Seilbahn-Absturz am Lago Maggiore
APA/AP/Vigili del Fuoco
Tote bei Gondelabsturz

Notbremse funktionierte nicht

Ein fünfjähriger Bub ist der einzige Überlebende des Seilbahnunglücks am Lago Maggiore in Italien am Sonntag. Er ist in kritischem Zustand und verlor bei dem Absturz einer Gondel seine Eltern, seinen zweijährigen Bruder und zwei Großeltern. Die Staatsanwaltschaft leitete indes Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung ein. Offenbar funktionierte die Notbremse nicht.

Der Bub wurde im Kinderkrankenhaus in Turin operiert und liegt auf der Intensivstation. Die israelische Familie des fünfjährigen Buben wohnte seit Jahren in der lombardischen Stadt Pavia, die in Israel lebenden Urgroßeltern des Buben und seines zweijährigen, getöteten, Bruders, waren zu Besuch. Die Familie hatte beschlossen, am Sonntag einen Ausflug an den Lago Maggiore zu unternehmen, der dann tragisch endete.

Zu den Opfern zählt auch ein iranischer Student, der in Rom lebte. Der 23-Jährige hatte seine 27-jährige Freundin besucht, die am Lago Maggiore arbeitete. Beide kamen beim Absturz ums Leben. Verunglückt ist auch ein junges Paar aus der lombardischen Stadt Varese, berichteten die Behörden. Ein Bub im Alter von neun Jahren erlag am Abend im Krankenhaus von Turin den schweren Verletzungen. Insgesamt starben 14 Personen bei dem Absturz.

Seilbahn-Absturz am Lago Maggiore
Reuters/Italienische Polizei
Die Bergung war wegen des unwegsamen Geländes sehr schwierig

Mit einem Trauertag gedachte die Kleinstadt Stresa am Lago Maggiore der 14 Todesopfer des Seilbahnunglücks. Die Geschäfte schlossen am Montag um 12.00 Uhr zu Ehren der Verunglückten. Die Glocken schlugen eine Minute lang für jedes der 14 Opfer. Die Fahnen in der Stadt wurden auf halbmast gesetzt.

Staatsanwaltschaft ermittelt

Die Staatsanwaltschaft der Gemeinde Verbania in der Region Piemont übernahm unterdessen die Ermittlungen. Sie ermittelt laut Medienberichten wegen fahrlässiger Tötung. Italiens Infrastrukturminister Enrico Giovannini sagte am Unglücksort Stresa, die Gründe für den Absturz würden aufgeklärt. Eine Kommission unterstütze die Ermittlungen.

Die Gondel der bei Touristen beliebten Seilbahn war nach Angaben der Behörden am Sonntag auf dem Weg von der Kleinstadt Stresa zum Gipfel des Berges Mottarone unterwegs, als sie gegen Mittag aus rund 20 Metern Höhe abstürzte. Die Ursache des Unglücks war zunächst unklar. Neben dem Seilriss muss die Staatsanwaltschaft auch prüfen, warum die Notbremse der abgestürzten Seilbahnkabine nicht funktioniert hat.

Ermittlungen nach Seilbahnabsturz

Die Staatsanwaltschaft der Gemeinde Verbania in der Region Piemont übernahm die Ermittlungen nach dem Seilbahnunglück.

Kabine für 40 Personen zugelassen

Eine Überlastung der Kabine scheint ausgeschlossen, da sie für etwa 40 Passagiere zugelassen ist. Die Seilbahn wurde laut „La Stampa“ zwischen 2014 und 2016 komplett überholt. Die Anlage wurde im Jahr 2014 geschlossen und am 13. August 2016 wiedereröffnet. Die Arbeiten kosteten vier Millionen Euro, berichtete das Blatt. Die Wartung umfasste eine Reihe von Eingriffen, darunter den Austausch der Motoren, der elektrischen Schalttafeln, der elektronischen Geräte und der Transformatoren. Die Seilbahn selbst wurde am 1. August 1970 eingeweiht und in Betrieb genommen.

Das Südtiroler Unternehmen Leitner, das für die Wartungen der Seilbahn zuständig ist, gab an, dass bei der letzten magnetinduktiven Seilprüfung im November 2020 „keine Unregelmäßigkeiten“ festgestellt worden seien. Die Prüfung erfolge jährlich. Auch nach der Generalüberholung der Bahn im Jahr 2016 sei die Anlage genau kontrolliert worden.

Eine abgestürzte Gondel der Seilbahnstrecke Stresa-Mottarone
AP/Italian Vigili del Fuoco Firefighters
Die Seilbahn stürzte in Gipfelnähe ab

Stresas Bürgermeisterin Marcella Severino sagte, Wanderer in der Nähe hätten vor dem Absturz ein lautes Zischen gehört, was auf einen Riss des Seiles hindeuten könne. Dann sei die Gondel nach ihrem Aufprall noch ein Stück den bewaldeten Berghang hinuntergerollt. Einige Menschen seien in der Gondel eingeschlossen und andere hinausgeschleudert worden.

Zahlreiche Wanderer unterwegs

Die bei Touristen beliebte Seilbahn verbindet in 20 Minuten den am Lago Maggiore gelegenen Urlaubsort Stresa mit dem fast 1.500 Meter hohen Berg, der einen spektakulären Blick auf den Lago Maggiore und die Alpen bietet. Wegen des schönen Wetters waren zahlreiche Ausflügler mit der Seilbahn unterwegs.

Die Seilbahn ist in zwei Abschnitte unterteilt, der zweite beginnt auf 803 Meter Höhe, wo sich ein berühmter botanischer Garten befindet, und erreicht den Höhepunkt unmittelbar vor dem Gipfel des Mottarone, wo sich auch der Unfall ereignete.

Landesweites Entsetzen

Das schwere Unglück sorgte landesweit für Entsetzen. Ministerpräsident Mario Draghi drückte in einer Erklärung seinen „tiefen Schmerz“ über den Verlust der vielen Menschenleben aus. Der Regionalpräsident des Piemont, Alberto Cirio, sagte, die Tragödie raube allen den Atem.

Cirios Kollege aus der benachbarten Region Ligurien, Giovanni Toti, sprach von einer absurden Tragödie, die sich genau zu dem Zeitpunkt ereigne, an dem Italien nach monatelangem Lockdown die Aufhebung der weitreichenden Beschränkungen genieße. Er sprach von einem „Sonntag der Wiedereröffnungen, der voller Hoffnungen sein sollte“.

Der Präsident der Region Piemont, Alberto Cirio, sprach von einer „Tragödie“ an einem Wochenende des Neustarts für den Tourismus. „Wir warteten mit Hoffnung auf den Sommer. Unsere Freude ist jetzt zerstört worden. Diese Tragödie hat Menschenleben und Hoffnungen zerstört“, so Cirio.