Die nach der erzwungenen Landung eines Flugzeuges vereinbarten EU-Sanktionen würden die staatliche Fluglinie Belavia bestrafen, obwohl sie nichts mit dem Vorfall zu tun habe, sagte Lukaschenko. Belarus hatte am Sonntag eine Passagiermaschine in Minsk zur Landung gezwungen und anschließend den Regimekritiker Roman Protassewitsch festgenommen.
Als Antwort darauf brachten die EU-Staats- und Regierungschefs am Dienstag neue Sanktionen auf den Weg. Dazu gehört auch ein Flugverbot für die Fluggesellschaft der Ex-Sowjetrepublik. Europäische Fluglinien meiden zudem den belarussischen Luftraum. Putin kritisierte bei dem Treffen, dass 2013 das Flugzeug des bolivianischen Präsidenten zur Landung gezwungen worden sei, ohne dass es Reaktionen der EU gegeben habe. „Damals herrschte Schweigen“, sagte Putin mit Blick auf die US-Operation.
Versuch der Destabilisierung
Lukaschenko sagte, dass er Dokumente mitgebracht habe, um Versuche zu beweisen, die Lage in Belarus wie im vergangenen August zu destabilisieren. Damals war es nach der von Betrugsvorwürfen überschatteten Präsidentschaftswahl in Belarus zu Massenprotesten gekommen. Die friedlichen Antiregierungsdemonstrationen wurden vom Regime brutal niederschlagen, viele Regierungskritiker gefoltert und festgenommen.
Minsk am Tropf Moskaus
Es ist bereits das dritte Treffen Putins und Lukaschenkos in diesem Jahr. Lukaschenko will, wie er sagte, mit Putin über die Folgen der Sanktionen der EU und der USA sprechen, die Belarus wirtschaftlich zu schaffen machen. Schon jetzt hat Minsk Schulden in Milliardenhöhe bei Moskau. Ungeachtet der wachsenden Kosten für Russland hatte Putin zuletzt immer wieder betont, Lukaschenko weiter zu unterstützen. Belarus hängt wirtschaftlich am Tropf Russlands. Lukaschenko ist auch politisch abhängig von Moskau.

Der russische Präsident betonte mehrmals, dass er seinen Amtskollegen in dem Disput mit dem Westen unterstütze. Der Handel zwischen beiden Länder habe zugenommen. „Das ist eine gute Tendenz“, sagte Putin, der Lukaschenko an der Schwarzmeerküste auch zum Baden einlud. Die Zusammenarbeit solle fortgesetzt werden.
Thema war auch die von Moskau angestrebte Union zwischen Russland und Belarus. Putin erklärte, dass die Integration voranschreite, aber ohne Eile. „Sie und ich sind in die Fragen des Aufbaus des Unionsstaates involviert, wir tun das, wie wir vereinbart hatten, ausgehend von der Prämisse, die Interessen sowohl von Belarus als auch von Russland zu gewährleisten“, sagte Putin.
Treffen zwischen Putin und Lukaschenko
Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko hat am Freitag den russischen Präsidenten Wladimir Putin in Sotschi am Schwarzen Meer getroffen. Vor den drohenden EU-Sanktionen will Belarus die Beziehung zu seinem Verbündeten offenbar stärken.
Flüge nach Moskau gestrichen
Kurz vor dem Treffen Lukaschenkos mit Putin sorgten einzelne gestrichene Moskau-Flüge europäischer Fluggesellschaften für Verwirrung. Sowohl die AUA als auch die französische Air France mussten wegen fehlender Genehmigung aus Moskau Flüge in die russische Hauptstadt absagen. Russland hatte europäischen Airlines alternative Routen – in Umgehung von Belarus – nach Moskau verwehrt.
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sprach am Freitag von „technischen Problemen“, die beseitigt werden sollten. Der Flugverkehr zwischen der EU und Russland solle ungeachtet des Streits mit Belarus ohne Behinderungen laufen. Das russische Außenministerium kritisiert jedoch die Empfehlung der EU, den belarussischen Luftraum zu meiden. Die Ministeriumssprecherin Marija Sacharowa schrieb auf Facebook: „Das, was die Westler da gemacht haben, Flüge durch den Luftraum von Belarus aus politischen Gründen zu verbieten, ist eine völlige Verantwortungslosigkeit, die die Sicherheit der Passagiere in Gefahr bringt.“
Mail mit Bombendrohung erst nach Umleitung
Zu der umstrittenen Ryanair-Zwangslandung unterstützt Russland nach eigenen Angaben eine internationale Untersuchung. In den ersten Darstellungen Lukaschenkos, er habe wegen einer Bombendrohung aus der Schweiz gehandelt, gab es Widersprüche. Die Ryanair-Maschine war nämlich noch vor Eingang der Drohung umgeleitet worden, wie der E-Mail-Dienst Protonmail am Freitag in Genf bestätigte. Die angebliche Warnung, auf die sich Lukaschenko für die Umleitung der Maschine berief, wurde von einem Server dieses Dienstes versandt.
EU verspricht Milliarden
Die EU-Kommission legte unterdessen einen Plan für ein drei Milliarden Euro starkes Unterstützungspaket für Belarus vor. Es soll aktiviert werden, „sobald Belarus einen demokratischen Übergang eingeleitet hat“, wie die Brüsseler Behörde am Freitag mitteilte. Bereits beim EU-Gipfel Anfang der Woche war das Drei-Milliarden-Paket angesprochen worden, nun sollen die EU-Staaten darüber beraten.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte an die belarussischen Behörden gewandt: „Kein noch so großes Maß an Repression, Brutalität oder Zwang wird Ihrem autoritären Regime irgendeine Legitimität verschaffen.“ Zudem höre und sehe man den Wunsch des belarussischen Volks nach Veränderung, Demokratie und einer guten Zukunft. Sobald in dem Land ein friedlicher demokratischer Übergang eingeleitet werde, werde die EU da sein, um diesen zu begleiten, so von der Leyen. Das geplante Hilfspaket soll etwa die wirtschaftliche Erholung des Landes fördern sowie Strukturreformen unterstützen.
Tichanowskaja besucht Niederlande
Unterdessen besuchte die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja die Niederlande. Premier Mark Rutte betonte, dass Lukaschenko offenbar in Panik gerate. „Das Regime ist eindeutig in Panik“, sagte er in Den Haag. „Wir werden keinen Stein auf dem anderen lassen.“ Tichanowskaja forderte erneut von der EU mehr Mut im Vorgehen gegen die Regierung in Minsk. Die von der EU diskutierten Strafmaßnahmen gegen die belarussische Wirtschaft gingen nicht weit genug. EU-Diplomaten arbeiten derzeit an weiteren Sanktionen, die auf die wichtigsten Wirtschaftszweige des Landes, den Kali- und den Ölsektor, abzielen.