Bagger räumt Trümmer weg
AP/John Minchillo
Gazastreifen

Tausende nach Kämpfen obdachlos

Während die Waffenruhe im Nahen Osten anhält, laufen die Nothilfe und Gespräche über einen Wiederaufbau des stark zerstörten Gazastreifens an. Nach UNO-Angaben sind rund tausend Wohnungen in dem Palästinensergebiet zerstört, Tausende Einwohnerinnen und Einwohner wurden obdachlos.

US-Präsident Joe Biden kündigte an, er werde sich für einen „Wiederaufbau“ im Gazastreifen einsetzen, und betonte die Notwendigkeit einer Zweistaatenlösung. Auch Ägyptens und Israels Außenminister tauschten sich bereits über den Wiederaufbau des Gazastreifens aus. Unterdessen erreichten die ersten Hilfstransporte mit dringend benötigten Medikamenten, Lebensmitteln und Benzin den Gazastreifen über einen Grenzübergang zu Israel.

Der UNO-Sicherheitsrat rief beide Seiten zur „vollständigen“ Einhaltung der Waffenruhe auf – in einer am Samstag erstmals seit Beginn der Eskalation der Gewalt von allen Mitgliedern des Gremiums getragenen Erklärung, wie es auch diplomatischen Kreisen hieß. Zur Überwachung der Feuerpause trafen am Samstag zwei ägyptische Delegationen in Israel und den palästinensischen Gebieten ein, wie ägyptische Staatsmedien berichteten.

Waffenruhe hält

Die mit Hilfe von Ägypten verhandelte Waffenruhe zwischen den Konfliktparteien hielt die zweite Nacht in Folge. Im Gazastreifen bekamen die Fischer am Samstag die Erlaubnis, wieder aufs Meer zu fahren. Cafes und Geschäfte in dem schmalen Landstreifen öffneten wieder. Unterdessen suchten Rettungskräfte weiter nach Überlebenden unter Gebäudetrümmern der letzten israelischen Angriffe.

Verhandlungen in Israel

Am Samstag gingen die Gespräche über eine Festigung der Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas weiter. Laut US-Präsident Joe Biden könne es Frieden nur durch eine Zweistaatenlösung geben.

Die zuständige Vertreterin der Vereinten Nationen (UNO), Lynn Hastings, warb am Samstag dafür, den bereits seit 2014 bestehenden Wiederaufbaumechanismus für Gaza zu nutzen. Die UNO-Koordinatorin für den Nahost-Friedensprozess machte sich zwischen zerstörten Gebäuden in Gaza-Stadt ein Bild der Lage.

Nach Angaben des UNO-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) zwangen die israelischen Luftangriffe 91.000 Menschen im Gazastreifen zur Flucht aus ihren Häusern. Mindestens 6.000 Menschen wurden obdachlos, rund 800.000 Menschen haben keinen regelmäßigen Zugang zu Wasser.

US-Außenminister reist in Region

Um die Waffenruhe zu stabilisieren, will US-Außenminister Antony Blinken in die Krisenregion reisen. Er wird am Mittwoch und Donnerstag in Israel und von der Palästinensischen Autonomiebehörde im israelisch besetzten Westjordanland erwartet, wie eine mit den Plänen vertraute Person sagte.

Im Westjordanland regiert die mit der Hamas rivalisierende Organisation Fatah. Besuche in Ägypten und Jordanien stünden ebenfalls auf Blinkens Programm, sagte der Insider weiter.

250 Menschen bei Kämpfen getötet

Nach tagelangen schweren Angriffen auf beiden Seiten war in der Nacht auf Freitag eine Waffenruhe zwischen Israel und den militanten Palästinensergruppen in Kraft getreten. Sie folgte auf eine elftägige Gewalteskalation, durch die mehr als 250 Menschen auf beiden Seiten getötet und mehr als 2.000 weitere verletzt wurden, die meisten von ihnen Palästinenser.

Palästinensische Polizisten gehen durch die Trümmer des zerstörten Polizeihauptquartiers in Gaza-Stadt
APA/AFP/Emmanuel Dunand
Palästinensische Vertreter begutachten die Zerstörungen in Arafat Stadt

Zustande gekommen war die Feuerpause am Donnerstag unter Vermittlung Ägyptens. Sowohl Israel als auch die Palästinenser beanspruchten den „Sieg“ nach der Gewalteskalation für sich.

Biden: Zweistaatenlösung „einzige Antwort“

Nach der Zerstörung konzentriert sich die internationale Diplomatie auf den Wiederaufbau. US-Präsident Biden erhofft sich offenbar, mit dem Thema Druck auf die militanten Palästinenser aufbauen zu können. Beim Wiederaufbau müsse verhindert werden, dass sich die radikalislamische Hamas erneut bewaffne, sagte Biden.

Der Präsident betonte auch die Notwendigkeit einer Zweistaatenlösung. Die Zweistaatenlösung sei „die einzige Antwort“ im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern, sagte Biden. Der US-Präsident forderte angesichts der Lage in der Stadt ein Ende der Gewalt zwischen den beiden Volksgruppen in Jerusalem. Verantwortlich für die Zusammenstöße in der Stadt in den vergangenen Wochen seien „Extremisten“ auf beiden Seiten.

Israel: Deutlich härtere Reaktion im Fall neuer Angriffe

Israelische Minister haben unterdessen nach der Waffenruhe im Gaza-Konflikt bekräftigt, dass Israel künftig auf jeden Angriff aus dem Palästinensergebiet deutlich härter reagieren werde als zuvor. Finanzminister Israel Katz von der Regierungspartei Likud sagte dem Radiosender 103FM am Sonntag: „Für jeden Angriff auf den Süden muss es gezielte Tötungen von Hamas-Führern geben und Feuer auf Hamas-Ziele.“

Israel habe bisher aus Sorge vor einem Krieg immer vermieden, den ersten Schritt zu unternehmen. Das werde sich nun ändern, sagte Katz. Jahja al-Sinwar, Chef der islamistischen Hamas im Gazastreifen, werde für jeglichen Angriff „mit seinem Kopf bezahlen“.

Der israelische Siedlungsminister Zachi Hanegbi (Likud) ging im Gespräch mit dem TV-Sender Kanal 13 tags zuvor noch weiter: „Wir dürfen nicht auf Raketenangriffe warten.“ Auch eine neue Aufrüstung der Hamas mit Raketen wäre aus seiner Sicht ein Grund für Israel, einen Angriff zu initiieren. Er sprach von einer „totalen Veränderung der Gleichung“ gegenüber der Hamas. „Wir haben das nie getan, jetzt ist es an der Zeit, es zu tun.“