Impfpass
ORF.at/Viviane Koth
Coronavirus-Impfung

Länder skeptisch zu Terminfreigabe für alle

Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz haben sich die Gesundheitsreferentinnen und -referenten der Bundesländer angesichts der Ankündigung, dass Impftermine für alle Altersgruppen freigegeben werden, skeptisch gezeigt. Es gebe keinen Grund, vom derzeitigen System abzuweichen, sagte etwa Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Schließlich sei man noch lange nicht am Ziel.

Derzeit hätten gerade einmal rund 15 Prozent der Bevölkerung eine Zweitimpfung gegen das Coronavirus erhalten. Die Zielsetzung liege bei einer Durchimpfungsrate von 80 Prozent. Das zeige für Hacker, dass man bei den Impfungen noch „weit weg“ und nicht „kurz vorm Fertigwerden“ sei.

Zudem sei in Wien die Liste der Vormerkungen so lang, dass es wohl auch noch im August zu Erstimpfungen kommen werde. Dann sollten aber bereits die für die Aufrechterhaltung der Immunisierungen wohl nötigen Drittimpfungen beginnen. Folglich sollte es daher nicht zu einer Änderung weg von der Risikofokussierung in der Impfstrategie kommen, so Hacker.

Impftermine werden für alle freigegeben

Hacker reagiert damit auf einen Vorstoß der Bundesregierung vom Vortag. Bei einem gemeinsamen Pressetermin mit Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) kündigte Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Donnerstag an, dass demnächst in allen Bundesländern Impftermine für alle Altersgruppen freigeschaltet werden.

Bisher vergibt Niederösterreich als einziges Bundesland auf seiner zentralen Anmeldeplattform Termine für alle Altersgruppen. Außerdem wird nun die Impfung bei Hausärzten für alle Altersgruppen freigegeben. Laut Mückstein besteht die Empfehlung, nach Altersstufen vorzugehen, weiterhin. In einer neuen Verordnung, die in den kommenden Tagen in Kraft treten soll, könnten Ärztinnen und Ärzte selbst frei entscheiden, „etwa wenn genügend Impfstoff“ vorhanden sei.

Während Mückstein am Donnerstag lobte, dass es nun mit dem Impfen „voll losgeht“, kann Hacker laut eigener Aussage diese Euphorie nicht teilen. Dennoch: Bei der gemeinsamen Konferenz sei man mit Mückstein in gutem Einvernehmen gewesen, hieß es seitens der Referenten.

Christian Stöckl, Annette Leja, Juliane Bogner-Strauß und Peter Hacker
APA/Erwin Scheriau
Bei der Konferenz mit Landesrätinnen und Landesräten aller Bundesländer und Gesundheitsminister Mückstein sei es um einen „Blumenstrauß an Themen“ gegangen, so Bogner-Strauß

Salzburg: Inzidenz als Wert miteinbeziehen

Christian Stöckl, ÖVP-Landesrat in Salzburg, verwies auf die Tatsache, dass es trotz der künftig „flexibleren“ Gestaltung eine Art von Reihenfolge und Priorisierung brauchen werde. Denkbar wäre es in Zukunft allerdings, etwa auch die Inzidenzwerte in die Risikoeinschätzung miteinzubeziehen.

Hierbei müsse man sich die Frage stellen, in welchen Altersgruppen es die größten Inzidenzen gebe, und diese bei der Vergabe der Impftermine stärker berücksichtigen. In Salzburg etwa sei diese gerade unter den Jüngeren am höchsten.

Termine nur bei gesicherter Lieferung

Trotzdem wolle man in Salzburg auch in Zukunft nur Termine vergeben, „die halten“ – und das sei eben nur dann der Fall, wenn ausreichend Impfstoff gesichert ist. Aufgrund der Lieferungen sei in Salzburg derzeit die Vergabe von Terminen, die bis Ende Juni reichen, möglich.

Auch in Tirol würden Termine nur nach Verfügbarkeit des Impfstoffs vergeben. An einer Impfpriorisierung führe kein Weg vorbei, sagte die Gesundheitsreferentin des Landes, Annette Leja (ÖVP). Indes kritisierte die Tiroler Ärztekammer die Impfstoffverteilung. Nach Pfingsten stehe für Erstimpfungen angeblich kein Impfstoff zur Verfügung – mehr dazu in tirol.ORf.at.

Der Vorsitzenden der Gesundheitskonferenz, Juliane Bogner-Strauß (ÖVP), zufolge bleibe man auch in der Steiermark bei der Priorisierung nach Alter. So hätten auch bereits „so gut wie alle über 50“ einen Impftermin erhalten können.

Sozialversicherungen künftig zuständig für Impfen?

Hacker schilderte in der Pressekonferenz auch, dass man sich die Frage nach der künftigen Zuständigkeit für das Impfen gestellt habe. Man sei sich einig gewesen, dass das Impfen künftig in der Verantwortung der Sozialversicherungen sein soll, und da soll es eine Selbstverständlichkeit und Teil der Prävention werden. Bisher sei das noch zu wenig der Fall.

Wie die Kassen die Impfungen finanzieren können, sei durchaus noch Verhandlungssache, so Hacker. Doch sie würden sich ja auch Kosten für Krankenstände ersparen, war sein Argument. An einen gemeinsamen Geldtopf, in den Bund, Länder und Sozialversicherungen einzahlen, könne man denken, meinte der Wiener Stadtrat.

Es müsse eine Entscheidung geben, ob Impfen wie bisher „Privatsache“ sei. Bogner-Strauß ergänzte, dass man sich bei Flächenbezirken weiterhin auch das duale System beim Impfen vorstellen könne: niedergelassene Ärzte und Impfstraßen als Ergänzung.

Behandlungszentren für „Long Covid“-Betroffene geplant

Gesprochen wurde auch über „Long Covid“-Ambulanzen. Seit Herbst zeichnet sich ab, dass es einen hohen Bedarf an Nachbehandlung gibt. Valide Zahlen fehlen zwar noch, aber von zehn bis zwölf Prozent der Genesenen ist bisher die Rede. Sie leiden teils an mannigfaltigen Folgen ihrer Infektion, von Lungenproblemen bis hin zu psychischen Auswirkungen. Bisher gibt es kaum Anlaufstellen für Betroffene, Landesrätin Bogner-Strauß nannte etwa eine Ambulanz in Graz und eine in Wien.

Bei jener in der steirischen Landeshauptstadt könnten derzeit lediglich zehn Personen pro Woche betreut werden, das sei viel zu wenig. Die Gesundheitsreferentinnen und -referenten waren sich einig, dass es wohl eigene Rehabilitationszentren brauchen werde. „Wir müssen Strukturen schaffen, um zu helfen, und es muss integrierte Konzepte für die Behandlung geben“, sagte Leja.

Weitere Themen der Konferenz, die eigentlich nicht im Zeichen des Coronavirus stehen hätte sollen, waren der Ausbau von Primärversorgungseinheiten, die Verbesserung der Ausbildung bei Pflegeberufen und in der Kinderpsychiatrie sowie eine Öffnung der Zulassung zum Medizinstudium. Zudem forderte man vom Bund mehr finanzielle Mittel zur Abdeckung der Coronavirus-Pandemie-Kosten.