Seilbahnunglücksort
AP/Vigili del Fuoco Firefighters
Drei Festnahmen

Verdacht auf Manipulation vor Gondelabsturz

Nach dem Gondelunglück in Norditalien mit 14 Toten sind Medienberichten zufolge drei Menschen festgenommen worden. Ermittler hätten festgestellt, dass ein Sicherheitsbremssystem „manipuliert“ worden sei, um Verspätungen des Seilbahnbetriebs zu vermeiden, zitierte die italienische Nachrichtenagentur ANSA die ermittelnde Staatsanwältin Olimpia Bossi.

Bei den Festgenommenen handelt es sich um den Eigentümer der Betreibergesellschaft der Seilbahn Ferrovie del Mottarone, den Direktor und den Cheftechniker, berichteten italienische Medien. Sie hätten mittlerweile Geständnisse abgelegt.

„Sie haben gestanden, dass sie die Notbremse manipuliert haben“, berichtete ein Ermittler im Interview mit RAI3. „Es gab Störungen in der Seilbahn. Die Wartung wurde eingeschaltet, sie hat das Problem nicht oder nur teilweise gelöst. Um weitere Betriebsunterbrechungen zu vermeiden, entschied man sich, die ‚Gabel‘ an Ort und Stelle zu belassen, wodurch die Notbremse nicht funktionieren kann“, berichtete der Ermittler. Nicht ausgeschlossen wird, dass Ermittlungen gegen weitere Personen aufgenommen werden.

Setzten Notbremse außer Betrieb

Konkret wird den drei Festgenommenen zur Last gelegt, die Notbremse der Seilbahn außer Betrieb gesetzt zu haben, nachdem es am Samstag – einen Tag vor dem Unglück – zu einer Dienstunterbrechung gekommen war. Laut den Ermittlern wurde der Spreizer der Notbremse, die die Kabinen im Falle eines Bruchs eines Seils blockieren sollte, nicht entfernt, um „eine Störung und Blockierung“ der Seilbahnanlage zu vermeiden. Damit funktionierte die Notbremse nicht.

Das System wies Abweichungen auf, die einen radikaleren Eingriff mit einer Dienstunterbrechung erfordert hätten. „Bei der abgestürzten Kabine wurde das Notbremssystem manipuliert, um Ineffizienzen und Blockaden der Seilbahn zu vermeiden“, die seit der Wiederaufnahme des Betriebs „Anomalien“ aufwies, so die Staatsanwältin. Die Notbremse sei in dem Glauben außer Betrieb gesetzt worden, dass ein Kabelbruch niemals hätte eintreten können.

Video von Unglück beschlagnahmt

Die Staatsanwaltschaft hatte am Dienstag das Video einer Überwachungskamera beschlagnahmt, das den Unfall zeigt. Darauf sei zu sehen, wie sich die Gondel am Sonntag kurz vor der Bergstation auf dem Monte Mottarone westlich des Lago Maggiore befunden habe, als plötzlich ein Seil riss und die Kabine talwärts abstürzte, hieß es.

Eine abgestürzte Gondel der Seilbahnstrecke Stresa-Mottarone
AP/Italian Vigili del Fuoco Firefighters
Die Seilbahn stürzte in Gipfelnähe ab

Nur Bub überlebte schwer verletzt

Mehrere der 15 Passagiere wurden aus der Gondel geschleudert. Diese blieb am Ende völlig zerstört an einem Baum hängen. Nur ein kleiner Bub, der seine Familie bei dem Unglück verlor, überlebte. Die Seilbahn verbindet den Ort Stresa mit dem rund 1.500 Meter hohen Monte Mottarone. Erst seit Samstag dürfen Seilbahnen in ganz Italien im Zuge von Lockerungen der CoV-Beschränkungen überhaupt wieder Ausflügler transportieren.

Leitner: Keine Unregelmäßigkeiten

An der Seilbahn Funivia Stresa-Mottarone führt das Südtiroler Unternehmen Leitner gemäß einem Wartungsvertrag Kontrollen durch. Einer Mitteilung der Firma von Montagnacht zufolge war die hydraulische Bremsanlage der Fahrzeuge zuletzt am 3. Mai dieses Jahres gewartet worden. Bei der letzten magnetinduktiven Seilprüfung im November 2020 seien zudem „keine Unregelmäßigkeiten“ festgestellt worden. Die täglichen und wöchentlichen Kontrollen liegen laut Leitner in der Verantwortung der Betreibergesellschaft Ferrovie del Mottarone.