Peruanische rechtspopulistische Hardlinerin Keiko Fujimori und ihr sozialistischer Kontrahent Pedro Castillo
AP/Francisco Vigo
Peru

Schlagabtausch der politischen Extreme

Peru steht vor einem Schlagabtausch der politischen Extreme: Die rechtspopulistische Hardlinerin Keiko Fujimori und der Sozialist Pedro Castillo treten bei der Stichwahl um das Präsidentenamt am 6. Juni gegeneinander an. Zuletzt erschütterte ein Terroranschlag den Wahlkampf in dem südamerikanischen Land.

Castillo stammt aus der Provinz Chota im Norden des Landes und hatte 2017 landesweit Bekanntheit erlangt, als er einen Lehrerstreik anführte. Die Regierung warf ihm damals Verbindungen zu Sympathisanten der linken Untergrundorganisation Sendero Luminoso (Leuchtender Pfad) vor. Castillo gehört der marxistisch-leninistischen Partei Peru Libre (PL, Freies Peru) an und vertritt wirtschaftspolitisch linke bis linkspopulistische Positionen.

Im Falle eines Wahlsiegs will der ehemalige Lehrer Infrastruktur und Rohstoffförderung verstaatlichen, die Ausgaben für Bildung und Gesundheit erhöhen, das Pensionsalter senken, die Medien stärker kontrollieren und das Verfassungsgericht abschaffen. Auf der anderen Seite gilt der 51-Jährige gesellschaftspolitisch als sehr konservativ: Er befürwortet die Todesstrafe, den Austritt Perus aus der Amerikanischen Menschenrechtskonvention und ist gegen gleichgeschlechtliche Partnerschaften und die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen.

Peruanischer Sozialist Pedro Castillo
APA/AFP/Gian Masko
Der ehemalige Lehrer Castillo will einen sozialistischen Staat aufbauen

Unversöhnliche Positionen

Zu anderen politischen Vorschlägen gehören die Schaffung von paramilitärischen Gruppen und die Militarisierung der peruanischen Jugend, um eine revolutionäre Erfahrung zu fördern. Er rief die Bürger auf, sich zu bewaffnen, um durch eine „sozialistische Verwaltung“ für Gerechtigkeit zu sorgen. Castillo distanzierte sich aber vom Kommunismus und Chavismus.

Das hält seine Gegnerin Fujimori jedoch nicht davon ab, diese Bezeichnungen weiter im Kontext mit seiner Person zu verwenden. „Der Kommunismus kann nur lügen“, sagte die Vorsitzende der rechtspopulistischen Partei Fuerza Popular (FP, Volkskraft), die sich bereits zum dritten Mal um das Präsidentenamt bewirbt und die Tochter von Ex-Präsident Alberto Fujimori (1990–2000) ist. Sie steht für eine liberale Wirtschaftspolitik und eine Sicherheitsstrategie der harten Hand. Unter anderem sollten private Investitionen gefördert, die Todesstrafe eingeführt und mehr Gefängnisse gebaut werden.

Peruanische rechtspopulistische Hardlinerin Keiko Fujimori
APA/AFP/Cesar Bazan
Die Diktatorentochter Fujimori will ihren Vater aus dem Gefängnis befreien

Begnadigung für den Vater?

In den vergangenen Jahren war die 46-Jährige allerdings selbst mehrfach in Untersuchungshaft. Gegen Fujimori ist ein Verfahren wegen Geldwäsche, Korruption und Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation anhängig, wobei ihr bis zu 30 Jahre Gefängnis drohen können. Aber auch PL-Gründer und Generalsekretär Vladimir Cerrin sitzt derzeit wegen Korruption eine Freiheitsstrafe in Hausarrest auf Bewährung ab.

Auch Fujimoris Vater Alberto Fujimori verbüßt wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen eine 25-jährige Haftstrafe. In seiner Amtszeit ließ er im Kampf gegen den Sendero Luminoso seine Sicherheitskräfte rigoros gegen linke und angeblich subversive Kräfte vorgehen, das Parlament wurde entmachtet. Zudem wurden Zehntausende indigene Frauen zwangssterilisiert. Nach der Scheidung der Eltern galt Keiko Fujimori jahrelang als First Lady und begleitete ihren Vater auf zahlreichen Auslandsreisen. Im Falle eines Wahlsiegs will sie ihren Vater begnadigen.

Fujimori für Vargas „kleineres Übel“

Der peruanische Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa sprach sich vor der Stichwahl für Fujimori aus. „Die Peruaner sollten für Keiko Fujimori stimmen, denn sie repräsentiert das kleinere Übel“, schrieb Vargas Lllosa in einer Kolumne, die in mehreren spanischen und lateinamerikanischen Zeitungen, wie etwa „El Pais“ erschien. „Mit ihr an der Macht gibt es mehr Möglichkeiten, unsere Demokratie zu retten“, so der 85-jährige Schriftsteller.

Castillo bezeichnete Vargas Llosa als „Provinzlehrer“. Die Ideen, denen er folge, seien von „seinen zwei Meistern“, dem Ecuadorianer Rafael Correa und dem Bolivianer Evo Morales, inspiriert. Seine Regierung werde eine Kopie des Sozialismus des 21. Jahrhunderts sein. Vargas Llosa ist eigentlich seit Jahrzehnten ein Gegner von Fujimori und ihrem Vater, gegen den er in der Stichwahl um das Präsidentenamt 1990 selbst verlor.

13,4 Prozent reichten für Platz zwei

Im ersten Wahlgang am 11. April holte Castillo 19 Prozent der Stimmen, Fujimori landete mit 13,4 Prozent der Stimmen auf Platz zwei. Insgesamt buhlten 18 Kandidatinnen und Kandidaten um die Stimmen der 24,5 Millionen Bürgerinnen und Bürger. Derzeit wird das südamerikanische Land vom Übergangspräsidenten Francisco Sagasti geführt.

Proteste gegen die rechtspopulistische Hardlinerin Keiko Fujimori in Peru
AP/Martin Mejia
Aufgeheizte Stimmung vor der Stichwahl am 6. Juni

In Peru herrscht Wahlpflicht, dennoch gingen rund 30 Prozent nicht zu den Urnen. Viele wiederum gaben an, trotz der Angst vor einer Coronavirus-Infektion gewählt zu haben, um die Strafe von umgerechnet rund 20 Euro zu vermeiden.

Pandemie und Politskandale

Dabei leidet Peru besonders stark unter der Coronavirus-Pandemie: Es gehörte zeitweise zu den Ländern mit der höchsten Sterblichkeitsquote weltweit, zudem brach die Wirtschaft um 12,9 Prozent ein, hinterließ drei Millionen Arbeitslose und führte fast acht Millionen Peruaner in die Armut.

Peru hat seit dem Beginn der Pandemie knapp 1,9 Millionen Coronavirus-Infektionen registriert. Die für die Behandlung der schwer erkrankten Covid-19-Patienten verfügbaren Krankenhausbetten sind voll besetzt und die Sauerstoffvorräte knapp. Zugleich schreitet der Impfprozess nur langsam voran, bisher sind nur drei Prozent der Bevölkerung geimpft.

Nach einer Reihe von Skandalen ist zudem das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die politische Klasse des Anden-Staats tief erschüttert: Gegen etwa die Hälfte der Parlamentarier wird wegen verschiedener Vergehen ermittelt. Das künftige Staatsoberhaupt muss zunächst das Vertrauen in die Politik wiederherstellen: Weniger als die Hälfte der Peruaner hält die Demokratie für die beste Regierungsform.

Tote bei Terroranschlag

Zuletzt erschütterte außerdem ein Anschlag das Land. Mutmaßliche Rebellen töteten am Sonntag in einer Bar im zentralperuanischen Dorf San Miguel del Ene 16 Menschen – darunter auch zwei Kinder, teilte das peruanische Verteidigungsministerium mit. Die Leichen der Minderjährigen und vier weiterer Opfer seien verbrannt worden. Hinter dem Angriff steckt nach Einschätzung des Militärs der Sendero Luminoso (Leuchtender Pfad). In einem am Tatort zurückgelassenen Bekennerschreiben riefen die Täter dazu auf, bei der Präsidentschaftswahl am 6. Juni nicht für Fujimori zu stimmen.

„Ich bedauere, dass es in unserem Land wieder zu blutigen Gewalttaten kommt. Die Terrorgruppen wollen uns lähmen und Angst säen – das werden wir nicht zulassen“, sagte Fujimori. „Ich spreche den Familien der Opfer mein Beileid aus und unterstütze die Polizei und die Streitkräfte. Wir müssen unser Vaterland verteidigen und am 6. Juni zur Wahl gehen.“ Sagasti verurteilte die Bluttat: „Ich habe einen Einsatz der Streitkräfte und der Polizei in der Region angeordnet. Dieser Terrorakt darf nicht ungesühnt bleiben.“