Ein Bub wird geimpft
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Pfizer-Studie

Impfstoff auch für Kinder ab zwölf sicher

Die EU-Arzneimittelbehörde (EMA) will am Freitag über die Zulassung des Coronavirus-Impfstoffs von Biontech und Pfizer für Kinder und Jugendliche zwischen zwölf und 15 Jahren entscheiden. Zuvor wurde eine Studie veröffentlicht, die dem Präparat eine sichere Wirksamkeit gegen Covid-19 auch in dieser Altersgruppe attestiert.

Es handelt sich um jene Daten, die bereits Grundlage für die Notfallzulassung des Impfstoffs in den USA in dieser Altersgruppe waren. Sie lagen nun der EMA für die Zulassungsprüfung vor. Der Studie zufolge trat bei mehr als 1.000 geimpften Kindern und Jugendlichen kein Covid-19-Fall auf. In der etwa gleich großen, ungeimpften Kontrollgruppe waren es 16 Fälle.

Die Forscher hatten Daten von insgesamt 2.260 Kindern zwischen zwölf und 15 Jahren ausgewertet. Diese hatten im Abstand von 21 Tagen zwei Dosen des Impfstoffs (1.131 Kinder) oder Placebo-Spritzen mit Kochsalzlösung (1.129 Kinder) erhalten.

100 Prozent Wirksamkeit

Die Wirksamkeit einer zweifachen Impfung lag dem Forschungsteam zufolge bei 100 Prozent, da es in der Studiengruppe im Vergleich zur Placebo-Gruppe keinen Covid-19-Fall gegeben habe. Abgesehen davon zeigten auch Labortests, dass die Impfung eine stabile Immunantwort erzeugte, sie war sogar besser als in der Gruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 16 und 25 Jahren.

Untersucht wurden auch mögliche Nebenwirkungen. Für jeweils sieben Tage nach den Injektionen notierten die Teilnehmenden eventuelle Impfreaktionen. Unerwünschte Wirkungen wurden bis zu sechs Monate nach der zweiten Spritze erfasst.

Impfreaktionen mild bis moderat

Wie in anderen Altersgruppen seien die Impfreaktionen, wenn sie auftraten, mild bis moderat gewesen, schreiben die Wissenschaftler im „New England Journal of Medicine“. Die Rede war von positiven Ergebnissen. Die Teilnehmer klagten über Schmerzen an der Einstichstelle, Müdigkeit, Kopfschmerzen und Fieber – nach der zweiten Dosis häufiger als nach der ersten. Die Beschwerden verschwanden meist innerhalb weniger Tage. Schwerere unerwünschte Wirkungen wie Thrombosen oder ein anaphylaktischer Schock traten nicht auf.

Die US-Arzneimittelbehörde FDA hatte die Notfallzulassung für den Impfstoff „Comirnaty“ des deutschen Herstellers Biontech und seines US-Partners Pfizer am 10. Mai auf Kinder und Jugendliche im Alter von zwölf bis 15 Jahren ausgeweitet. Bei der europäischen Zulassungsbehörde liegt seit Ende April ein entsprechender Antrag vor.

Weitere Studien laufen

Die EMA will voraussichtlich am Freitag darüber entscheiden, eine Zulassung gilt als wahrscheinlich. Sobald die Genehmigung der EMA erteilt ist, werde die angepasste bedingte Zulassung in allen 27 EU-Mitgliedsstaaten gültig sein, hieß es. Aktuell ist das Vakzin ab 16 Jahren zugelassen.

Eine Zulassung des Pfizer-Biontech-Impfstoffes für Kinder unter zwölf Jahren steht aktuell noch nicht zur Debatte, allerdings laufen auch hier seit März klinische Studien zu Wirksamkeit und Sicherheit. Daten werden bis Ende des Sommers erwartet.

Auch Österreich wartet auf EMA-Entscheid

Im Gesundheitsministerium hieß es gegenüber ORF.at, man werde sich bei der Impfung der Zwölf- bis 15-Jährigen an der Entscheidung der EMA orientieren. Auf deren Grundlage werde das Nationale Impfgremium „fundierte Empfehlungen“ aussprechen können.

Impfexperte Zwiauer zur Impfung von Kindern

Karl Zwiauer, Professor für Kinderheilkunde, Impfexperte und Mitglied des Nationalen Impfgremiums, zur Frage, ob auch Zwölf- bis 15-Jährige geimpft werden sollen.

Die Vorbereitungen für Impfungen von Kindern und Jugendlichen laufen jedenfalls bereits. Geöffnet ist etwa bereits die Vormerkung – nicht Anmeldung – für Impftermine. Auch die Durchführung der Impfung werde derzeit im Detail mit den zuständigen Stellen, sprich den Landessanitätsbehörden, geplant.

Durchaus denkbar ist dabei auch, dass an größeren Schulstandorten, wenn sie weiter von einer Impfstraße entfernt sind, auch direkt Impfungen angeboten werden. Es sei allerdings letztlich Entscheidung der Länder, des Bildungsministeriums und der einzelnen Schulen, welche Vorgangsweise gewählt werde, hieß es vom Gesundheitsministerium. Man werde auch auf spezielle Informationskampagnen setzen.

Immunisierung Minderjähriger verringert Viruszirkulation

Der Wiener Umweltmediziner Hans-Peter Hutter sieht die Ankündigung des Nationalen Impfgremiums, der EMA folgen zu wollen, positiv. Der Experte der Medizinischen Universität Wien sagte im Ö1-Morgenjournal auf die Frage, ob er seine Kinder impfen lassen würde: „Selbstverständlich, aus einem Grund: weil natürlich auch in dieser Gruppe das Virus weiterhin sehr zirkuliert.“

Somit könne es dort auch mutieren und Probleme für die Gesamtbevölkerung machen. Die Gefahr sei für die Jüngeren selbst zwar vergleichsweise klein, eine Ansteckung könne aber Folgen haben, „die man als Vater oder als Mutter nicht haben möchte“. Das Ziel sei, „eine Bevölkerungsimmunität“ zu erreichen, und da gehöre auch das Impfen in diesen Altersgruppen dazu.

Die häufigsten Impfreaktionen sind Schmerzen an der Einstichstelle, Kopfweh und Fieber. Diese würden bei jungen Erwachsenen stärker als bei älteren Erwachsenen ausfallen, „und so muss man auch davon ausgehen, dass durchaus Jugendliche und ältere Kinder da reagieren“, sagte der Kinderarzt und Infektiologe Volker Strenger von der Grazer Uniklinik für Kinder- und Jugendheilkunde im Ö1-Morgenjournal.

Keine Hinweise auf „wirklich schwere Nebenwirkungen“

Aber selbst nach der großflächig angelaufenen CoV-Impfung für Junge in den USA liege bisher kein Hinweis vor, „dass wirklich schwere Nebenwirkungen, schwere Komplikationen auftreten“, und „vor allem nicht, dass die jetzt bei Kindern häufiger auftreten würden“. Für die Impfung ab zwölf Jahren spreche etwa auch, dass es schwere Verläufe geben könne, meinte Strenger. Die Erleichterungen, die Geimpfte genießen, seien sicher auch ein Aspekt. Bei der Entscheidung müsse man abwägen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass sich auch Kinder anstecken.

Die Leiterin der „Long Covid“-Ambulanz am Wiener Allgemeinen Krankenhaus, Mariann Gyöngyösi, verwies im Morgenjournal auf die Langzeitfolgen, die auch Junge treffen könnten: Mehreren Studien zufolge könnten „mindestens 50 Prozent“ betroffener Kinder das „Long Covid“-Syndrom haben. In einer italienischen Untersuchung hätten fast 60 Prozent der Kinder mit durchgemachter Infektion „mindestens ein Symptom“ aufgewiesen. Am häufigsten sei das Fatigue-Syndrom, „Erschöpfung, Konzentrationsschwäche und Müdigkeit, Kopfweh und so weiter“.

Kontroverse in Deutschland

Kontroversen über den Einsatz der Impfung bei Zwölf- bis 15-Jährigen gab es indes am Donnerstag noch in Deutschland. Die Ständige Impfkommission (STIKO) äußerte sich skeptisch zu einer allgemeinen Impfempfehlung für Kinder. „Bei unklarem Risiko kann ich zurzeit noch nicht vorhersehen, dass es eine Impfempfehlung für eine generelle Impfung geben wird“, sagte STIKO-Mitglied Rüdiger von Kries. Angedeutet wurde, dass die STIKO nur eine Impfung bei Kindern mit Vorerkrankungen empfehlen könnte.

Fachleute uneinig über Impfung für Kinder

Am Freitag könnte die Europäische Arzneimittelbehödre (EMA) die Zulassung des Impfstoffs von Biontech UND Pfizer für Zwölf- bis 15-Jährige erteilen. Zur Impfung von Kindern und Jugendlichen gibt es allerdings auch unter Experten höchst unterschiedliche Meinungen.

Das sorgte auch für Kritik aus der Politik. SPD-Politiker Karl Lauterbach äußerte etwa gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland die Befürchtung, dass das die Verantwortung den Eltern, Kindern und Ärzten allein zuschieben würde. „Das wirft uns zurück in den Bemühungen, Kinder und Jugendliche zu impfen, weil zahlreiche Ärzte verständlicherweise ohne Empfehlung der STIKO junge Menschen nicht impfen wollen.“ Die Kommission müsse „zumindest eine Botschaft senden“.

Der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn sagte, Eltern würden individuell über eine Impfung ihrer Kinder entscheiden können. Man wolle bei einer Zulassung aber allen Zwölf- bis 18-Jährigen bis August ein Impfangebot machen. Das bekräftigte auch die Kanzlerin Angela Merkel. Jedem und jeder Deutschen solle bis Ende des Sommers ein Impfangebot gemacht werden können. Das schließe bei Zulassung des Impfstoffes auch die Zwölf- bis 15-Jährigen ein. Konkret sollen die Impfungen für Kinder ab zwölf Jahren am 7. Juni starten. An diesem Tag soll in Deutschland die Impfpriorisierung fallen.