Ära Netanjahu droht Aus: Bennett für Koalition mit Lapid

Der Vorsitzende der ultrarechten Jamina-Partei, Naftali Bennett, hat sich im Ringen um die Bildung einer neuen Regierung gestern auf die Seite von Oppositionsführer Yair Lapid geschlagen. Bennett sagte heute Abend in Jerusalem, dass er mit Lapid an der Bildung einer neuen Regierung arbeiten werde. Damit scheint das politische Schicksal des langjährigen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu besiegelt. Allerdings brauchen Bennett und Lapid noch weitere Bündnispartner.

ORF-Analyse: Netanjahu vor dem Aus?

Der israelische Oppositionsführer Yair Lapid könnte doch eine tragfähige Regierungsmehrheit gegen Premierminister Benjamin Netanjahu geschmiedet haben. ORF-Korrespondent Tim Cupal berichtet über bekannte Details.

„Ich werde alles tun, um eine Regierung der nationalen Einheit mit meinem Freund Yair Lapid zu bilden“, sagte der Chef der religiös-nationalistischen Partei Yamina bei einer mit Spannung erwarteten Presseerklärung. Ziel ist nach Medienberichten eine Rotation im Amt des Ministerpräsidenten: Zuerst soll Ex-Verteidigungsminister Bennett dieses für zwei Jahre übernehmen, dann wäre Lapid an der Reihe. Bennett sagte, es sei deutlich geworden, dass die Bildung einer rechten Regierung gegenwärtig unmöglich sei. Die einzigen Optionen seien eine fünfte Wahl oder eine Einheitsregierung mit Lapid.

Netanyahu wollte sich jedoch noch nicht geschlagen geben. Er sagte unmittelbar nach der Erklärung Bennetts, dass eine rechtsgerichtete Regierung immer noch möglich sei. Eine Regierung von Lapid und Bennett würde Israel schwächen, fügte er hinzu. Kritisch äußerten sich auch die Palästinenser. Die sich abzeichnende Regierung wäre „rechtsextrem“ und „nicht anders“ als jene Netanyahus, sagte ein Vertreter der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO).

„Näher als je zuvor“

Lapids sogenanntem Bündnis für den Wandel würde auch die Liste Blau-Weiß von Netanyahus einstigem Regierungspartner Benny Gantz angehören. Hinzu kämen die laizistisch-nationalistische Partei Israel Beitenu (Unser Haus Israel) von Ex-Verteidigungsminister Avigdor Lieberman sowie die Arbeitspartei und die linksgerichtete Meretz-Partei. Auch wäre eine solche Regierung auf Unterstützung von arabischen Israelis angewiesen, die dem 57-jährigen ehemaligen TV-Journalisten Lapid positiv gegenüberstehen, nicht aber einem möglichen Ministerpräsidenten Bennett.

Trotz der teilweise extrem gegensätzlichen Positionen der einzelnen Partner sah die Politikwissenschaftlerin Gayil Talshir von der Hebräischen Universität Israel „näher als je zuvor“ an einem solchen Bündnis. Es könnte noch heute bzw. morgen verkündet werden, sagte Talshir.

Lapids liberale Partei Yesh Atid (Es gibt eine Zukunft) war bei der Wahl im März, der vierten innerhalb von zwei Jahren, zweitstärkste Kraft geworden. Netanyahus Likud-Partei war mit 30 von 120 Parlamentssitzen stärkste Kraft geworden, verfehlte die absolute Mehrheit von 61 Sitzen aber deutlich. Ein Versuch zur Regierungsbildung scheiterte, daraufhin beauftragte Präsident Reuven Rivlin Lapid mit der Regierungsbildung. Die Frist läuft am Mittwochabend ab.