Kinderbuchautor Eric Carle
AP/Richard Drew
1929–2021

Kinderbuchautor Eric Carle ist tot

Mit 91 Jahren ist der bekannte US-Kinderbuchautor und -illustrator Eric Carle am Sonntag gestorben. Das wurde am Mittwoch (Ortszeit) in einer Erklärung in Carles offiziellem Instagram-Kanal bekanntgegeben. Weltweit bekannt geworden war er mit seiner „Kleinen Raupe Nimmersatt“.

Die kleine Raupe, die sich durch einen Apfel, zwei Birnen, Würsteln, Lutscher und viele andere Nahrungsmittel frisst, bevor sie sich verpuppt und schließlich zum Schmetterling wird, wurde Millionen Kindern vorgelesen. Carle selbst erklärte den Erfolg seines Buches damit, dass es sich um ein „Buch der Hoffnung“ handle: „Kinder brauchen Hoffnung. Du, kleine, unscheinbare Raupe, kannst zu einem schönen Schmetterling wachsen und mit deinen Talenten hinaus in die Welt fliegen.“

Den Erfolg der Raupe konnte er sich aber nie ganz erklären: „Mittlerweile glaube ich, zum Teil liegt es daran, dass sich die meisten Kinder identifizieren können mit der hilflosen, kleinen, unbedeutenden Raupe und sie sich mitfreuen, wenn die sich in einen schönen Schmetterling verwandelt.“

„Gegenmittel zu meiner Kindheit“

Die farbenfrohen Illustrationen seien „eine Art Gegenmittel zu den Graus und Brauns meiner Kindheit in Deutschland“ gewesen, sagte Carle kurz vor seinem 90. Geburtstag im Juni 2019. Carle war in Syracus im US-Bundesstaat New York geboren worden. 1935 kehrte er als Sechsjähriger mit seinen Eltern, deutschen Auswanderern, aus den USA nach Nazi-Deutschland zurück.

„Dieser Schulbeginn ist mir unvergesslich – ein kleines Klassenzimmer mit schmalen Fenstern, ein harter Bleistift, ein kleines Blatt Papier und die strenge Ermahnung, keine Fehler zu machen“, erinnerte er sich an die Schulzeit in Stuttgart. „Es war so ein Kontrast zu Miss Frickey“, seiner Volksschullehrerin in den USA, „die ich liebte und in deren lichtdurchflutetem Klassenzimmer ich mit leuchtenden Farben malte“. Die Schläge seines Lehrers in Stuttgart mit dünnem, hartem Bambusstock vergaß er bis ins hohe Alter nicht. „Ich habe schmerzhafte Erinnerungen daran, in Deutschland während des Zweiten Weltkrieges aufzuwachsen.“

Grafikdesigner bei „New York Times“

Diese schwierigen Kindheitserfahrungen waren ein wesentlicher Antrieb für sein späteres Wirken als Kinderbuchautor. Mehr als 100 veröffentlichte er davon, die nach Angaben des Gerstenberg Verlags in rund 70 Sprachen übersetzt wurden. Allein die erstmals in den USA 1969 erschienene „Kleine Raupe Nimmersatt“ wurde laut Verlags bis heute mehr als 50 Millionen Mal verkauft.

Seine ersten beruflichen Schritte machte er als Grafikdesigner bei der „New York Times“ und künstlerischer Leiter bei einer Werbeagentur. Er war 1952 nach Abschluss der Kunsthochschule Stuttgart in die USA zurückgekehrt. Der Weg zum Kinderbuch geschah zufällig.

Kinderbuchautor Eric Carle
AP/Mary Altaffer
Carle im Jahr 2007: Viele seiner Werke wurden in rund 70 Sprachen übersetzt

Der Schriftsteller Bill Martin sah eines Tages eine von Carles Grafiken und fragte, ob er Bilder zu einer Geschichte über einen braunen Bären beisteuern könne. „Mein inneres Kind – das so plötzlich und einschneidend entwurzelt und unterdrückt worden war – wurde langsam wieder lebendig“, sagte Carle später. Auch einstige Spaziergänge mit dem Vater durch Wiesen und Wälder prägten das Werk. „Er hob einen Stein hoch und zeigte mir die kleinen Kreaturen, die darunter lebten. Ich denke, indem ich in meinen Büchern über kleine Geschöpfe schreibe, ehre ich auch ihn.“

Paul Klee als Vorbild

Die Geschichten von Spinnen, Käfern und Chamäleons erzählt Carle anhand von Collagen aus selbst bemaltem Seidenpapier. Ein Vorbild war der Künstler Paul Klee (1879–1940). Ein Zeichenlehrer hatte Carle mit den Werken expressionistischer und anderer moderner Künstler, die von den Nazis als entartet bezeichnet wurden, vertraut gemacht.

Wenn ihm Kinder später zu seinen Collagen rückmeldeten: „Oh, das kann ich auch“, betrachtete er das „als das größte Kompliment“. Für seine berühmteste Heldin – die grüne Raupe mit rotem Kopf – stanzte er Löcher in die Buchseiten. Kinder können im Buch mit dem Finger selbst erleben, wie sich die Raupe durch Birnen und Erdbeeren, schließlich durch Schokoladekuchen und Würsteln frisst.

„Ich versuche zu unterhalten mit meinen Bildern und meinen Geschichten“, sagte Carle einmal. Aber er lasse auch ein bisschen zum Lernen einfließen, „auf eine verdeckte Art“. Mit der Raupe lenkte Carle den Blick auf die Wandlung vom Ei zum Schmetterling, flocht Zahlen und Wochentage in die Geschichte ein.