Zerstörte Häuser in Gaza
Reuters/Mohammed Salem
„Chance“

Waffenruhe in Nahost in Kraft

Nach elftägigen heftigen Gefechten zwischen Israel und militanten Palästinensern gilt seit der Nacht auf Freitag eine von Ägypten vermittelte Waffenruhe. Die um 2.00 Uhr Ortszeit in Kraft getretene Feuerpause wurde in den ersten Stunden offenbar von beiden Seiten eingehalten. Die jüngste Eskalation kostete 232 Menschen im Gazastreifen und zwölf Menschen in Israel das Leben. Nun gibt es wieder Rufe nach Gesprächen – US-Präsident Joe Biden etwa sprach von einer „echten Chance“, die UNO rief zur Einhaltung auf.

In den Stunden nach Beginn der Feuerpause wurden keine neuen Raketenangriffe auf Israel aus dem Küstenstreifen gemeldet. Auch die israelische Armee stellte ihre Angriffe ein. Kairo kündigte außerdem an, zwei Delegationen zur Überwachung der Waffenruhe zu entsenden.

Die Waffenruhe sei einseitig und erfolge ohne jegliche Vorbedingungen, sagte ein Sprecher des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Die politische Führung habe betont, dass die Realität an Ort und Stelle das weitere Vorgehen bei den Kämpfen bestimmen werde.

Israels Premier Benjamin Netanjahu
Reuters/Sebastian Scheiner
Israelische Medien berichteten, das Sicherheitskabinett von Netanjahu habe der Vereinbarung auf der Basis von „Ruhe im Gegenzug für Ruhe“ zugestimmt

Sollten etwa die Palästinenser ihre Raketenangriffe fortsetzen, sei die Waffenruhe umgehend wieder aufgehoben. Direkt nach der Mitteilung über Israels Entscheidung für die Waffenruhe hatte es erneut Raketenalarm in den israelischen Grenzorten am Rande des Gazastreifens gegeben.

Hamas sieht Israel in Verantwortung

Trotzdem bekannte sich auch die Hamas zu der indirekt erzielten Vereinbarung. „Die Waffenruhe ist wechselseitig und tritt beidseitig am Freitag um 2.00 Uhr (1.00 Uhr MESZ) in Kraft“, teilte Taher al-Nuno, ein Berater des Hamas-Chefs Ismail Hanija, mit. Der „bewaffnete Widerstand“ der Palästinenser werde sich so lange an sie halten, solange das die israelische Seite tue, fügte er hinzu.

Waffenruhe zwischen Israel und Gaza

Israel und die im Gazastreifen regierende Hamas haben sich auf eine Waffenruhe geeinigt. Die Lage im Nahen Osten war vor mehr als einer Woche eskaliert, über 200 Menschen starben.

„Es ist wahr, dass die Schlacht heute endet, aber Netanjahu und die ganze Welt sollen wissen, dass unsere Finger am Abzug sind“, sagte der Hamas-Vertreter Issat al-Raschik in Doha. Zu den Hamas-Forderungen gehörten außerdem der Schutz der Al-Aksa-Moschee und die Beendigung der Vertreibung mehrerer Palästinenser aus ihren Häusern in Ostjerusalem. Minuten vor Beginn der Feuerpause schossen militante Palästinenser noch Raketen Richtung Israel ab, Israels Luftwaffe beschoss Ziele in dem Küstenstreifen. Über neue Opfer wurde nichts bekannt.

USA bieten Hilfe an

Nach Ansicht von US-Präsident Biden bietet die Waffenruhe eine „wirkliche Chance“, im Nahen Osten Fortschritte hin zu einem dauerhaften Frieden zu machen. Die USA stünden zusammen mit den Vereinten Nationen und anderen Partnern bereit, der Palästinensischen Autonomiebehörde mit humanitärer Hilfe und Unterstützung beim Wiederaufbau zu helfen, sagte Biden am Donnerstag. Er zollte Netanjahu Respekt dafür, die Kampfhandlungen nun einzustellen.

Zudem dankte er Ägypten für dessen Einsatz bei der Vermittlung der Waffenruhe. „Ich bin der Meinung, dass Palästinenser und Israelis es gleichermaßen verdienen, sicher und geschützt zu leben und sich gleichermaßen an Freiheit, Wohlstand und Demokratie zu erfreuen.“ Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi dankte dem US-Präsidenten für dessen Rolle bei der Durchsetzung der ägyptischen Initiative für eine Feuerpause auf Twitter.

US-Außenminister Antony Blinken plant in den kommenden Tagen eine Reise in den Nahen Osten. Das teilte er dem israelischen Außenminister Gabi Aschkenasi in einem Telefonat mit. Wie das US-Außenministerium bestätigte, will sich Blinken dort unter anderen mit seinem israelischen sowie dem palästinensischen Amtskollegen treffen.

Korrespondent Cupal zur Waffenruhe

ORF-Korrespondent Tim Cupal berichtet aus Tel Aviv über die Einigung auf eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas.

Aufrufe zur Einhaltung

Der palästinensische Ministerpräsident Mohammed Schtajja äußerte sich in palästinensischen Medien und sagte, er begrüße „den Erfolg der internationalen Bemühungen, die von Ägypten angeführt werden, um die israelische Aggression gegen unser Volk im Gazastreifen zu beenden“.

Zerstörte Wohnhäuser in Beit Lahia in Gaza
APA/AFP/Mohammed Abed
Tausende Raketen, Hunderte Verletzte und fast 250 Todesopfer gab es seit Beginn des Konflikts am 10. Mai

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres rief alle Seiten auf, sich an die Vereinbarung zu halten. Nun müsse es um einen raschen Wiederaufbau und eine Wiederaufnahme von ernsthaften Gesprächen gehen, sagte der UNO-Chef weiter. Die Vereinten Nationen würden Israel und die Palästinenser dabei unterstützen.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und das österreichische Außenministerium begrüßten die Ankündigung des Waffenstillstands zwischen Israel und der Hamas. „Die Menschen in dieser ohnehin schon volatilen Region haben sich ein Leben in Frieden und Sicherheit verdient. Nun geht es darum, die Voraussetzungen für nachhaltige Sicherheit und Stabilität zu schaffen“, teilte Kurz mit. „Israelis und Palästinenser haben das Recht, in Frieden und Sicherheit zu leben“, twitterte das Außenministerium.

Fast 250 Todesopfer

Der Konflikt war am 10. Mai mit Raketenangriffen der im Gazastreifen herrschenden Hamas auf Jerusalem eskaliert. Israel reagierte darauf mit starken Angriffen in dem Küstengebiet.

Seit Beginn des Konflikts sind dem israelischen Militär zufolge mehr als 4.000 Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel abgefeuert worden, wobei zwölf Menschen ums Leben kamen, mehr als 300 erlitten Verletzungen. Israel reagierte auf den Beschuss mit mehr als tausend Luftangriffen, bei denen nach palästinensischen Angaben mindestens 230 Menschen getötet wurden, unter ihnen 65 Kinder und Jugendliche. Außerdem gab es mehr als 1.900 Verletzte.

Auch die Küstenmetropole Tel Aviv – Israels Wirtschaftszentrum – war in dieser Eskalationsrunde des Konflikts so heftig mit Raketen beschossen worden wie nie zuvor. Insgesamt zehnmal heulten im Großraum Tel Aviv die Warnsirenen.