Bundespräsident Alexander Van der Bellen
APA/Herbert Neubaer
Van der Bellen

Institutionen „ernst nehmen“

In einer auf Facebook ausgestrahlten Videobotschaft hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen am frühen Freitagabend Bevölkerung wie Politikerinnen und Politiker zu Respekt gegenüber den Institutionen der Republik aufgerufen. Diese Mahnung kommt inmitten der aufgeheizten Stimmung zwischen Regierungsparteien und Opposition rund um den „Ibiza“-U-Ausschuss.

Indirekt übte der Bundespräsident Kritik an der ÖVP: „Die Arbeit der Institutionen unseres Rechtsstaates muss ungestört und in Ruhe verrichtet werden können. Wir müssen diese Institutionen ernst nehmen. Sie sind sozusagen das Immunsystem unseres Staates, und wir dürfen nicht dulden, dass dieses geschwächt wird.“

Ohne die ÖVP zu benennen, sagte der Bundespräsident: „Zu versuchen, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss lächerlich zu machen, ist entbehrlich. Das ist bloße Polemik und trägt nichts zur Klärung eines Sachverhaltes bei.“

„Entbehrlich, Arbeit zu erschweren“

Und ohne Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) konkret zu nennen, meinte Van der Bellen: „Einen Auftrag des Verfassungsgerichtshofes erst zu befolgen, wenn es keinen anderen Ausweg mehr gibt, ist entbehrlich. Jeder Versuch, die Arbeit des Untersuchungsausschusses künstlich zu erschweren, ist entbehrlich. Denn es würde zeigen, dass man diese Institutionen nicht ernst nimmt.“

Blümel ließ zuletzt bestimmte Akten an den U-Ausschuss erst ans Parlament liefern, nachdem das Höchstgericht mit Exekution gedroht hatte.

Appell an Abgeordnete

Eine Mahnung hatte das Staatsoberhaupt aber auch für die Abgeordneten im U-Ausschuss parat: „Andererseits, auch jene, die im Untersuchungsausschuss ihr Fragerecht wahrnehmen, müssen ihre Funktion im Umgang mit dem Gegenüber und auch im Tonfall respektvoll wahrnehmen.“

Alle müssten sich an die Gesetze halten – auch Politiker und Politikerinnen, so der Bundespräsident. Es gelte aber auch für alle die Unschuldsvermutung: „Auch für Politikerinnen und Politiker. Ein Mensch, der nicht verurteilt ist, hat als unschuldig zu gelten. Das ist ein fundamentales Menschenrecht, das auch ausdrücklich in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgeschrieben ist. Und auch das haben wir alle ernst zu nehmen.“

Damit nahm der Bundespräsident unter anderem Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in Schutz, der im Zuge von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Falschaussage im U-Ausschuss mit Rücktrittsaufforderungen aus der Opposition konfrontiert ist.

„Politischer Anstand“ gefragt

Gleichzeitig mahnte der Bundespräsident auch „den politischen Anstand“ ein. Auch wenn das „ein wenig moralisierend“ klinge, so möchte er doch, „dass alle Verantwortlichen aufseiten der Regierung und aufseiten der Opposition hier ihr eigenes Gewissen erforschen“.

Und weiter: „Niemand wird Sie verhaften, wenn Sie beim Essen die Füße auf den Tisch legen. Aber tun Sie es lieber nicht. Ich jedenfalls wünsche mir mehr Respekt und Höflichkeit im Umgang miteinander. Auch deswegen, weil wir vor großen Aufgaben stehen. Um diese zu meistern, braucht es Dialog- und Gesprächsfähigkeit von allen Seiten und zuvor eine Abrüstung der Worte.“ Die Bevölkerung lud Van der Bellen ein, gemeinsam mit ihm nach all der Aufregung und dem politischen Streit der letzten Wochen „tief durchzuatmen und Abstand zu gewinnen“.

Geteilte Reaktionen

Die ÖVP sprach von einer „eindringlichen Mahnung zur Verbesserung der politischen Kultur“. Sie hob hervor, dass der Bundespräsident die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit betont habe, insbesondere den Grundsatz der Unschuldsvermutung. SPÖ und NEOS begrüßten ihrerseits die „klaren Worte“ Van der Bellens, sahen diese freilich vor allem gegen die ÖVP gerichtet.

Die FPÖ warf ihm wiederum „Herumeiern“ vor. Van der Bellen habe die wahre Adresse, nämlich die ÖVP, nicht genannt. Grünen-Chef und Vizekanzler Werner Kogler zeigte sich zufrieden und sprach von einer wichtigen Erinnerung an die „Fundamente unseres Rechtsstaats und der liberalen Demokratie“.

Filzmaier zur Botschaft des Bundespräsidenten

Politologe Peter Filzmaier analysiert die Videobotschaft von Bundespräsident Van der Bellen, in der er mahnende Worte an die heimischen Politiker richtet.

Filzmaier: „Er musste handeln“

Der Politologe Peter Filzmaier sagte in der ZIB2, Van der Bellen habe handeln müssen, es bestehe „objektiv Handlungsbedarf“, angesichts der sehr geringen Vertrauenswerte in die Institutionen der heimischen Politik, so würde etwa nur rund ein Drittel den Parteien und der Regierung vertrauen. Die Hauptbotschaft sei an die ÖVP gerichtet, aber auch die Opposition und der Koalitionspartner, die Grünen, sollten sich angesprochen fühlen.

Vor Pfingsten bestehe nun die Chance, dass über die Feiertage die betroffenen Akteure über seine Worte nachdenken würden und diese nicht sofort zerredet würden und er damit geschwächt dastehe. Filzmaier betonte zugleich, dass Van der Bellen außer Mahnen nicht mehr machen könne.