Matthias Purkart
ORF.at/Peter Pfeiffer
WKStA-Staatsanwalt

Weiter „Störfeuer“ bei „Ibiza“-Ermittlungen

Nach Ex-„SoKo Tape“-Chef Andreas Holzer ist im „Ibiza“-U-Ausschuss Oberstaatsanwalt Matthias Purkart von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) befragt worden. Es gebe weiterhin „Störfeuer“ im Zuge der Ermittlungen, sagte er am Dienstag. Jüngste Eskalation sei eine Dienstaufsichtsprüfung im Zuge der Ermittlungen gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gewesen.

In seiner Eingangsstellungnahme beklagte Purkart, der schon einmal im U-Ausschuss befragt wurde, dass es weiterhin „Störfeuer“ im Zuge der Ermittlungen gebe. So würden „mediale Vorwürfe“ und ausufernde Berichtspflichten die Ermittlungen konterkarieren, so Purkart. Mit Hinweis auf die Befragung seiner Ex-Kollegin Christine Jilek sagte der Oberstaatsanwalt, dass es Dienstaufsichtsprüfungen „ohne Anlass“ gebe, zuletzt rund um die Ermittlungen der WKStA zum Verdacht der falschen Aussage durch Kurz.

Der WKStA sei von der Aufsichtsbehörde, der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, vorgeworfen worden, es sei nicht klar, warum anderen Verfahrensbeteiligten Einsicht in die Verständigung gewährt worden sei. Die WKStA habe also gesetzwidrig und nicht mit der gebotenen Sorgfalt gehandelt, zitierte Purkart die OStA sinngemäß. Die Auskunftsperson zeigte sich überrascht, weil man in anderen Fällen „immer gleich“ vorgegangen sei.

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Bereits zum zweiten Mal ist Oberstaatsanwalt Purkart im U-Ausschuss befragt worden

Warum dieses Vorgehen nun beim 28. Mal – bei Kurz – infrage gestellt werde, dazu „fällt mir kein Grund ein“, so Purkart. Die Prüfung bedeute nun, dass man neben den Ermittlungen auch noch mit der eigenen Verteidigung beschäftigt sei. Justizministerin Alma Zadic (Grüne) sagte am Donnerstag im Ö1-Morgenjournal, dass die Prüfung ergeben habe, dass die WKStA rechtens gehandelt habe. Auf ORF.at-Nachfrage hieß es aus der Staatsanwaltschaft, dass man davon noch nicht wisse. Im Zuge der Prüfung habe man eine Stellungnahme zu den Vorwürfen, die WKStA habe nicht rechtens gehandelt, abgegeben. Mehr könne man dazu nicht sagen, so ein Sprecher.

Dienstaufsichtsprüfung gegen WKStA: Korrekt gehandelt

Das Justizministerium legte – ebenfalls am Donnerstag – auf Anfrage des „Standard“ dar, wie die Prüfung zustandekam. Die WKStA hatte von sich aus einen Bericht an die OStA Wien übermittelt, um über die erfolgte Verständigung an die Beschuldigten, dass Ermittlungen laufen, zu informieren. „Aus der veröffentlichten Verständigung war zu erkennen, dass diese durch einen Verteidiger an die Medien gelangt ist. Dieser Bericht der WKStA wurde von der OStA Wien im Rahmen der Dienstaufsicht geprüft“, so das Justizressort.

Es sei nun auch geprüft worden, ob die Gewährung von Akteneinsicht durch die WKStA rechtmäßig erfolgt ist. Im Raum sei gestanden, dass die Akteneinsicht für die Verteidiger anderer Beschuldigter in dem Akt zu weit gewährt worden sei. Es sei nun ein Bericht der WKStA zu dem Fall angefordert und der zuständigen Sektion im Justizministerium übermittelt worden. „Aus Sicht der zuständigen Sektion bestand kein Erklärungsbedarf für das Handeln der WKStA. Es entspricht vielmehr dem üblichen Vorgehen. Die WKStA hat hier korrekt gehandelt. Dienstrechtliche Konsequenzen stehen damit keine im Raum.“

Nun sei der Berichtsauftrag „im Einvernehmen zwischen OStA Wien und Bundesministerium für Justiz im Laufe des Dienstags vor dem medialen Bekanntwerden des Sachverhalts zurück genommen“ worden, heißt es aus dem Ressort. Die WKStA sei darüber seit Dienstagnachmittag informiert.

Blümel-Ermittlungen im Fokus

Am Dienstag sagte Purkart im U-Ausschuss, dass bei der WKStA ständig nach Fehlern gesucht werde. „Diese Fehlersuche stört mich“, sagte er. Es wäre einfacher und schneller zu fragen, warum die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte das so machen, umso mehr, als das Vorgehen der Judikatur entspreche. Mit Weisungen und Nachfragen könne er leben.

Gefragt nach der Hausdurchsuchung bei Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), sagte der Staatsanwalt, es habe am 1. Februar eine Information von Anwalt Werner Suppan an ÖVP-Berater Stefan Steiner und ÖVP-Generalsekretär Axel Melchior über den Vorlagebericht über den Beschuldigtenstatus von Blümel gegeben. Das habe die Auswertung von Blümels Handy ergeben. Er gehe davon aus, dass Blümel zu dem Zeitpunkt von seinem Beschuldigtenstatus erfahren habe. Kurz zuvor war das Aktenstück, in dem Blümel als Beschuldigter geführt wird, an den U-Ausschuss gegangen. Laut Suppan war seine Anfrage an die WKStA eine „Routineanfrage“.

Nach Suppans Begehr habe man in der WKStA reagiert und die Durchsuchung vorgezogen, damit nichts gefährdet werde. Am Ende kam Blümel mit seinem Anwalt Suppan in die Räumlichkeiten der WKStA, um den Verfahrensstatus in der Causa Casinos zu klären. Es folgte die Hausdurchsuchung. Die WKStA ermittelt gegen Blümel wegen Bestechlichkeit im Zusammenhang mit einem Spendenangebot von Novomatic an die ÖVP. Es habe keine Weisungen in dem Fall gegeben, so Purkart, der auch angab, dass es nach der ersten Sichtung nicht so aussehe, dass etwas von Blümels Laptop gelöscht worden sei.

Berichtspflichten laut WKStA enorm

Berichtspflichten und Weisungen hatten die Mitglieder der WKStA, die rund um den Inhalt des „Ibiza-Videos“ ermitteln und infolgedessen auch weitere Verfahren eingeleitet haben, schon öfters beklagt. Zuletzt hatte die frühere WKStA-Staatsanwältin Jilek mit ihren Aussagen über „Störfeuer“ für Aufmerksamkeit gesorgt. Im Zuge der Schredderaffäre habe sie wegen einer „Kleinigkeit“ eine Ausstellung (Rüge, Anm.) von der OStA Wien erhalten. Sie verließ die WKStA und ist heute Richterin in Graz.

Den Abgang von Jilek bezeichnete Purkart als „Riesenverlust“. Durch die „Störfeuer“ verliere man Spitzenkräfte, und am Ende würde es zu langsameren und schlechteren Ermittlungen führen. Das schade dem gesamten Rechtsstaat, so der Oberstaatsanwalt. Ähnlich hatte sich schon seine Chefin, Ilse-Maria Vrabl-Sanda, in ihrer „Ibiza“-Befragung geäußert. Man führe zig Verfahren, zum Teil auch hochkomplexe und hochpolitische. Demgegenüber würden Berichtspflichten stehen, die man erfüllen müsse.

Laut Purkart seien die Berichtspflichten überschießend. Sie würden nicht der Information dienen, es müsse das „richtige Maß“ herrschen. „Wir haben viele Verfahren, bei denen die Ermittlungen länger dauern, und in denen ständig Berichte vorzulegen sind“, betonte er weiter und nahm auch Justizministerin Zadic in die Pflicht. Sie müsse sich darum kümmern, dass die WKStA und andere Staatsanwaltschaften unabhängig ermitteln können. Berichte behinderten das zum Teil. Die OStA und auch das Ressort hatten aber auch mehrmals argumentiert, dass Berichte im richtigen Maß der Qualitätskontrolle dienen.

Causa Pilnacek – Fuchs

Derzeit ermittle man in sehr vielen Komplexen, die allesamt einen gewissen Zusammenhang hätten – personell wie auch sachlich. Und: „Da spielt sich auch einiges hinter den Kulissen ab“, sagte Purkart. Das Justizministerium habe etwa aktiv nach „Fehlern“ im Ressort gesucht. Beim suspendierten Sektionschef im Justizressort, Christian Pilnacek, habe man ein Dossier gefunden, das die WKStA aber nicht erhalten habe. Die ÖVP fragte, ob die WKStA nie Fehler mache. Alle würden Fehler machen, so die Auskunftsperson. Man müsse aber nicht gleich eine Dienstaufsichtsprüfung einleiten.

SPÖ-Mandatarin Katharina Kucharowits wollte wissen, ob Purkart glaubt, dass der Leiter der OStA Wien, Johann Fuchs, den Blümel-Akt an Pilnacek, der nicht mehr für Einzelstrafsachen zuständig gewesen ist, weitergeleitet habe. Der Oberstaatsanwalt bejahte, weil es Hinweise gebe, dass die Unterlagen von Fuchs abfotografiert oder gescannt worden seien und er auch Zugriff auf den Akt hatte. Ob Blümel auf die Hausdurchsuchung vorbereitet wurde, wisse er nicht. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck ermittelt wegen des Verdachts des Amtsgeheimnisverrats.

Andreas Hanger (ÖVP)
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ÖVP-Fraktionschef Andreas Hanger sorgte mit einer unterstellenden Frage für eine Geschäftsordnungsdebatte

Purkart wehrte sich gegen den Vorwurf, dass aus der WKStA Akten geleakt werden. ÖVP-Fraktionschef Andreas Hanger fragte nach, ob er „indirekt“ Sachen leake. Der Oberstaatsanwalt widersprach. Hanger hatte schon zu Beginn für eine kurze Geschäftsordnungsdebatte gesorgt. Für ihn seien die Antworten von Purkart „gekünstelt“, was ihn zur Frage veranlasste, ob sich der Oberstaatsanwalt in den letzten vier Wochen mit NEOS-Fraktionschefin Stephanie Krisper getroffen habe. „Das kann ich ausschließen“, so Purkart. Grünen-Mandatar David Stögmüller fragte in Richtung Hanger: „Was soll der Schas da?“

Etwas später hielt Hanger zudem fest, dass die Auskunftsperson „alles und jedes kritisiert“, und das sei „empörend“, so der ÖVP-Fraktionsvorsitzende. Er empfahl dem Oberstaatsanwalt eine Reflexion, nur so könne es zu einer gedeihlichen Zusammenarbeit in der Justiz kommen. Für den Verfahrensrichter war Hangers Stellungnahme zulässig. Das kommt immer wieder im U-Ausschuss vor.

Purkart geht von weiteren Erkenntnissen aus

Seit seiner letzten Befragung im Juni 2020 sei einiges passiert, wie Purkart sagte. Die jüngsten Chats von ÖBAG-Chef Thomas Schmid seien eine „reiche Erkenntnisquelle“. Die Auswertungen seien sehr umfangreich, es müsse akribisch zusammengesetzt werden. Dabei gebe es ständig neue Erkenntnisse, und er gehe davon aus, dass noch weitere hinzukommen werden, bis die Ermittlungen abgeschlossen sind. Das Arbeitsklima mit der „SoKo Tape“ sei „weiterhin problemlos“, so Purkart, der die operativen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Sonderkommission meinte.

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Purkart berichtete wie schon seine frühere Kollegin Jilek von „Störfeuer“

Mittlerweile arbeite auch das Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) mit. Die SoKo werte die Daten im Casinos-Komplex aus, die BAK in der Sache Novomatic. Das Ermittlungstempo sei nicht auf dem Level, wie man es gerne hätte. Aber das liege an den mangelnden Ressourcen und nicht an einem mangelnden Bemühen. Bis zum 15. Juli werde sich die Auswertung der Schmid-Chats nicht ausgehen, sagte Purkart auf Nachfrage der SPÖ. Mitte Juli endet die Beweismittelaufnahme des U-Ausschusses, der nicht verlängert wird.

Zuvor hatte – ebenfalls zum zweiten Mal – der frühere Leiter der „SoKo Tape“ und nunmehrige Bundeskriminalamtschef (BK) Holzer auf die Fragen der Abgeordneten geantwortet. Die SoKo habe im Zusammenhang mit dem „Ibiza-Video“ bis dato insgesamt 55 Audio- und Videodateien ausgewertet und den Staatsanwaltschaften übermittelt, berichtete er. Darunter seien auch Videos von Vorbereitungstreffen oder Zusammenschnitte von bereits bestehenden Videos gewesen, so Holzer.