Menschen in einem Park in Rom
AP/Gregorio Borgia
Kündigungsverbot fällt

Angst um 600.000 Jobs in Italien

So wie in vielen anderen Ländern stehen in der laufenden Coronavirus-Pandemie derzeit auch in Italien die Zeichen weiter auf Entspannung. Damit einher geht ein Öffnungskurs, der nun allerdings die Gewerkschaften auf die Barrikaden steigen lässt. Diese fürchten wegen des anstehenden Auslaufens eines im Vorjahr eingeführten Kündigungsverbots um bis zu 600.000 Jobs.

Man sei nicht bereit, Entlassungen kampflos zuzulassen, sagte dazu am Freitag der Vorsitzende des Gewerkschaftsbundes CGIL, Maurizio Landini, bei einer Protestkundgebung vor dem Palazzo Montecitorio und damit dem Sitz der italienischen Abgeordnetenkammer in Rom. Konkret fordern Italiens Gewerkschaften eine Änderung des in dieser Woche von Premier Mario Draghi erlassenen Regierungsdekrets, das bereits mit Ende Juni eine Aufhebung des bisher in der Coronavirus-Pandemie geltenden Kündigungsschutzes vorsieht.

Zusammen mit den Generalsekretären der Gewerkschaften CISL und UIL, Luigi Sbarra und Pierpaolo Bombardieri, kündigte Landini weitere Protestaktionen an. Erklärtes Ziel sei eine Verlängerung des Kündigungsschutzes bis mindestens Oktober.

Man könne sich den drohenden Verlust zusätzlicher Hunderttausender Arbeitsplätze nicht leisten und werde aus diesem Grund nun auch „starken Druck auf die Fraktionen ausüben, um das Gesetz noch zu ändern“. Die Rede sei von rund 577.000 Jobs, die laut Daten der italienischen Nationalbank ab 1. Juli gefährdet seien, sagte Landini nach Angaben der Nachrichtenagentur ANSA.

Draghi verteidigt Vorgangsweise

Draghi verteidigt indes die an sich bereits beschlossene Vorgangsweise. Diese stehe im Einklang mit allen EU-Ländern – zudem gebe es für Italiens Unternehmen auch weiterhin einen starken Anreiz, keine Jobs zu streichen. Demnach garantiere die neue Regelung „die Fortführung der kostenlosen Lohnausgleichskasse auch nach dem 1. Juli, wenn der Arbeitgeber auf eine Kündigung verzichtet“, sagte Draghi dazu nach Angaben des Nachrichtenportals des Senders RAI.

Das zunächst auf fünf Monate ausgelegte und immer wieder verlängerte Kündigungsverbot wurde im Mai des Vorjahres als Teil eines milliardenschweren Hilfspakets von der Regierung des damaligen Premiers Giuseppe Conte beschlossen. Draghi verlängerte im Rahmen eines im März verabschiedeten Maßnahmenpaketes den Kündigungsschutz dann bis 31. Juni – stellte zunächst aber noch eine mögliche Verlängerung bis Ende August in den Raum.

Arbeitsminister Andrea Orlando bezeichnete die Gewerkschaftsbedenken als unbegründet und bezeichnete die von der Regierung getroffenen Maßnahmen nach Angaben der Nachrichtenagentur ANSA als „ausschließlich vom gesunden Menschenverstand inspiriert“. Erklärtes Ziel sei demnach eine Wiederbelebung des Arbeitsmarktes. Das Dekret umfasse zudem etliche Ausnahmen, womit etwa gewährleistet werden soll, dass auch weiterhin Unternehmen, die CoV-Hilfe in Anspruch nehmen, keine Jobs streichen dürfen.

Reihe von Öffnungsschritten

In Italien hat sich die Coronavirus-Lage zuletzt deutlich entspannt. Alle Regionen meldeten zuletzt einen durchschnittlichen Reproduktionsfaktor von weniger als 1 und werden daher als Gebiete mit geringem Risiko eingestuft. Damit einher geht eine Reihe von Öffnungsschritten. Seit letzter Woche sind etwa Turnhallen offen. Einkaufszentren können auch an Wochenenden wieder öffnen.

Nun denkt das Land an die Lockerung weiterer Restriktionen. Ab Mitte Juli könnte die Maskenpflicht im Freien abgeschafft werden, sagte zuletzt etwa der Präsident des wissenschaftlichen Instituts CTS, Franco Locatelli, das die Regierung im Umgang mit der Pandemie berät. Ab 21. Juni könnte die Regierung auch die derzeit bei 23.00 Uhr liegende Ausgangssperre aufheben. Ab 15. Juni können wieder Hochzeiten und andere Empfänge organisiert werden.