Neue Pragmatik

Essen in Zeiten der Klimakrise

Hipster-Bashing, das Aufräumen mit Nachhaltigkeitsmythen und ganz viel Pragmatik stehen im Vordergrund bei drei Buchveröffentlichungen zum Thema Ernährung und ökologischer Fußabdruck. Konsens herrscht mittlerweile in der Frage, ob nun Konsumierende, Wirtschaft oder Politik die Verantwortung fürs Klima tragen.

Mike Berners-Lee ist britischer Ökologieprofessor, dabei Experte für den ökologischen Fußabdruck – und nicht zu verwechseln mit seinem Bruder, dem HTML-Erfinder Tim Berners-Lee. Sein Buch heißt „Wie schlimm sind Bananen? Der CO2-Abdruck von allem“. David Höner ist ein Schweizer Koch, Entwicklungshelfer und Ernährungsaktivist. Er lebt in Ecuador, wo er unter anderem Avocados im privaten Garten anbaut, und hat nun mit „Köche, hört die Signale“ ein „kulinarisches Manifest“ verfasst. Und Cornelia Diesenreiter hat das Buch „Nachhaltigkeit gibt’s nicht“ geschrieben und führt ein Geschäft auf dem Wiener Schwendermarkt, wo gerettete Lebensmittel zu allerlei möglichst nachhaltigen Produkten weiterverarbeitet werden.

„Möglichst nachhaltig“ – das führt bereits zum Kern der Problematik. Diesenreiter erklärt das anhand einer Marmelade. Damit die ökobewusste Käuferschaft zugreift, muss die Unternehmerin den Sechserpack in einer Schachtel aus recyceltem Karton verkaufen. Als studierte Expertin für Umwelt- und Bioressourcenmanagement weiß sie: Der Karton hat einen sechsmal größeren ökologischen Fußabdruck als eine dünne Plastikfolie. Bei Nachhaltigkeit geht es allzu oft nur ums Image – das von Produkten, aber auch das eigene.

Hipster vs. Klimawandelleugner

Berners-Lee, Höner und Diesenreiter haben einen gemeinsamen Feind: Das Mittelklasse-Hipstertum in seiner Bobo-Variante. Da wird in den Urlaub geflogen, mit dem SUV zum Zweitwohnsitz gefahren, aber das Ökoimage richten Jutesackerln und fair gehandelter Biokaffee aus der Rösterei ums Eck genauso wie das vor sich hergetragene Angeekelt-Sein von den Klimawandelleugnern in den billigen Vorstadtbezirken. Dabei sind es gerade ärmere Menschen, die einen viel kleineren ökologischen Fußabdruck haben, erklärt Diesenreiter im Interview – eben mangels SUV und weil sie nicht mit dem Flugzeug regelmäßig ans andere Ende der Welt fliegen.

Ums Image geht es auch den Unternehmen, und allzu oft nicht um Nachhaltigkeit. Diesenreiter führt als Beispiel die Kennzeichnung „ohne Palmöl“ an. Viele Produzenten hätten auf Kokosöl umgestellt, weil Palmöl nicht mehr opportun sei. Für Kokosöl muss eineinhalbmal so viel Regenwaldfläche gerodet werden wie für dieselbe Menge Palmöl. Hier hakt der Koch Höner ein: Wer vegan ist und dann Butter aus Kokosöl isst, tut der Umwelt nichts Gutes.

Heikle Frage Fleischkonsum

Berners-Lee vergleicht das mit jenen, die als Vegetarier oder Vegane Fleisch weglassen und durch eingeflogenes Gemüse ersetzen. Wobei er Obst und Gemüse, etwa Bananen und Orangen, die mit dem Schiff kommen, als recht unproblematisch einstuft. In seinem Buch finden sich detaillierte Fußabdrucktabellen mit Erklärungen zu den unterschiedlichsten Produkten. Diesenreiter sagt auch, dass es immer noch besser sei, tierische Lebensmittel zu essen als vegane Produkte, die nur noch aus Chemie bestehen.

Kühe in einem Stall
Getty Images/Istvan Kadar Photography
Mike Berners-Lee rechnet vor, warum Fleischkonsum für den Menschen ineffizient ist

Buchhinweise:

  • Cornelia Diesenreiter: Nachhaltig gibt’s nicht. Molden, 158 Seiten, 22 Euro.
  • David Höner: Köche, hört die Signale. Ein kulinarisches Manifest. Westend, 175 Seiten, 18,50 Euro.
  • Mike Berners-Lee: Wie schlimm sind Bananen? Der CO2-Abdruck von allem. Midas, 278 Seiten, 22,70 Euro.

Also doch zurück zum bedenkenlosen Fleischkonsum und zu Milchprodukten? Dem widersprechen sowohl Berners-Lee als auch Höner und Diesenreiter. Nur soll man beim Ersatz nicht auf Greenwashing und Ökomythen hereinfallen. Warum Fleischkonsum trotzdem ineffizient und dadurch unökologisch ist, erklärt Berners-Lee in einfach verständlichen Worten: 100 Gramm Sojabohnen enthalten mehr Eiweiß und Vitamin A als 100 Gramm Rindfleisch.

Man könne die 100 Gramm Sojabohnen selbst essen. Verfüttere man sie an ein Rind, erhalte man dafür zehn Gramm Rindfleisch, weil das Rind selbst einen Großteil der Energie der Sojabohnen verbrauche. Zehn Gramm Rindfleisch seien erst recht nährstoffärmer als 100 Gramm Sojabohnen. Man mache also ein riesiges Verlustgeschäft. Noch dazu würden Rinder durch ihre Verdauung viel CO2 ausstoßen. Wie man es auch drehe und wende, die Ökobilanz von Fleisch und Milchprodukten sei nicht gut.

Good News statt Apokalypsengezeter

Aber, und auch hier sind sich alle drei einig: Es bringt nichts, wenn das Thema Nachhaltigkeit rein aus dem Negativen heraus gedacht wird. Predigt man Selbstkasteiung, Verzicht und die Angst vor der ganz bald drohenden Apokalypse, bringt das ähnlich viel wie das Leugnen der Klimakrise. Berners-Lee sagt, er ist jetzt optimistischer als noch vor zehn Jahren, weil der Mainstream der Menschen jetzt endlich aufgewacht sei.

In seinem Buch predigt er zwar seine drei Hauptthesen: weniger Fleisch und Milchprodukte konsumieren, weniger Nahrungsmittel verschwenden und möglichst keine Produkte kaufen, die eingeflogen werden müssen. Aber mindestens genauso viel Gewicht legt er auf zahlreiche kleine Good News. Etwa, dass wir regionales Obst und Gemüse außerhalb der Saison ruhig essen können, wenn sie aus dem Tiefkühler kommen. Das sei ökologisch und auch in Sachen Nährstoffe gut vertretbar.

„Los Leute, wir haben’s in der Hand“

Auch Höner setzt auf Signale des Aufbruchs. Sein Motto: „Los Leute, wir haben’s in der Hand!“ Aber liegt die Verantwortung überhaupt in unserer Hand? Oft hört man in Debatten, dass es nicht an der Konsumentenschaft liegen dürfe zu entscheiden, ob nachhaltige Produktion forciert werde oder nicht. Da sei die Politik am Zug, die Unternehmen in die Pflicht zu nehmen.

Einig sind sich Diesenreiter, Höner und Berners-Lee, dass niemand ohnehin schon finanziell benachteiligte Menschen zwingen könne oder solle, zu deutlich teureren Ökoprodukten zu greifen. Wer es sich leisten könne, solle aber seinen Beitrag leisten. Und Politik und Unternehmen seien gleichermaßen für nachhaltigen Fortschritt verantwortlich und müssten dafür sorgen, dass Ökoprodukte eben nicht mehr teurer seien.

Der Dreischritt der Nachhaltigkeit

Dabei geht es um Innovationen, Regionalität und Effizienz. Problematisch findet Diesenreiter hingegen Förderungen für Ökoprodukte – Förderungen, die durch Steuern finanziert werden, die auf Produkte eingehoben werden, deren Herstellung und Transport der Umwelt schadeten. Sprich: Wenn ökologische Produktionsweise von unökologischer abhänge, beiße sich die Katze in den Schwanz. Soziale, ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit müssen Hand in Hand gehen, sind sich Diesenreiter, Höner und Berners-Lee einig.