Ein silberner Metallglobus auf Euro- und Dollar-Banknoten
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Globale Mindeststeuer

Ringen um Abgaben von Konzernen

Globalen Konzernen wird vorgeworfen, alle Möglichkeiten zu nutzen, um Gewinne nach Bedarf in andere Länder zu verschieben und damit Steuern zu sparen. Für Ärger sorgt auch, dass viele, vor allem online tätige Unternehmen, dadurch wenige Abgaben in den von ihnen bedienten Märkten zahlen. Eine breite Staateninitiative hat sich vorgenommen, damit Schluss zu machen.

Denn bereits jahrelang sehen weltweit Regierungen, Wirtschaftstreibende und generell Steuerzahlerinnen und Steuerzahler den Konzernen beim Wettrennen in Sachen Steuervermeidung zu – entsprechend waren Rufe nach einem faireren Beitrag zuletzt immer lauter geworden. Nun liegt der Fokus auf dem Treffen der G-20-Staaten (erweitert um die wichtigsten Schwellenländer) im Juli in Venedig.

Dort wird es darum gehen, die Steuerreform, die momentan von 140 Ländern unter dem Dach der Industriestaatenorganisation OECD erarbeitet wird, politisch möglichst umfänglich auf den Weg zu bringen. Diese Steuerreform soll zwei Säulen haben, eine globale Mindeststeuer und eine neue Form der Besteuerung digitaler Dienstleistungen. Letzteres soll die Steuerregeln an das digitale Zeitalter anpassen und Schwellenländer gegenüber Industriestaaten besserstellen.

15 Prozent liegen als Vorschlag am Tisch

Die USA hatten Ende Mai eine Steuer von 15 Prozent vorgeschlagen. Deutschland und Frankreich hielten dieses Niveau für realistisch. Der Satz von 15 Prozent wäre zwar niedriger als die Besteuerung in den meisten europäischen Ländern – in Österreich liegt sie bei 25 Prozent. Dagegen beträgt sie in Irland nur 12,5 Prozent. Luxemburg liegt offiziell mit fast 30 Prozent zwar deutlich über dem 15-Prozent-Satz, bietet aber Großunternehmen Steuerdeals mit deutlich geringeren Raten an.

Amazon-Zentrale „The Spheres“ in Seattle (US-Bundesstaat Washington)
APA/AFP/Getty Images/David Ryder
Der Amazon-Firmensitz in Seattle – das Unternehmen steht beim Vorwurf der Steuerschonung im Fokus

Luxemburg stand in den vergangenen Jahren immer wieder in der Kritik, weil einige internationale Konzerne dort praktisch so gut wie keine Steuern zahlten. Zusammen mit Irland (hier wurden zuletzt „erhebliche Bedenken“ geäußert) und auch den Niederlanden bremste Luxemburg beim ursprünglichen US-Vorschlag von 21 Prozent. Dennoch: selbst bei einem Satz von 15 Prozent würden die Staaten viel Geld in die Kassen gespült bekommen, auf das sie derzeit noch verzichten müssen.

Studie: Würde EU 50 Mrd. Euro extra einbringen

Eine aktuelle Studie der neuen Europäischen Steuerbeobachtungsstelle weist ein erwartetes Plus von 50 Milliarden Euro aus, bei einem Satz von 25 Prozent wären es sogar 170 Milliarden Euro. Ohnehin könnten die Staaten jeden Euro brauchen, zumal in den Kassen aufgrund der Pandemiemaßnahmen derzeit riesige Löcher klaffen. Sollten die Pläne für eine Steuerreform scheitern, gehen Expertinnen und Experten davon aus, dass es einen Fleckerlteppich an Digitalsteuern geben wird – und womöglich neue Handelsstreitigkeiten.

Insbesondere mit Blick auf große Digitalkonzerne geht es in den OECD-Verhandlungen wie beschrieben auch um die Frage, ob die Unternehmen ihre Gewinne in jedem Land versteuern müssen, in dem sie erzielt werden – unabhängig davon, wo ihre Zentrale ihren Sitz hat. Das würde vor allem Konzerne aus den USA treffen. Es wird deshalb erwartet, dass Washington darauf pochen wird, dass diese Regelung für alle multinational tätigen Unternehmen gelten müsste.

„Deal in Sicht – hoffentlich dieses Jahr“

Ein starkes Signal in Sachen Steuerreform sendeten jüngst die sieben führenden Industriestaaten: Die G-7 wollen sich noch diese Woche hinter die Steuerpläne stellen, wie aus dem Entwurf für die G-7-Abschlusserklärung hervorgeht. Die Finanzminister der Staaten – also Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, USA, Kanada und Japan – wollen sich am Freitag und Samstag in London treffen.

Doch dämpfte der nunmehr ehemalige OECD-Generalsekretär Angel Gurria bei einem Ministertreffen mit 38 Mitgliedstaaten zuletzt die Erwartungen hinsichtlich einer Einigung schon im Juli: Erst der Gipfel der großen Industrie- und Schwellenländer, der Ende Oktober in Rom geplant ist, solle die endgültige Abmachung dann gutheißen. „Wir haben einen Deal in Sicht. Hoffentlich wird es dieses Jahr passieren“, sagte Gurria. Bis Juli sollten ihm zufolge „Umrisse“ fixiert sein.

Sein Nachfolger Mathias Cormann zeigte sich bei seiner bei seinem Amtsantritt am Dienstag in Paris „ziemlich optimistisch“, eine Steuereinigung herbeiführen zu können. Cormann lobte das „sehr positive und konstruktive Engagement der USA“ für die Mindeststeuer. Durch die Vorschläge der US-Regierung von Präsident Joe Biden seien die Karten neu verteilt worden, so Cormann.

Der neue OECD-Chef Mathias Cormann
APA/AFP/Ian Langsdon
Der Australier Mathias Cormann ist neuer Chef der OECD

Einigung auf härtere Steuerregeln in EU

Unterdessen haben sich die EU-Staaten und das Europaparlament am Dienstag auf härtere Regeln für mehr Steuertransparenz großer Unternehmen geeinigt. Unter dem Schlagwort „Country-by-Country-Reporting“ müssen große Unternehmen künftig offenlegen, wie viel Steuern sie in welchem Land zahlen. Das soll helfen, Steuersparmodelle von Firmen zu begrenzen. Mit der Einigung endet ein fünfjähriger Streit. Schätzungen zufolge verlören die EU-Staaten durch Steuervermeidung großer Firmen jährlich mehr als 50 Milliarden Euro, erklärte der portugiesische Wirtschaftsminister Pedro Siza Vieira. Sein Land hat derzeit den Vorsitz der EU-Staaten und vermittelte den Kompromiss.

Die EU-Kommission hatte schon 2016 den Vorschlag zur Änderung der Rechnungslegung gemacht. Die „Country-by-Country“-Regeln sollen für multinationale Unternehmen mit mehr als 750 Millionen Euro Umsatz gelten. In einem länderbezogenen Bericht sollen sie unter anderem die Nettoumsatzerlöse, Gewinn oder Verlust vor Steuern und die geschuldeten sowie die tatsächlich gezahlten Ertragssteuern veröffentlichen. Die Daten sollen für alle EU-Staaten und Länder auf der „schwarzen Liste“ der Steueroasen einzeln aufgeschlüsselt, für andere Drittstaaten zusammengefasst werden.

ATTAC enttäuscht

Die globalisierungskritische NGO ATTAC bezeichnete die Einigung von EU-Rat und -Parlament als „schwachen Kompromiss“ und „enorme Enttäuschung“. „Gewinnverschiebungen von Konzernen kosten die Allgemeinheit jährlich Hunderte Milliarden Euro. Doch nicht einmal Steuerskandale wie LuxLeaks oder die enormen Kosten der Pandemie veranlassen die EU, entschlossen dagegen vorzugehen. Jene Regierungen, die die Interessen der Konzernlobbys vertreten, haben sich klar durchgesetzt“, kritisierte David Walch von ATTAC Österreich.

Denn die Einigung sehe vor, dass multinationale Konzerne lediglich Daten aus EU-Staaten und wenigen von der EU gelisteten Ländern veröffentlichen müssen. Andere weltweite Aktivitäten der Konzerne blieben intransparent. Dazu zählen laut ATTAC auch Gebiete wie die Schweiz, die Britischen Jungferninseln und Bermuda, die vorrangig für Gewinnverschiebungen genutzt würden.

„Zu zaghaft“: Offener Brief Dutzender Organisationen

Arbeiterkammer (AK) und Gewerkschaftsbund (ÖGB) forderten zuletzt mehr Steuertransparenz bei multinationalen Unternehmen. Sie unterstützen mit rund 60 weiteren Organisationen einen offenen Brief, in dem die EU-Kommission und die Regierungen der Mitgliedsländer zu mehr Engagement in Sachen Steuertransparenz aufgefordert werden. Auch ATTAC gehört zu den Unterzeichnern.

„Der vorliegende Entwurf reicht noch nicht aus“, sagte AK-Chefin Renate Anderl im Vorfeld des Beschlusses. Es müssten nur die Aktivitäten in EU-Staaten und Steueroasen ländergenau veröffentlicht werden. Die Aktivitäten in den verbleibenden Drittstaaten könnten aggregiert gemeldet werden, wodurch Transparenz verloren gehe und ein nicht wünschenswerter Anreiz entstehe, Aktivitäten aus der EU in Drittstaaten zu verlagern, um die ländergenaue Veröffentlichung zu umgehen.

Aus Sicht von AK und ÖGB ist auch problematisch, dass die Regelungen erst ab einem Konzernumsatz von 750 Millionen Euro gelten sollen. Das würde die Anzahl der veröffentlichungspflichtigen Konzerne erheblich reduzieren. Zum Vergleich: Für Banken und Rohstoffkonzerne gelten die Transparenzvorschriften bereits ab 40 Millionen Euro. „Wir begrüßen es, dass im Bereich Steuertransparenz jetzt Fortschritte gemacht werden, aber dieser Schritt ist zu zaghaft“, sagte ÖGB-Chef Wolfgang Katzian.

Oxfam sieht weiter Möglichkeiten der Steuerhinterziehung

Die Wohltätigkeitsorganisation Oxfam kritisierte, dass viele der weltweiten Steueroasen nicht auf der EU-Liste stünden und daher einer Überprüfung entgehen würden. „Die EU-Gesetzgeber haben multinationalen Konzernen viele Möglichkeiten eingeräumt, weiterhin im Verborgenen Steuern zu hinterziehen, indem sie ihre Gewinne in Steueroasen außerhalb der EU verlagern, wie die Bermudas, die Cayman-Inseln und die Schweiz“, sagte Oxfam-Steuerexpertin Chiara Putaturo.

Nach Angaben der Denkfabrik Tax Justice Network sind die EU-Länder für 36 Prozent der weltweit durch Steuermissbrauch von Unternehmen entgangenen Steuern verantwortlich. Das koste die Staaten weltweit jedes Jahr über 126 Milliarden Euro, da die Gewinne in Niedrigsteuerländer wie Irland, Luxemburg und die Niederlande verschoben würden.