Kakteen in der Atacama-Wüste in Chile
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Geschützte Pflanzen

Schwarzmarkt für Kakteen boomt

Wie für Elfenbein, Tigerknochen und Schuppentierschuppen gibt es auch für seltene Pflanzen einen boomenden illegalen Welthandel. Neben Orchideen und fleischfressenden Arten gehören heute Kakteen und andere Sukkulenten zu den begehrtesten Pflanzen auf dem Schwarzmarkt. Ein Fund in Italien zeigte jüngst das Ausmaß.

Kakteen und Sukkulenten gehören zu den Lieblingen unter den Hauspflanzen. Der Grund: Sie sind einfach in der Handhabe und sehen außergewöhnlich aus. Häufig werden sie auch auf Instagram und in anderen sozialen Netzwerken beworben, was ihre Beliebtheit insbesondere bei jungen Menschen steigert.

Bei den meisten hierzulande in Geschäften erhältlichen Kakteen handelt es sich jedoch um bereits in Europa gezüchtete Pflanzen. Völlig uninteressant sind sie deshalb für viele Sammlerinnen und Sammler, die auf der Suche nach Exquisiterem sind. Expertinnen und Experten wissen: Wer nach besonderen und seltenen Stücken sucht, wird, ähnlich wie bei Jagdtrophäen, häufig nur auf dem Schwarzmarkt fündig, da seltene Kakteengewächse in der Regel unter Naturschutz stehen.

Über 1.000 geschützte Kakteen in Italien gefunden

Eine letztes Jahr durchgeführte Razzia im italienischen Senigallia zeigte das Ausmaß des Schwarzmarktes für stachelige Pflanzen. Über 1.000 Stück der seltensten Kakteen der Welt wurden in einem privaten Gewächshaus eines Mannes entdeckt. Ihr Gesamtwert wurde auf rund eine Million Euro geschätzt. Fast alle Pflanzen stammten aus der Atacama-Wüste in Chile. Schon 2013 fand die Polizei bei demselben Mann 600 chilenische Kakteen. Diese Tat ist laut Medienberichten bereits verjährt, doch wird für den Fund aus 2020 ein Prozess erwartet.

Pan de Azucar coast, Chile
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Unendliche Weite und seltene Kakteen – die Atacama-Wüste ist ein Eldorado für den Kakteenschwarzmarkt

Medienberichten zufolge soll der Beschuldigte insgesamt sieben Reisen nach Chile unternommen haben, zuletzt im Dezember 2019, wo er die Kakteen in der Atacama-Wüste in der Nähe des Nationalparks Pan de Azucar entwendet haben soll. Anschließend soll er die Pflanzen nach Griechenland und Rumänien verschickt haben, wo der Zoll weniger streng sei als in Italien. Aufgrund ihrer Widerstandsfähigkeit können Kakteen lange Posttransporte ohne Erde, Wasser und Licht überstehen. Rechnungen, die die Carabinieri auf dem Smartphone des Beschuldigten fanden, wiesen auf einen japanischen Interessenten hin.

Herkunft und Alter herausgefunden

Da die bei der Razzia gefunden Kakteenarten unter Naturschutz stehen, war der Polizei recht schnell klar, dass sie illegal gehandelt sein mussten. Doch wurden noch analytische Tests durchgeführt, die schließlich bewiesen, dass die Pflanzen nicht in Italien gezüchtet worden sein konnten. Dabei kam heraus, dass einige der Kakteen und Sukkulenten über 100 Jahre alt waren.

Mehr als ein Jahr dauerten die Untersuchungen in Europa dann an. Vorübergehend wurden die Pflanzen im Botanischen Garten Citta Studi in Mailand aufbewahrt, bis die meisten von ihnen Ende April dieses Jahr zur Wiederansiedlung nach Chile zurückgeschickt wurden. Der Fund aus der Atacama-Wüste war bisher einer der größten Funde illegal gehandelter Pflanzen überhaupt.

Frau schmuggelte Kakteen an ihrem Körper

Einen weiteren bemerkenswerten Fund machte die Polizei 2019 in Neuseeland. Eine Frau hatte dort rund hundert an ihrem Körper befestigte seltene Kakteen und Sukkulenten durch den Zoll schmuggeln wollen. Insgesamt wollte die 38-Jährige, die aus China kam, gar 947 Sukkulenten und Kakteen ins Land zu bringen, die sie in Strümpfen an ihren Körper geschnallt hatte. Die Pflanzen, darunter acht bedrohte Arten, hatten einen Wert von rund 6.000 Euro.

Das Urteil für die Frau wurde Anfang des Jahres gefällt, sie musste 100 Sozialstunden leisten. „Dieses Urteil ist eine Mahnung an alle, die bedrohte Pflanzen oder andere gefährdete Arten nach Neuseeland schmuggeln wollen, dass sie mit ihrer Bestrafung rechnen müssen“, sagte ein Ermittler des Ministeriums nach der Gerichtsentscheidung. Neuseeland verfügt über strenge Gesetze, was die Einfuhr von Pflanzen angeht.

„Stillstand“ ohne Pflanzen

Der illegale Pflanzenhandel fordert einen hohen Tribut. Über 30 Prozent der weltweit fast 1.500 Kakteenarten sind vom Aussterben bedroht. Kakteen sind zwar widerstandsfähig, ihnen macht naturgemäß Hitze und Trockenheit nicht viel aus. Jedoch kommen einige von ihnen nur an ganz speziellen Orten vor – beispielsweise in der Atacama-Wüste, auf bestimmten steilen Klippen in Mexiko oder auf einem einzigen sandigen Fleck an der Küste Perus. Außerdem wachsen sie extrem langsam. Größere Exemplare, die bei Schmugglerinnen und Schmugglern besonders begehrt sind, können Jahrzehnte oder sogar Hunderte von Jahren alt sein.

Blühender Kaktus in der Atacama-Wüste in Chile
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Die Gattung Copiapoa etwa ist typisch für die Atacama-Wüste

Laut Expertinnen und Experten ist der illegale Handel von Pflanzen mindestens genauso schwerwiegend wie jener von Tieren und tierischen Produkten. „So ziemlich jede Pflanze, die Sie sich vorstellen können, wird auf irgendeine Weise gehandelt“, sagte Eric Jumper, Spezialist beim US-amerikanischen Fish and Wildlife Service kürzlich zur „New York Times“ („NYT“). Doch würde diesem Bereich häufig weniger Wert beigemessen, da die Leute bei Wilderei eher an Tiere und deren Leid denken würden. Jedoch gelte zu beachten: „Das grundlegende Funktionieren des Planeten würde ohne Pflanzen praktisch zum Stillstand kommen“, so auch Jared Margulies, Geograph der Universität von Alabama, zu der Zeitung.

Zumeist online angeboten

Seltene Arten legal zu erwerben ist schwierig bis unmöglich. Alle Kakteen und viele andere Arten von Sukkulenten benötigen eine Genehmigung für den internationalen Handel, wenn sie überhaupt legal gehandelt werden dürfen. Das besagt das Washingtoner Artenschutzübereinkommen von 1973. Die meisten Länder verbieten auch das Sammeln einiger oder aller dieser Arten in der Natur. Das hält Diebinnen und Diebe freilich nicht ab.

Jedoch: „Um Leute zu erwischen, braucht man eine Menge Glück, denn sie sammeln in riesigen Regionen“, so Spezialist Jumper zur „NYT“. Nachdem Kakteen illegal ausgegraben würden, finde der illegale Handel oft im Freien statt, erklärte er gegenüber der Zeitung. Während es in Japan etwa Pflanzenmärkte gebe, die diese dann völlig offen ausstellen würden, würden andernorts Verkäuferinnen und Verkäufer seltene Kakteen auf der ganzen Welt auf eBay, Instagram, Etsy und Facebook anbieten. Insofern sei also sehr wohl Vorsicht bei Social-Media-Trends geboten.