Ein Tablett mit Kaffee und einen Registrierungsblatt
APA/Barbara Gindl
Koalition

Weiter Hickhack um Öffnungen

Das Vorpreschen von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bezüglich weiterer Öffnungen sorgt weiterhin für koalitionsinternes Hickhack. Während ÖVP-Klubchef August Wöginger mit Kritik an Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) nachlegte, warf der Grünen-Gesundheitssprecher Ralph Schallmeiner der Volkspartei Fahrlässigkeit vor. Die FPÖ sah sich an einen Zank unter „Kerkermeistern“ erinnert.

Anlass der Unstimmigkeiten waren Ankündigungen durch Kurz, mit denen er einem Treffen mit Landeshauptleuten und Fachleuten kommenden Freitag vorgriff. Zunächst kündigte er für nächste Woche eine Entscheidung über eine weitere Lockerung der Maskenpflicht an, am Freitag legte er dann zwei Tage nach den großen Öffnungsschritten bei einem Besuch in Tirol mit der Ankündigung nach, bei Abstandsregeln, Quadratmeterbeschränkungen und Sperrstunden Erleichterungen vornehmen zu wollen. Mückstein bezeichnete den nicht akkordierten Vorstoß am Samstag als „entbehrlich“.

ÖVP-Klubchef Wöginger hielt Mückstein deshalb am Sonntag wiederum vor, dass dieser Menschen im Sommer Masken im Freien tragen lassen wolle. Dagegen wehre sich die Volkspartei – Zahlen alleine zählten nicht: „Man braucht auch ein Gespür für die Menschen und Hausverstand“, so Wöginger gegenüber der APA.

August Wöginger
ORF.at/Roland Winkler
ÖVP-Klubobmann August Wöginger tadelte den grünen Gesundheitsminister nach dessen Kritik am Kanzler

„Grund- und Freiheitsrechte niemals Luftschlösser“

Mückstein sagte im „Kleine Zeitung“-Interview, dass man im Sommer und auch im Winter „die Maskenpflicht grundsätzlich noch haben“ werde. Zu einer Maskenpflicht im Freien sagte er lediglich: „Über die Maskenpflicht outdoor werden wir reden können.“ Gegenüber „Österreich“ präzisierte er seine Angaben und sagte, dass die Maske jedenfalls in jenen Bereichen zum Einsatz kommt, wo die „3-G-Regel“ nicht angewendet wird, also etwa im Handel. „Bald überlegen“ will er, von der FFP2-Maske auf normalen Mund-Nasen-Schutz umzusteigen. Im Freien werde man von Masken „weitgehend abrücken“ können.

Ähnlich wie auch Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) sagte Wöginger nun: „Dass die Grund- und Freiheitsrechte niemals Luftschlösser sein dürfen, sollte jedem klar sein, insbesondere all jenen, die einen Eid auf die österreichische Verfassung geschworen haben“, richtete der ÖVP-Klubchef Mückstein aus.

Grünen-Gesundheitssprecher Schallmeiner warf der ÖVP im Gegenzug vor, den bereits akkordierten weiteren Weg aus der Pandemiebekämpfung fahrlässig zu verlassen. „Wenn die Menschen etwas brauchen, dann ist es Sicherheit. Was sie nicht brauchen, sind Luftschlösser und Ankündigungen, die nicht halten.“ Auch die letzten Meter der Pandemiebekämpfung müssten von Vernunft geleitet sein. Er gehe aber davon aus, dass sich die Spitzenrepräsentanten der Volkspartei von der Expertise Mücksteins überzeugen ließen.

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein und Bundeskanzler Sebastian Kurz
APA/Herbert Neubauer
„Entbehrlich“: Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) übte scharfe Kritik am Vorgehen von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP)

Kurz: Entscheidung über weitere Öffnungen am Freitag

Kurz selbst reagierte auf die Unstimmigkeiten bisher nicht. In einer Aussendung zeigte er sich aber erfreut über die aktuelle Entwicklung: „Dass die Sieben-Tage-Inzidenz erstmals seit letztem September bei einem Wert von 50 liegt, ist sehr erfreulich und zeigt, dass die Richtung stimmt. Als Bundesregierung handeln wir stets unter dem Grundsatz ‚So viel Freiheit wie möglich, so viel Einschränkung wie notwendig‘.“ Er verwies auf die nächste Abstimmungsrunde am kommenden Freitag. Dort werde über „die weiteren Öffnungsschritte im Juni und Juli“ entschieden.

Regierungsstreit um Öffnungen hält an

Das Vorpreschen von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bezüglich weiterer Öffnungen sorgt weiterhin für koalitionsinternes Hickhack. Während ÖVP-Klubchef August Wöginger mit Kritik an Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) nachlegte, warf der Grünen-Gesundheitssprecher Ralph Schallmeiner der Volkspartei Fahrlässigkeit vor.

Tags zuvor kritisierte der Gesundheitsminister das Vorpreschen des Kanzlers konkret mit den Worten: „Hier jetzt relativ unkonkrete Ankündigungen zu machen, halte ich ehrlich gesagt für entbehrlich.“ Er glaube nicht, dass das „einseitige Abgehen von dem gemeinsamen Prozess“ in „unserem Interesse“ sein könne, so Mückstein im Ö1-Morgenjournal. Weitere Lockerungen müsse man auf Basis von Daten und Fakten überlegen. „Unkonkrete Ankündigungen“ würden „eher für Verunsicherung in der Bevölkerung sorgen als für Orientierung“, sagte er auch.

Kickl rügt Koalition

FPÖ-Klubchef Herbert Kickl meinte in einer Aussendung Richtung Kurz, dieser müsse sich nicht wundern, dass Freiheitsbeschränkungen propagiert würden, wenn er sich einen „bekennenden Freund der Kommunisten“ in die Regierung hole. Die Debatte erwecke ohnehin den Anschein, „als würden sich zwei Kerkermeister über Freiheit unterhalten“. Gerade die ÖVP, die ganz Österreich in ihre Geiselhaft und unter Kontrolle genommen habe, werde hier keine Glaubwürdigkeit mehr erlangen.

Skeptisch zeigte sich auch der Vorarlberger Experte Armin Fidler, der als Regisseur der Testregion in seinem Bundesland gilt und in der CoV-Kommission sitzt. In den „Vorarlberger Nachrichten“ meinte er am Samstag in Richtung Kurz, wenn dessen Experten gute Experten seien, würden sie den Bundeskanzler vor vorschnellen Entschlüssen warnen: „Ich würde bis 1. Juli gar nichts ändern. Bis dahin sehen wir, was in Österreich mit der Öffnung passiert.“