werden in ein anderes Register, das Epidemiologische Meldesystem (EMS), kopiert. In der geplanten Datenbank sollen die Daten von Covid-19-Erkrankten mit jenen der -Geimpften zusammengeführt werden. Darüber hinaus sollen aktuelle und historische Daten über das Erwerbsleben, das Einkommen, etwaige Arbeitslosigkeit, den Bildungsweg, Rehaaufenthalte und Krankenstände verbunden werden.

Kritik von Ärzten, Gemeinden und Anwälten

„Fast alle unserer Lebensbereiche werden in dieser Datenbank durchleuchtet werden“, kritisierte die Datenschutzplattform epicenter.works. Sollte dieses Gesetz beschlossen werden, drohte die NGO mit einer Verfassungsklage. Auf europäischer Ebene gebe es bereits eine Klarstellung, dass etwa Bewegungsprofile nicht von zentraler Stelle abgerufen werden können. Das brauche es in Österreich auch, forderte Datenschützer Thomas Lohninger von epicenter.works am Donnerstag im Ö1-Morgenjournal.

Die Datenschützer kritisierten auch, dass das Gesundheitsministerium ermächtigt werden soll, per Verordnung weitere Daten aus allen Ministerien anzufordern und anzulegen.

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein
APA/Roland Schlager
Mückstein: „Brauchen die Daten für politische und medizinische Entscheidungen“

Der Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) vermisste bei dem Gesetzesentwurf die gebotenen Verhältnismäßigkeitserwägungen in Hinblick auf den Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz. Auch die Ärztekammer lehnte „unnötiges Datensammeln“ ab. Wenig erfreut zeigte sich am Donnerstag auch der Gemeindebund über die geplante Novelle. Zum einen wurden datenschutzrechtliche Gründe angeführt, zum anderen wurde kritisiert, dass der Gemeindebund nicht eingebunden worden sei – obwohl auch die Gemeinden Zutrittszertifikate zur Verfügung stellen sollen.

Mückstein: „Brauchen die Daten“

Mit der geplanten Datensammlung will das Gesundheitsministerium „effektives Pandemiemanagement“ ermöglichen. „Datenschutz ist uns sehr wichtig“, sagte Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) am Donnerstag: „Wir werden eine datenschutzkonforme Lösung finden.“ Aber die Wissenschaft sei auf diese Daten angewiesen, und in der Vergangenheit sei das Ministerium dafür kritisiert worden, ebendiese nicht liefern zu können. „Klar muss auch sein, dass wir Daten brauchen, um politische und medizinische Entscheidungen zu treffen“, verteidigte Mückstein das Vorhaben.

Über die europäische Einigung vom Donnerstag freute sich Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) in einer Aussendung. Sie sei „nicht zuletzt auch ein Ergebnis des großen Drucks, den Österreich und andere Tourismusstaaten in den letzten Wochen entwickelt haben“, so Köstinger. Auch Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) begrüßte das Ergebnis. „Mobilität ist der Schlüssel, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln und unserer Normalität wieder ein Stück näher zu kommen.“ Und: Die Einigung zeige, wozu Europa imstande sei, „wenn wir alle an einem Strang ziehen“.