Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne)
ORF
Schon ab 10. Juni

Mückstein für frühere Öffnung

Das koalitionsinterne Hickhack über weitere Öffnungsschritte wandelt sich nun offenbar zu einer Art Wettlauf: Nachdem Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Rande des EU-Gipfels für weitere Lockerungen ab 17. Juni plädiert hatte, sagte der grüne Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein wenig später in der ZIB2, er könne sich die nächsten Schritte bereits eine Woche früher vorstellen.

Mückstein sagte, dass jene Vorschläge zu Lockerungen, die Kurz in den letzten Tagen medial kommuniziert hatte, aus dem Gesundheitsministerium stammten. Er sei nicht gegen weitere Öffnungsschritte, so Mückstein. Er habe nur einen „gemeinsamen Prozess“ gefordert. Ausgemacht gewesen sei, dass man die Öffnungen zunächst mit Fachleuten, Opposition und Ländern berate und dann gemeinsam am Freitag kommuniziere. Dass das durch Kurz’ Vorpreschen nun nicht möglich sei, kritisierte Mückstein. Denn eine klare Kommunikation sei wichtig, damit sich die Menschen auskennen, argumentierte er.

„Nach vorne schauen“

Aber es „macht nichts“, sagte Mückstein, offenbar bemüht, den Zwist der letzten Tage mit Kurz nicht weiter anzufachen. Er sagte , man solle nun in die Zukunft schauen und sich gemeinsam freuen. Ob es sich, wie sein Parteikollege und Vorarlberger Landesrat Johannes Rauch im „Standard“ meinte, um ein Ablenkungsmanöver der ÖVP von der drohenden Anklage von Kurz wegen Falschaussage vor dem U-Ausschuss handle, wollte Mückstein nicht bewerten.

Kurz hatte seinerseits zuvor – angesprochen auf Kritik Mücksteins in den letzten Tagen – gesagt, er wolle seinem „Stil treu bleiben“ und „kein schlechtes Wort“ über einen Regierungskollegen verlieren.

Keine Maskenpflicht mehr im Freien

Mückstein sagte, man habe sich mit Fachleuten genau angesehen, was möglich sei. So soll im Juni – ob am 10. oder 17., ist derzeit koalitionsintern offenbar noch nicht entschieden – die Maskenpflicht im Freibereich praktisch fallen. Diese gelte derzeit ohnehin nur noch bei Outdoor-Veranstaltungen, so Mückstein. Wenn dort die „3G-Formel“ (geimpft, getestet oder genesen) garantiert sei, sei die Maskenpflicht nicht mehr nötig.

Im Inneren müsse man schauen, welche Bereiche besonders gefährlich seien. Hier ist für Mückstein aber ab Juli teilweise auch ein Wechsel von FFP2-Masken zum einfachen Mund-Nasen-Schutz möglich. Das könnte etwa Schulen und Handel betreffen. Bleiben dürfte, das war zuletzt immer zu vernehmen, die FFP2-Pflicht etwa im Gesundheitsbereich.

Gesundheitsminister Mückstein: „Bin nicht gegen Lockerungen“

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) sagte in der ZIB2, er sei nicht gegen Lockerungen, sondern wünsche sich einen gemeinsamen Prozess. Die Lockerungspläne von ÖVP-Bundeskanzler Sebastien Kurz würden ohnehin den Vorschlägen entsprechen, die das Gesundheitsministerium am Donnerstag übermittelt hat.

Für spätere Sperrstunde

Mückstein plädierte auch für die Ausdehnung der Sperrstunde auf 24.00 Uhr und die Reduzierung des Mindestabstands von zwei auf einen Meter – und dass acht Personen zuzüglich Kinder in Innenräumen zusammenkommen können. Voraussetzung ist für ihn allerdings, dass die Gastronomie den „erfolgreichen Weg“ Wiens gehe, also Gäste und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die „3G-Regel“ erfüllen.

Mit 1. Juli seien dann jedenfalls weitere Lockerungen möglich. Dieses nächste Etappendatum hatte zuvor ebenfalls Kurz bekanntgegeben. Dann müsse man eher überlegen, welche Maßnahmen es überhaupt noch gebe, so Mückstein optimistisch. Grundlage der Überlegungen sei, dass zu diesem Zeitpunkt 40 Prozent vollimmunisiert sein und viele weitere zumindest die erste Impfung haben werden – dazu kämen noch 700.000 Genesene. Daher seien weitere Schritte dann „sehr leicht“ möglich – konkret nannte Mückstein Hochzeiten.

Mückstein kündigte zudem an, dass die EMA am Freitag die Impfung für Zwölf- bis 15-Jährige freigeben werde, sodass diese dann auch geimpft werden können.

Koalitionsstreit über Lockerungen

Die guten CoV-Zahlen und die Öffnungen haben über Pfingsten zu einem veritablen Krach in der Koalition geführt. Nachdem ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz weitere Lockerungen in den Raum gestellt hatte, sprach der grüne Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein von „Luftschlössern“ des Kanzlers und bremste.

Kurz: „Ich bin froh“

Kurz sagte in der Nacht auf Dienstag am Rande des EU-Gipfels in Brüssel: „Manchmal lösen sich Themen in der Innenpolitik innerhalb weniger Tag ganz von alleine auf. Ich bin sehr froh, ich bin sehr zufrieden, es sind jetzt alle der Meinung, dass Öffnungen richtig sind – und das ist gut so.“ Er freue sich, die entsprechenden Schritte am Freitag beschließen zu können. „Der Freitag wird ein guter werden“, so Kurz.

Bis Mittwoch wird der Kanzler telefonisch mit Sozialpartnern und Landeshauptleuten über deren Vorschläge diskutieren, am Freitag wird dann bei einem Treffen, zu dem auch Experten gebeten sind, entschieden. Kurz sah die aktuelle Entwicklung extrem positiv. Man gehe behutsam und vorsichtig vor. Aber wenn es möglich sei, werde gelockert.

Auch Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) reagierte am späten Montagabend erfreut, aber nicht ohne Spitze gegen Mückstein, dem sie ein „Einlenken“ attestierte. „Die Öffnungsschritte finden wie vom Bundeskanzler angekündigt statt, je früher, desto besser.“ Das soll in zwei Schritten erfolgen, einer eben am 17. Juni – oder eben auch früher, wie Köstinger sagte, ein weiterer Anfang Juli.

Ruf aus ÖVP-regierten Ländern nach Lockerungen

Auch aus den Ländern kamen weitere Rufe von ÖVP-Spitzenpolitikern, die weitere Lockerungen forderten – zuletzt etwa aus Vorarlberg und Niederösterreich. Landeshauptmann Markus Wallner nannte im ORF die 20-Quadratmeter-Regel für das Vereinswesen „viel zu streng“. Niederösterreichs Wirtschaftslandesrat Jochen Danninger will Lockerungen bei den Sperrstunden, für Thermen und Messen. Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) mahnte indes zur Vorsicht.

Für viele kommen die nunmehrigen Ankündigungen wohl eher überraschend: Die großen Öffnungsschritte liegen erst wenige Tage zurück, und wissenschaftlich ist nach so kurzer Zeit nicht einzuschätzen, wie sich diese auf die Pandemie auswirken. Bisher galt zumindest immer, dass Auswirkungen frühestens nach zwei Wochen abzuschätzen sind. Die Impfkampagne, auch von der Regierung immer wieder als „Gamechanger“ bezeichnet, geht freilich mit großen Schritten voran.

Auf der anderen Seite steht Vorarlberg, das Wochen vor dem Rest des Landes öffnete und als einziges Bundesland derzeit bei der CoV-Ampel auf Rot geschaltet ist. Die dortigen Öffnungen und die daraus gewonnenen Erfahrungen waren von der Regierung auch stets als Richtschnur für Öffnungsschritte im Rest des Landes bezeichnet worden.

Kickl: „Linke Hand weiß nicht, was die rechte tut“

Die Vorgehensweise der Regierung zeigt laut FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl hingegen, „dass die linke Hand nicht weiß, was die rechte tut. Das ist eigentlich ein unhaltbarer Zustand.“ Es sei „pervers“, von Öffnungsschritten zu sprechen, die am Freitag verkündet werden sollen, wenn man zuvor am Mittwoch und Donnerstag den „Grünen Pass“ in Bewegung setze „und damit den größter Tabubruch begeht, indem man ein System der gesundheitspolitischen Apartheid etabliert“, sagte Kickl am Dienstag im Ö1-Morgenjournal-Interview. „Das werden wir nicht widerstandslos hinnehmen, dass man den Österreichern hier die Freiheit nimmt.“

Kickl kritisierte auch den Eigenmittelbeschluss der EU mit dem 750 Mrd. Euro schweren Coronavirus-Aufbaufonds als „schönfärberisches Vokabel für eine gigantische Schuldenunion, die noch Generationen belastet“. Dabei handle es sich um eine „Gesamtänderung der österreichischen Verfassung“, für die es eine Volksabstimmung brauche. Kickl appellierte an Bundespräsident Alexander Van der Bellen, dieses Gesetz nicht zu unterschreiben, weil es nicht verfassungskonform zustande komme.