Nachtgastronomie in der Wiener Innenstadt
Reuters/Lisi Niesner
Coronavirus

Weitere Öffnungen am 10. Juni fix

Nach tagelangem koalitionsinternem Hickhack scheint es nun Einigkeit über einen Termin für die nächsten Öffnungsschritte zu geben. Ein Sprecher im Bundeskanzleramt bestätigte gegenüber ORF.at, dass es – wie bereits von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) angekündigt – am 10. Juni weitere Lockerungen geben soll.

Am Montag hatte Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) die nächsten Lockerungen für 17. Juni angekündigt, Mückstein hatte daraufhin in der ZIB2 gemeint, er könne sich schon den 10. Juni als Stichtag vorstellen. „Ich bin froh, dass jetzt alle auf Öffnungskurs sind“, sagte Kurz dann am Rande des EU-Gipfels in Brüssel in der Nacht auf Dienstag. Die genauen Details werden wohl im Zuge der Beratungen der Regierung mit Landeshauptleuten und Expertinnen wie Experten am Freitag fixiert.

Einiges wurde jedoch bereits im Vorfeld bekannt. Geplant sind – bei Erfüllung gewisser Voraussetzungen – laut dem Gesundheitsminister Lockerungen der Maskenpflicht, die Verlegung der Sperrstunde auf 24.00 Uhr, die Verdoppelung der Personenzahl pro Tisch und das Erlauben größerer Feiern wie Hochzeiten.

Aus dem Gesundheitsministerium wurde gegenüber ORF.at auf die Frage, ob es nicht zu früh für weitere Lockerungen sei, da die Folgen der jüngsten Öffnungen noch nicht abzuschätzen sind, betont, dass man jetzt bereits für die nahe Zukunft planen müsse. Dazu sind etwa auch neue Verordnungen nötig. Diese Pläne erstelle man auf Grundlage der Prognosen der Fachleute. Sollte sich die Datenlage ändern, werde man auch die Pläne entsprechend adaptieren.

Viele Wünsche der Länder

Auch am Dienstag meldeten sich mehrere Landeshauptleute zu Wort und forderten weitere Lockerungen – und zwar von ÖVP- wie von SPÖ-Seite. Am Freitag berät die Regierung ja mit Fachleuten und Landeshauptleuten über die nächsten Schritte. Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) verwies auf die wirtschaftliche Bedeutung einer späteren Sperrstunde. Nur so seien auch Festivals wie im Steinbruch St. Margarethen überhaupt umsetzbar. Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) verwies darauf, dass weitere Öffnungen auch für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wichtig seien.

Der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) will die Einreise erleichtern. Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) sagte, ob nun am 10. oder 17. Juni die nächsten Schritte erfolgten, sei egal, wichtig sei, dass weiter geöffnet werde.

Mikl-Leitner: Hickhack entbehrlich

Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sprach sich dafür aus, „so früh wie möglich die weiteren Öffnungen einzuleiten“. Die Situation in Niederösterreich habe sich deutlich entspannt, teilte Mikl-Leitner auf APA-Anfrage mit: „Darum können und müssen jetzt auch die Regelungen des Zusammenlebens rasch und deutlich gelockert werden.“

Sie kritisierte auch das jüngste Hickhack zwischen ÖVP und Grünen in der Angelegenheit als „mehr als entbehrlich“. Wie sich jetzt herausstelle, „wollen alle dasselbe, nämlich rasch und verantwortungsvoll weiter zu öffnen“.

Analyse von Hans Bürger (Leiter ZIB- Innenpolitik)

Erleben wir derzeit einen Wettlauf der Regierungsparteien, wer die bessere „Öffnungpartei“ ist? Und wie bekommt fdas dem Koalitionsklima? Hans Bürger analysiert.

Platter will Musikproben erlauben

Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) drängte erneut auf Erleichterungen vor allem für Vereine und Kulturveranstalter. Mit der aktuellen 20-Quadratmeter-Regelung seien Musik- und Chorproben und auch das Vereinsleben „praktisch unmöglich“, begründete Platter seine Forderung nach Lockerungen.

Abwartend gaben sich lediglich der Wiener und der Kärntner Landeshauptmann, Michael Ludwig und Peter Kaiser (beide SPÖ). Ein Rückschlag wäre schlimm, so Kaiser. Ludwig verwies auf am Donnerstag von der Stadt Wien anberaumte Gespräche mit Fachleuten.

Rendi-Wagner rät zu Vorsicht

SPÖ-Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner hält Lockerungen in den nächsten Wochen für angebracht – aber die Ärztin pocht auf Vorsicht. Man dürfe „nicht alle Regeln von einem Tag zum anderen über Bord werfen“, sagte sie in der ZIB2.

Auf die Maskenpflicht kann man ihrer Meinung nach im Freien verzichten, nicht aber bei unkontrollierten Menschenansammlungen in Innenräumen wie etwa im Handel. Denkbar wäre da eine Umstellung auf Mund-Nasen-Schutz. Auch eine schrittweise Ausdehnung der Sperrstunde auf 24.00 Uhr oder die Herabsetzung der Quadratmetervorgabe auf zehn hält Rendi-Wagner für machbar.

SPÖ-Chefin Rendi-Wagner zu neuen Lockerungen

Die Regierungsparteien überschlagen sich derzeit mit Öffnungsankündigungen. Auch die Landeshauptleute wollen weitere Lockerungen. Vor allem jene der ÖVP, aber auch Hans Peter Doskozil von der SPÖ. Dazu in der Medienlounge zu Gast: SPÖ-Bundesparteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner.

Wirtschaft für Ende der Quadratmeterregel

Sollten Erleichterungen für die Gastronomie kommen, müsse es selbstverständlich „auch eine Verbesserung für den Handel geben“, kamen auch Forderungen vonseiten der Wirtschaft. Laut Wirtschaftskammer-Handelsobmann Rainer Trefelik ist das vor allem für kleine Geschäfte nötig. Er forderte daher insbesondere die Aufhebung der 20-Quadratmeter-Regel, damit mehr Kundinnen und Kunden gleichzeitig in Geschäften sein können. Der Handelsverband forderte zudem die Rückkehr zum Mund-Nasen-Schutz in Geschäften.

Von der Opposition drängte NEOS auf möglichst „sofortige“ Öffnungen und zeigte naturgemäß kein Verständnis für das regierungsinterne Geplänkel. Geht es nach Gesundheitssprecher Gerald Loacker, soll etwa die Maskenpflicht in den Schulen ebenso fallen wie in Fußballstadien.

Unterstützung von Fachleuten

„Im Moment macht das keinen Unterschied“, meinte Simulationsexperte Niki Popper (Technische Universität Wien) am Dienstag zur Frage, ob es bei weiteren Lockerungen auf eine Woche auf oder ab ankommt, also ob am 10. oder 17. Juni weitere Öffnungsschritte erfolgen. Auch der Wiener Komplexitätsforscher Peter Klimek (Complexity Science Hub Vienna) sieht nur einen geringen Unterschied.

Man habe schon vorher gewusst, dass die Situation mit den Impfeffekten ab Mitte Mai sehr stabil sein werde. Und das werde auch so bleiben, so Popper. „Gut, dass wir etwas gemacht haben“, kommentierte er die Maßnahmen, die im Februar und März getroffen wurden. Man dürfe auch nicht alles fahren lassen. „Überspitzt gesagt: Händewaschen wäre schon noch gut“ – damit auch im Herbst die Situation stabil bleibe. Bei aller Freude über die guten Zahlen müsse man weiter vernünftig sein – insbesondere in Sachen Impfen.

Was die Aufhebung bzw. Lockerung der Maskenpflicht betrifft, sei er der falsche Ansprechpartner. Sicher seien wenige Kontakte im Inneren besser. „Alles outdoor ist von Vorteil“, sagte Popper.

Starker Abschwung vorbei

Eine genaue Aussage könne er nicht treffen, stellte Klimek fest, da man auch noch nicht wisse, wie die weiteren Öffnungsschritte konkret aussehen werden. Den sehr starken Abschwung der Zahlen, den man zuletzt bemerkt habe, gebe es nicht mehr. „Ob es nun einen Anstieg – generell oder in bestimmten Gruppen – geben wird, muss man sich anschauen“, so der Experte zu den bereits in Kraft getretenen Öffnungen.

Das Wetter und die Zahl der Impfungen machten innerhalb einer Woche nur einen geringen Unterschied. Man müsse aber schauen, generell nicht in eine Entwicklung zu kommen, die die Situation gefährdet, meinte Klimek.

Warnung vor zu schneller Aufhebung von Maskenpflicht

Vor einer zu schnellen Aufhebung der Maskenpflicht warnten der Public-Health-Experte Armin Fidler und der Virologe Norbert Nowotny. Gegenüber dem Nachrichten-TV-Kanal Puls 24 sagte Fidler, die Maskenpflicht „überall, wo viele Menschen auf engem Raum sind, zum Beispiel in öffentlichen Verkehrsmitteln, in Flugzeugen, Zügen, im Taxi, wo ich nicht weiß, ob der Taxifahrer geimpft oder genesen ist“, solle bleiben. Eine allgemeine Maskenpflicht draußen habe aus epidemiologischer Sicht hingegen keinen Sinn mehr. Anderen Öffnungsschritten stand Fidler skeptisch gegenüber.

Nowotny hält Diskussionen über weitere Öffnungsschritte für verfrüht, wie er Puls 24 sagte. „Wir werden erst Ende Mai sehen, wie sich die Öffnungsschritte auswirken.“ Der Virologe kann sich ein Ende der Maskenpflicht mit 1. Juli vorstellen, aber auch dabei müsse man weiterhin das Infektionsgeschehen im Auge behalten. U-Bahnen seien „gesteckt voll“, da brauche man die Maske noch. Wenn die Zahlen bis Anfang Juli gut seien, „kann man von mir aus alles aufsperren“. Den Vorschlag, von FFP2-Maske wieder zu Mund-Nasen-Schutz zu wechseln, sah er kritisch.