Antisemitismus: Polizisten sollen Vorfall ignoriert haben

Polizisten sollen einen antisemitischen Vorfall in Wien ignoriert und dem Opfer die Mitschuld an dem Vorfall gegeben haben.

Eine Studentin war nach eigenen Angaben in der U-Bahn-Linie U3 von Männern attackiert worden. Als sie nach dem Verlassen des Verkehrsmittels den Übergriff meldete, sollen die Beamten von einer „Provokation“ gesprochen und gemeint haben, es handle sich gar nicht um Antisemitismus, da sie keine Jüdin sei. Das Innenministerium leitete Untersuchungen ein.

Ereignet hat sich der Fall vor knapp zwei Wochen. Die Studentin sei am Vormittag in der U-Bahn gesessen und habe das Buch „The Jews in the Modern World“ gelesen, als drei Männer aufgestanden seien, schilderte sie gegenüber dem Ö1-Morgenjournal.

Einer habe sie bei den Haaren gezogen und sie als „Judenschlampe“ und „Kindsmörderin“ beschimpft. Nachdem sie sich befreien konnte, sei sie schließlich in der Station Stephansplatz ausgestiegen.

Polizisten sollen Frau beschuldigt haben

Hilfe erhoffte sich die junge Frau von Polizisten, die sie auf der Kärntner Straße ansprach. Es sei jedoch die Frage gekommen, „warum ich so ein Buch in dieser Konfliktsituation lesen muss“, berichtete die Frau.

Auch sei die Frage gestellt worden, ob die Studentin selbst Jüdin sei. Ansonsten könne man nicht wirklich von Antisemitismus sprechen. Auf einer Polizeiwache werde sie außerdem dasselbe hören, habe man der Studentin gesagt. Sie solle den Vorfall also „am besten vergessen“.

Die Frau fragte auch wenige Tage nach dem Vorfall bei den Wiener Linien nach möglichen Aufzeichnungen des Vorfalls. Allerdings erfolglos, da das Videomaterial nur 72 Stunden gespeichert wird. Im Innenministerium hieß es, dass man derartige Beschwerden sehr ernst nehme. Das Stadtpolizeikommando sei umgehend beauftragt worden, den Fall zu untersuchen. Alle infrage kommenden Beamten seien kontaktiert worden.

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Nehammer: „Keine Toleranz bei antisemitischen Vorfällen“

Im Innenministerium hieß es, dass man derartige Beschwerden sehr ernst nehme. „Das wirksamste Mittel im Kampf gegen Antisemitismus ist das Sichtbarmachen des jüdischen Lebens in Österreich. Die Polizei ist ein Garant dafür“, äußerte sich Minister Karl Nehammer (ÖVP) in einem schriftlichen Statement und: „Es gibt keine Toleranz bei antisemitischen Vorfällen in Österreich.“ Bei der Landespolizeidirektion Wien liefen Erhebungen, alle infrage kommenden Beamte seien kontaktiert worden. Auch disziplinar- oder gar strafrechtliche Ermittlungen in der Sache seien nicht auszuschließen.

Vor einer Woche hatte Nehammer eine Initiative angekündigt, mit der Polizistinnen und Polizisten verstärkt auf Antisemitismus sensibilisiert werden sollen.