Filmstill: Dead Reckoning
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Vienna Shorts

Exklusive Kurzfilme zwischen den Künsten

Die 18. Ausgabe des internationalen Filmfestivals Vienna Shorts geht in die Halbzeit. Ein jährliches Highlight sind die Personalen, die innovativen Filmschaffenden gewidmet sind. Heuer sind erstmals alle drei Porträts heimischen Künstlerinnen gewidmet. ORF.at streamt hier Arbeiten von Paul Wenninger, Claudia Larcher und Rupert Höller exklusiv außerhalb des Festivals.

Wer ausgefeilte Plottwists und tiefschürfende Dialoge sucht, sich also europäisches Arthousekino im Kürzestformat vorstellt, wird bei den diesjährigen Personalen der Vienna Shorts nicht fündig. Vielmehr erkunden die Filme neue Möglichkeiten, Geschichten zu erzählen und Stimmungen zu transportieren.

Und das auf je eigene Weise – meist ohne Dialog, mit konsequentem Einsatz von ungewöhnlichen Montagen und Kameraperspektiven. Denn Wenninger, Larcher und Höller sind Grenzgänger zwischen Kunstsparten und Genres, orientieren ihre Arbeiten an Tanz, Performance, bildender Kunst und Musik.

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Paul Wenninger
Paul Wenninger
Paul Wenninger hat einen Hintergrund in Tanz und Choreografie. Seinen experimentellen Filmen hat er sich erst spät zugewandt.
Claudia Larcher
Claudia Larcher
Claudia Larcher arbeitet zwischen Fotografie, Installation und Video. Ihre Arbeiten sind international äußerst erfolgreich und wurden schon im Centre Pompidou gezeigt.
Rupert Höller
Rupert Höller
Der Endzwanziger Rupert Höller setzt mit seinen Musikvideos ästhetische Maßstäbe. Mit seinem Schwarz-Weiß-Film zu Oehls „Über Nacht“ gewann er 2020 den Österreichischen Musikvideopreis.

Der Tod muss ein Wiener sein

Wenninger, der ursprünglich vom zeitgenössischen Tanz kommt, hat sich erst relativ spät seinen experimentellen Filmen zugewandt. Seit 2012 hat er eine ganz eigene Form gefunden, die Stop-Motion-Animation und Performance verbindet. Der Film wird zur Choreografie, der Körper der Schauspieler, die immer ausgebildete Tänzer sind, wird von Wenninger wie ein Objekt oder eine Skulptur behandelt. „Stop-Trick-Animation mit lebendigen Menschen“ nennt Wenninger seine Arbeitsweise.

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In „Dead Reckoning“ variiert Wenninger die spätestens seit Georg Kreislers Chanson „Der Tod, das muss ein Wiener sein“ sprichwörtliche Todessehnsucht der Stadt. Da stolpert ein Tagedieb durch Wiener Szenerien, bis ihm nach dem Dosenbier am Donaukanal der Knochenmann über die Schulter schaut. Als letztes Abendmahl gibt es selbstredend Schnitzel, Gulasch und Kaiserschmarrn, die Melange darf vor dem Hintergrund eines bekannten Szenebeisls auch nicht fehlen. Ob er, untermalt von treibenden Beats von Elektro Guzzi, dem Tod von der Schaufel springt?

In der Großaufnahme irreal

Larchers Filme sind ebenfalls zwischen den Kunstsparten angesiedelt. Sie hat an der Universität für angewandte Kunst studiert und ihre Videoarbeiten genauso häufig in Ausstellungen beispielsweise bei der Ars Electronica, dem steirischen herbst und im Centre Pompidou gezeigt wie auf Filmfestivals.

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Ihr Film „Self“ ist eine hintersinnige Annäherung an Fragen nach Identität. In einem langen Kameraschwenk nähert sie sich dem „Selbst“ über eine Erkundung der Körpergrenze. Der Film zeigt über fast acht Minuten Hautflächen samt Poren, Falten und Haarfolikel in Großaufnahme. Mit einer unterkühlten und spannungsgeladenen Soundspur von Constantin Popp unterlegt, erzeugt diese ungewohnte Perspektive auf Alltägliches einen unheimlichen Sog. Nicht von ungefähr sind Larchers Arbeiten schon mit der Stimmung in David Lynchs Filmen verglichen worden.

Poetische Bilder für große Musik

Höllers Arbeiten sind einem großen Publikum geläufig, auch wenn es sich dessen nicht immer bewusst ist. Der Absolvent der Filmakademie setzt seit 2015 mit seinen Musikvideos ästhetische Maßstäbe. Besonders aufgefallen sind seine beiden Arbeiten für das österreichisch-isländische Popduo Oehl. In dem gemeinsam mit Bernhard Wenger realisierten Video zu „Trabant“ dreht die Kamera in einer einzelnen Einstellung aus der Mitte eines Restaurants drei Runden um die eigene Achse.

Dabei fängt sie scheinbar banale Szenen ein: Menschen, die einsam essen gehen, Paare, die nur noch unverwandt aneinander vorbeistarren, Mikroszenen eines Gesellschaftsteils, der an seiner Saturiertheit verzweifelt. Dazu der melancholische Gesang Ariel Oehls und ein Zitat, das oft dem Kirchenvater Augustinus zugeschrieben wird, an der Wand: „Ama et fac quod vis“ („Liebe und tu, was du willst“), das sich ironisch auf die Tischgesellschaften bezieht.

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Mit seinem Video zu Oehls „Über Nacht“ gewann Höl­ler den im Rahmen der Vienna Shorts vergebenen Öster­rei­chi­schen Musik­vi­deo­preis. In dem Schwarz-Weiß-Clip inszeniert er die Sehnsucht der Protagonistin, die allein in einer modernistischen Villa die Zeit vergehen lässt. Dabei wird die Umgebung zum Symbol für ihr Inneres, beispielsweise eine weiße Pyramide im Garten, die sie anschmachtet und die immer kleiner wird. „Über Nacht“ ist ein großartiges poetisches Meisterwerk im Fahrwasser der Nouvelle vague.

Alle drei Retrospektiven sind in den nächsten Tagen in den Spielstätten der Vienna Shorts und auf der digitalen Festivalplattform on Demand zu sehen. Wenningers neuer Film „O“ und zwei neue Musikvideos Höllers treten in den Preiskategorien der Vienna Shorts an. Inhaber eines Onlinefestivalpasses können für die Publikumspreise voten, auch für den von ORF.at gestifteten Preis für den beliebtesten Film unter zehn Minuten im Österreich-Wettbewerb. Die 18. Ausgabe der Vienna Shorts läuft noch bis Dienstag.