Zeichnung zeigt deutsche Soldaten im Kampf mit den Herero
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Genozid in Namibia

Deutschland will um Entschuldigung bitten

Mehr als 100 Jahre nach den Verbrechen der deutschen Kolonialmacht im heutigen Namibia erkennt die deutsche Regierung die Gräueltaten an den Volksgruppen der Herero und Nama als Völkermord an. Deutschland will die Nachkommen mit einem Milliardenbetrag unterstützen und offiziell um Entschuldigung bitten.

Das kündigte der deutsche Außenminister Heiko Maas am Freitag an. „Als Geste der Anerkennung des unermesslichen Leids, das den Opfern zugefügt wurde, wollen wir Namibia und die Nachkommen der Opfer mit einem substanziellen Programm in Höhe von 1,1 Milliarden Euro zum Wiederaufbau und zur Entwicklung unterstützen“, sagte Maas.

Zuvor hatten Delegationen beider Länder nach fast sechsjährigen Verhandlungen eine Einigung über eine gemeinsame politische Erklärung erzielt, der beide Regierungen nun zugestimmt haben. Das Deutsche Reich war von 1884 bis 1915 Kolonialmacht im heutigen Namibia und schlug Aufstände brutal nieder. Historikern zufolge wurden etwa 65.000 von 80.000 Herero und mindestens 10.000 von 20.000 Nama getötet.

Keine rechtlichen Ansprüche

Die Regierung will in dem Abkommen die Tötung Zehntausender Menschen in der Ex-Kolonie Deutsch-Südwestafrika aus heutiger Sicht als Völkermord einstufen. Eine offizielle Bitte um Vergebung soll Berichten zufolge durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei einem Festakt im namibischen Parlament erfolgen.

Deutschlands Präsident Frank-Walter Steinmeier
APA/AFP/Ludovic Marin
Deutschlands Präsident Steinmeier soll Medienberichten zufolge um Entschuldigung bitten

Mit den 1,1 Milliarden Euro sollen über einen Zeitraum von 30 Jahren vor allem Projekte in den Siedlungsgebieten der Herero und Nama gefördert werden. Dabei soll es um Landreform, Landwirtschaft, ländliche Infrastruktur und Wasserversorgung sowie Berufsbildung gehen. Die deutsche Regierung betont aber, dass sich aus ihrer Anerkennung des Völkermords und der Gründung des Hilfsfonds keine rechtlichen Ansprüche auf Entschädigung ergeben, sondern dass es um eine politisch-moralische Verpflichtung geht.

„Ich bin froh und dankbar, dass es gelungen ist, mit Namibia eine Einigung über einen gemeinsamen Umgang mit dem dunkelsten Kapitel unserer gemeinsamen Geschichte zu erzielen“, sagte Maas. „Unser Ziel war und ist, einen gemeinsamen Weg zu echter Versöhnung im Angedenken der Opfer zu finden.“ Maas betonte, dass das aber keinen Schlussstrich unter die Vergangenheit bedeute. „Die Anerkennung der Schuld und unsere Bitte um Entschuldigung ist aber ein wichtiger Schritt, um die Verbrechen aufzuarbeiten und gemeinsam die Zukunft zu gestalten“, sagte er.

Deutschland als Besetzungsmacht

Deutschland hatte sich ab 1884 Kolonien in Afrika, Ozeanien und Ostasien angeeignet. Es verfügte damit über das viertgrößte koloniale Gebiet und war Besatzungsmacht nicht nur in Deutsch-Südwestafrika (Namibia), sondern auch in Kamerun, Togo, Deutsch-Ostafrika (Tansania), im chinesischen Jingdao und auf Pazifikinseln. Die gewaltvolle Herrschaft der Deutschen führte zu Aufständen und Kriegen. Mit der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg wurden ihre Kolonien dann unter den Siegermächten aufgeteilt.

Die Verhandlungen Namibias und Deutschlands über die Aufarbeitung der Kolonialverbrechen hatten 2015 begonnen. Sie wurden von Beauftragten der beiden Regierungen geführt, die Herero und Nama waren aber eng eingebunden. Bei einigen Vertretern der Volksgruppen lösten erste Hinweise auf das Abkommen jedoch bereits Kritik aus. Es sei nichts weiter als ein PR-Coup Deutschlands und ein Akt des Betruges der namibischen Regierung, hieß es in einer Erklärung der Ovaherero Traditional Authority und Nama Traditional Leaders Association.

Die jetzt abgeschlossenen Verhandlungen hingen lange Zeit an der heiklen Frage einer finanziellen Entschädigung für koloniale Ausbeutung und Unterdrückung fest. Die deutsche Regierung habe einer „bedingungslosen Entschuldigung“ an die namibische Regierung, ihr Volk und die betroffenen Gemeinden zugestimmt, wolle aber nicht den Begriff „Reparationen“ benutzen, hatte Namibias Präsident Hage Geingob noch im vergangenen August geklagt. Auch der Begriff „Heilung der Wunden“ wurde als unzureichend abgelehnt.

Ruandas Völkermord: Frankreich erkennt Verantwortung an

Unterdessen räumte Frankreich am Donnerstag erstmals offiziell eine politische Mitverantwortung für den Völkermord in Ruanda in den 1990ern ein. Der französische Präsident Emmanuel Macron sagte, er erkenne „mit Demut und Respekt“ die Verantwortung seines Landes für den Genozid mit mehr als 800.000 Toten an. Er äußerte die Hoffnung, dass die Überlebenden „uns das Geschenk machen, dass sie uns verzeihen“.

Zugleich weihte Macron ein französischsprachiges Kulturzentrum in der Hauptstadt Ruandas ein. Die Einrichtung in Kigali sei ein Symbol der „neuen Beziehung“ zwischen Frankreich und Ruanda, sagte Macron. Es solle ein gemeinsamer Ort für Französischsprachige sein, „nicht nur für Frankreich oder die Franzosen“. Macron nannte Afrika das „wahre Zentrum der Frankophonie“. Seit dem Völkermord in Ruanda im Jahr 1994 sinkt die Bedeutung des Französischen, der Sprache der ehemaligen belgischen Kolonialmacht.

Präsident Paul Kagame führte 2003 Englisch als dritte offizielle Landessprache neben Kinyarwanda und Französisch ein. 2008 löste Englisch dann Französisch als Schulsprache ab. Laut der Internationalen Organisation der Frankophonie sprechen etwa sechs Prozent der 12,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner Ruandas Französisch. Der Großteil der Menschen in Ruanda spricht Kinyarwanda.