US-Präsident Joe Biden bei dem Gedenken an das Massaker in Tulsa vor 100 Jahren
Reuters/Carlos Barria
Massaker von Tulsa

Biden-Aufruf zu Aufarbeitung von Rassismus

Auf den Tag genau 100 Jahre nach einem Massaker an Schwarzen in der Stadt Tulsa hat US-Präsident Joe Biden die Amerikanerinnen und Amerikaner zur Auseinandersetzung mit dem Rassismus in der Geschichte ihres Landes aufgerufen. „Das ist es, was große Nationen tun: Sie arbeiten ihre dunklen Seiten auf“, sagte Biden am Dienstag bei einem Besuch in Tulsa im Bundesstaat Oklahoma.

Rassistischer Hass habe die Gesetze und die Kultur in den USA mitgeprägt. „Wir tun uns keinen Gefallen, wenn wir so tun, als wäre das alles nie passiert und als hätte das keine Auswirkungen auf uns heute.“ Biden betonte, nach Einschätzung der amerikanischen Geheimdienste gehe die größte Gefahr für die USA von rechtsextremistischem Terrorismus aus.

Biden war in Tulsa mit den letzten drei noch lebenden Zeitzeugen des Massakers vom 31. Mai und 1. Juni 1921 zusammengekommen, die heute nach Angaben des Weißen Hauses zwischen 101 und 107 Jahre alt sind. Damals hatte ein weißer Mob das Viertel Greenwood angegriffen und nach Schätzungen rund 300 Schwarze getötet, die Häuser und Wohnungen von etwa 10.000 Menschen wurden zerstört. Greenwood war trotz der damals in den USA gesetzlich verankerten Diskriminierung Schwarzer ein Ort gewesen, an dem eine sehr erfolgreiche schwarze Gemeinschaft gewachsen war. Das Viertel wurde daher häufig als „Schwarze Wall Street“ bezeichnet.

US-Präsident Joe Biden im „Greenwood Cultural Center“ während seines Besuchs zu den Feierlichkeiten in Erinnerung an das Massaker in Tulsa 1921
Reuters/Carlos Barria
Bei dem Massaker wurden mindestens 300 Menschen getötet, Tausende verloren ihre Häuser

Biden kündigte in Tulsa Maßnahmen an, um die Wohlstandskluft zwischen Weißen und ethnischen Minderheiten in den USA zu verringern. Seine Regierung teilte mit, unter anderem solle der Kampf gegen Diskriminierung auf dem Immobilienmarkt verstärkt werden. Die Bundesregierung werde außerdem die Auftragsvergabe an kleine Unternehmen, die im Besitz von Angehörigen von Minderheiten sind, um 50 Prozent erhöhen.

Drahtseilakt für Biden

Bidens Besuch in Tulsa kommt zu einem heiklen Zeitpunkt: Seit dem Tod von George Floyd und breiten Debatten über Polizeigewalt ist das Verhältnis zwischen Weißen und Schwarzen in den USA schwer belastet. Die zuständigen Behörden warnten im Vorfeld vor gezielter Gewalt zum Jahrestag. So fanden auch die Gedenkfeiern, allen voran im Bundesstaat Oklahoma, unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen statt.

Am 31. Mai 1921 ermordete ein weißer Lynchmob nach Schätzungen bis zu 300 Afroamerikanerinnen und -amerikaner, über 800 Menschen wurden verletzt. Tausende Menschen verloren damals ihr Zuhause.

Zu dem Pogrom kam es, nachdem bewaffnete Schwarze versucht hatten, den Lynchmord an einem Jugendlichen zu verhindern, dem vorgeworfen wurde, eine weiße Frau missbraucht zu haben. Dick Rowland wurde am 31. Mai 1921 festgenommen, vor dem Gerichtsgebäude kam es daraufhin zu Zusammenstößen zwischen Schwarzen und Weißen.

Zerstörung nach dem Massaker von Tulsa 1921
APA/AFP/Library of Congress
Das wohlhabende Viertel in Tulsa wurde komplett zerstört

„Schwarze Wall Street“ komplett zerstört

In der Folge bildete sich in der Nacht auf den 1. Juni ein weißer Lynchmob, der letztlich den Stadtteil Greenwood in Brand steckte. Die Angreifer erschossen zahlreiche Afroamerikaner, bis heute ist unklar, wie viele Menschen bei dem Massaker starben.

Das wohlhabende Viertel wurde komplett verwüstet, Geschäfte, Kirchen und Häuser niedergebrannt, 8.000 Menschen wurden obdachlos. Jahrzehntelang war die Tat kein Thema in der Öffentlichkeit, erst 1997 wurde ein Untersuchungsausschuss eingerichtet, mit dem das Ereignis aufgearbeitet werden sollte.

So stellte sich etwa heraus, dass der Lynchmob unter anderem mit Waffen der Polizei ausgestattet wurde. Auch wurde er von Sicherheitskräften unterstützt. Damals gehörten große Teile der Stadtverwaltung und Polizei dem Ku-Klux-Klan an.

Überlebende vermisst Gerechtigkeit

Erst Anfang des Monats meldete sich eine der drei noch Lebenden, die das Massaker überlebt hatten, vor dem US-Kongress zu Wort: „Ich bin hier, um mein Land zu bitten anzuerkennen, was 1921 in Tulsa geschah“, sagte die 107-jährige Viola Fletcher.

Viola Fletcher, älteste Überlebende des Massakers von Tulsa
APA/AFP/Jim Watson
Die 107-jährige Viola Fletcher überlebte das Massaker – und sprach zuletzt vor dem US-Kongress

„Ich werde nie die Gewalt des weißen Mobs vergessen, als wir unser Haus verließen. Ich sehe immer noch, wie Schwarze erschossen werden und schwarze Körper auf der Straße liegen“, schilderte die Frau ihre Erinnerungen.