Die Überreste seien mit einem speziellen Sonargerät entdeckt worden, erklärte die indigene Gemeinschaft Tk’emlups te Secwepemc am Donnerstagabend. Das katholische Heim nahe der Kleinstadt Kamloops war vor über hundert Jahren eröffnet worden, um Kinder von Indigenen zwangsweise in die Gesellschaft der europäischen Einwanderer zu integrieren.
Der Tod der Kinder sei von der damaligen Schulleitung nie dokumentiert worden, obwohl ihr Verschwinden von Mitgliedern der Gemeinde gemeldet worden sei. Wie die Kinder ums Leben kamen, ist noch unklar. Die Gemeinde will mit Gerichtsmedizinern und Museen in der Gegend zusammenarbeiten, um die Umstände aufzuklären. Die vorläufigen Ergebnisse sollen im Juni in einem Untersuchungsbericht veröffentlicht werden.
Ministerin: „Es bricht mir das Herz“
Die kanadische Ministerin für die Beziehung zu indigenen Einwohnern, Carolyn Bennett, schrieb auf Twitter: „Es bricht mir das Herz für die Familien und Gemeinden, die von dieser tragischen Nachricht betroffen sind.“ Der Premierminister von British Columbia, John Horgan, zeigte sich „entsetzt“. Bei der Entdeckung handle es sich um eine Tragödie von „unvorstellbaren Ausmaßen“.
Das ehemalige Internat, das von der katholischen Kirche im Auftrag der kanadischen Regierung betrieben wurde, war eines von 139 solcher Einrichtungen, die gegen Ende des 19. Jahrhundert in Kanada errichtet wurden. Es wurde 1890 eröffnet und hatte in den 1950er Jahren bis zu 500 Schüler. 1969 wurde das Internat geschlossen.
Nach Angaben der indigenen Gemeinde beschwerte sich der Schulleiter des Heims in Kamloops im Jahr 1910 darüber, dass die Regierung nicht genug Geld zur Verfügung stelle, um „die Schüler angemessen zu ernähren“.
150.000 Kinder betroffen
Keine zehn Jahre nach der Gründung Kanadas im Jahr 1867 nahm sich die Regierung 1876 mit dem „Indian Act“ das Recht, das Leben der Ureinwohner in fast all seinen Facetten zu regeln. Land, Ressourcen, Bildung, die Ausübung indigener Riten wurden vom Staat kontrolliert.
Rund 150.000 Kinder von Ureinwohnern wurden von ihren Familien und ihrer Kultur getrennt und unter Zwang in Internate und kirchliche Heime gesteckt mit dem Ziel, sie ihre Sprache und Kultur vergessen zu machen und sie so zur Anpassung an die weiße Mehrheitsgesellschaft zu zwingen.
Heime existierten 100 Jahre
Viele von ihnen wurden in den Heimen misshandelt oder sexuell missbraucht. Mindestens 3.200 Kinder starben, die meisten an Tuberkulose oder einer anderen Krankheit, wie heute bekannt ist. Die, die überlebten, berichteten, dass sie geschlagen wurden, wenn sie in ihrer Muttersprache redeten, häufig Hunger litten und mit der Zeit den Kontakt zu ihren Eltern und deren Kultur verloren.
Das letzte dieser Internate schloss erst 1996. Heute machen viele indigene Gemeinschaften die Heime, die ganze Generationen geprägt haben, für soziale Probleme wie Alkoholismus, häusliche Gewalt und erhöhte Suizidraten verantwortlich.
Entschädigung und Bitte um Vergebung
Umgerechnet 1,1 Milliarden Euro Entschädigung zahlte die Regierung an rund 79.000 ehemalige Schülerinnen und Schüler. Damit wurden die meisten Betroffenen finanziell entschädigt. Vollständig aufgearbeitet sind die Taten aber noch nicht.
2008 entschuldigte sich Kanadas damaliger Premierminister Stephen Harper bei den Indigenen für eine Politik, die darauf angelegt gewesen sei, „den Indigenen im Kind zu töten“. Sie seien Opfer eines „kulturellen Genozids“, stellte eine Untersuchungskommission im Jahr 2015 fest. Harpers Nachfolger Justin Trudeau bat 2017 Papst Franziskus, sich für die Rolle der katholischen Kirche im einstigen Schulsystem zu entschuldigen.