FPÖ-Politiker Norbert Hofer
APA/Herbert Pfarrhofer
Parteiquerelen

Hofer tritt als FPÖ-Chef zurück

Norbert Hofer legt seine Funktion als Parteichef der FPÖ zurück. Das bestätigte er am Dienstag. Sein Amt als Dritter Nationalratspräsident will er bis zur nächsten Wahl aber weiterführen. Für seine Partei kam der Rücktritt überraschend. Übernehmen soll zunächst der Wiener Harald Stefan.

Zuletzt hatte es wochenlang Debatten über die Doppelspitze in der FPÖ gegeben. Klubobmann Herbert Kickl hatte sich kürzlich selbst als möglicher Spitzenkandidat für die nächste Nationalratswahl ins Spiel gebracht.

Hofer selbst war da wegen einer Rückenverletzung auf Reha in Baden. Er hatte dazu in einem Interview geantwortet: „Wenn die Katze aus dem Haus ist, haben die Mäuse Kirtag.“ Nun dürfte das Duell um die FPÖ-Spitze aber zuungunsten Hofers entschieden worden sein.

Hofer hatte kurz vor der Bestätigung des Rücktritts schon mit einer Kurznachricht für Verwirrung gesorgt. Auf Twitter hatte er seinen Abgang verkündet, das Posting aber schnell wieder gelöscht.

„Reise an der Spitze zu Ende“

Wenig später bestätigte die FPÖ aber via Aussendung die Entscheidung: Während seines Rehaaufenthalts habe sich Hofer Gedanken über seine persönliche Zukunft gemacht „und ist zur Überzeugung gekommen, dass er das Amt des Bundesparteiobmannes der FPÖ nicht weiter ausüben wird“, hieß es.

Hofer selbst schrieb, die Zeit nach dem „Ibiza“-Skandal sei nicht einfach gewesen, nun habe er die Partei aber wieder stabilisiert und in Umfragen an die 20-Prozent-Marke herangeführt. „Damit habe ich die Partei so weit aufgestellt, damit sie auch in den nächsten Jahren Erfolg haben kann. Meine eigene Reise an der Spitze der FPÖ ist aber mit dem heutigen Tag zu Ende“. Gegenüber der Tageszeitung „Österreich“ sagte Hofer: „Ich lasse mir nicht jeden Tag ausrichten, dass ich fehl am Platz bin.“

Kickl will „Beitrag leisten“

Kickl meinte am Abend, er wäre bereit, seinen Beitrag zu leisten. Orchestriert wird die Suche nach dem Nachfolger vom FPÖ-Abgeordneten Stefan. Er kündigte am Dienstag entsprechende Gespräche im Parteipräsidium an. Auch Kickl will mit Stefan und den übrigen Mitgliedern des FPÖ-Präsidiums über die nächsten Schritte beraten.

„Ziel muss es sein, umgehend die volle Handlungsfähigkeit der FPÖ wiederherzustellen und die vorhandene Geschlossenheit nach außen klar zu dokumentieren“, sagte Kickl in einer Aussendung am Dienstagabend: „Ich selbst bin bereit, meinen Beitrag dazu zu leisten.“

Überraschung auf der Rax

Weite Teile der Partei traf Hofers Rücktritt unvorbereitet. Nur kurz vor Hofers Rücktrittserklärung hatte Kickl im Rahmen einer Wanderung mit FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz auf der Rax die Spitzenkandidatendebatte für vorerst beendet erklärt. Als die Funktionäre die Nachricht dann erreichte, waren sie gerade in einer Hütte auf 1.361 Meter Höhe. Die APA meldete, die Bergwanderung habe schließlich inmitten zahlreicher Funklöcher mit pausenlos klingelnden Handys und sprachlosen Funktionären geendet.

Analyse: Machtwechsel in der FPÖ

Zuletzt hatte es wochenlang Debatten über die Doppelspitze in der FPÖ gegeben. Jetzt hat Norbert Hofer eine Entscheidung getroffen. ORF-2-Chefredakteur Matthias Schrom analysiert die Hintergründe.

Kickl und Schnedlitz fuhren daraufhin zusammen nach Wien, um die Lage zu sondieren und Gespräche mit den Landesparteien zu führen, sagte Helmut Fiedler, Vizestadtparteichef der FPÖ-Neukirchen. Es werde noch am Dienstag oder am Mittwoch eine Stellungnahme Kickls geben, so Fiedler.

Stefan übernimmt zunächst

Der Tiroler FPÖ-Chef Markus Abwerzger und der neue Kärntner Obmann Erwin Angerer bestätigten, vorab nicht informiert worden zu sein. Sie sprachen sich aber ebenso wie der burgenländische Landesparteiobmann Alexander Petschnig für Kickl als neuen Parteiobmann aus, zumindest interimistisch. Der Obmann der steirischen Freiheitlichen, Mario Kunasek, hielt sich bedeckt. Auch der Wiener FPÖ-Obmann Dominik Nepp legte sich nicht fest.

Den Parteivorsitz übernehmen soll aber zunächst – bis zu einem Parteitag, der möglicherweise im Juni stattfinden soll – Harald Stefan. Das wurde der ZIB1 am Dienstag bestätigt. Stefan ist seit 13 Jahren Nationalratsabgeordneter und Obmann der FPÖ Wien-Simmering. Als dienstältester Stellvertreter sehen die Parteistatuten dieses Prozedere vor. Stefan selbst schrieb am Dienstag in einer Aussendung schlicht, er werde „umgehend Kontakt mit den weiteren Mitgliedern des Bundesparteipräsidiums der FPÖ aufnehmen“. Der Rücktritt sei für ihn selbst „wie für uns alle in der FPÖ“ völlig überraschend gekommen. "Über weitere Schritte „werden wir unsere Mitglieder und Funktionäre sowie die Medien zeitnah informieren“, so Stefan.

FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl anlässlich einer Wanderung auf der Rax
APA/Helmut Fohringer
Kickl war am Dienstag mit FPÖ-Funktionären wandern. Von Hofers Entscheidung wurde er offenbar überrascht.

Kickl selbst hatte zuletzt bekräftigt, dass es nichts Außergewöhnliches sei, wenn der Klubobmann einer Partei für die Nationalratswahl zur Verfügung stehe. Es könne zudem sein, dass die Nationalratswahl und die Präsidentschaftswahl zusammenfallen, und dann würde es zwei Kandidaten brauchen.

Hofer lässt Hofburgkandidatur offen

Auch wenn es seit Hofers Antritt als Parteichef Debatten über die Doppelspitze der FPÖ gab, kam der Streit über den richtigen Spitzenkandidaten überraschend. Die nächste Nationalratswahl steht planmäßig erst 2024 an. Zuletzt spekulierten aber verschiedene FPÖ-Abgeordnete, Kickl solle an der FPÖ-Spitze die Nationalratswahl anführen und Hofer solle erneut für die Hofburg kandidieren.

Ob Hofer bei der nächsten Bundespräsidentenwahl im kommenden antreten möchte, ließ er aber am Dienstag offen. Die nächste Wahl ist die Landtagswahl in Oberösterreich im September. Der dortige FPÖ-Chef, Landeshauptmannstellvertreter Manfred Haimbuchner, hatte sich hinter Hofer und dessen Kurs gestellt. Haimbuchner dankte am Dienstag Hofer – so wie viele andere Funktionäre. „Ich danke Norbert Hofer für seine hohe Einsatzbereitschaft, seine Standhaftigkeit und seine Loyalität“, so Haimbuchner in einer Aussendung. Er nehme den Schritt „mit großem Verständnis zur Kenntnis“.

Spaltung auf Raten

Die Spaltung zwischen Hofer und Kickl hatte sich sukzessive verschärft, besonders was die Ausrichtung in der Pandemie betraf. Kickl pochte auf einen scharfen Oppositionskurs gegen den von ihm georteten „Corona-Wahnsinn“, Hofer blieb bei milderen Tönen. Er zog etwa die Sinnhaftigkeit einer Impfung nicht infrage und ließ sich auch selbst immunisieren. Einen ersten offenen Konflikt gab es über die Maskenpflicht im Parlament. Während Kickl diese kategorisch ablehnte, warf Hofer maskenunwilligen Mandataren „Selbstüberhöhung“ vor.

Eine Grafik zeigt die FPÖ-Obleute seit 1956
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Mitte April sorgte ein Beschluss des eigenen Parlamentsklubs gegen einen „fliegenden Wechsel“ in die Bundesregierung für Aufsehen. Zwar dementierte Hofer Spekulationen, wonach das geplant gewesen sein könnte, und rief zudem seine Partei via Aussendung „zu Ruhe und Einigkeit“ auf. Berichte, er habe sich bereits mehrmals mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) getroffen, um einen Regierungswechsel zu planen, dementierte Hofer. Kickl sprach schließlich die Obmanndebatte an und brachte den Stein zu Hofers Rücktritt ins Rollen.

Ochsentour durch Ämter

Hofer war nach dem „Ibiza-Skandal“ Parteichef nach dem zurückgetretenen Heinz-Christian Strache geworden. Er selbst bezeichnete sich als „das freundliche Gesicht“ der Partei, für die FPÖ Burgenland wurde der gelernte Flugzeugtechniker 1993 aktiv. Nach verschiedenen Funktionen stieg er 2005 zum Vizechef der Bundespartei auf. 2016 fügte sich Hofer dem Wunsch Straches, als Spitzenkandidat in die Bundespräsidentschaftswahl zu gehen, bei der er zu Überraschung vieler die größten blauen Stimmengewinne aller Zeiten einfuhr.

Nach einem Sieg in der ersten Runde folgte in der Stichwahl ein Duell gegen Alexander Van der Bellen, der ihm im dritten Anlauf den Weg in die Präsidentschaftskanzlei versperrte. 2017 wurde Hofer Verkehrsminister in der Bundesregierung von ÖVP und FPÖ, 2019 nahm er zum zweiten Mal im Präsidium des Nationalrats Platz. Privat lebt er mit Familie in seiner Heimatgemeinde Pinkafeld im Burgenland. Er ist Ehrenritter des St. Georgs-Ordens und Ehrenmitglied der Schülerverbindung Marko-Germania zu Pinkafeld.

Kurz wünscht „persönlich alles Gute“

Bundeskanzler Kurz erklärte am Dienstag am Rande einer Pressekonferenz, er habe mit Hofer zwar immer wieder „inhaltliche Differenzen und unterschiedliche Sichtweisen“ gehabt, „aber auf menschlicher Ebene immer gut zusammengearbeitet“. Der ÖVP-Obmann wünschte Hofer „persönlich alles Gute“.

Die Reaktion von NEOS fiel kritischer aus: „Hofer bleibt eine glücklose Übergangslösung, der einen Scherbenhaufen übernommen hat. Hofers Anspruch auf Überparteilichkeit als Nationalratspräsident kann zwar Vorbild für andere im Präsidium sein, Ruhe in die eigene Partei hat er so nicht gebracht“, so NEOS-Generalsekretär Nikola Donig. Nun drohe der FPÖ „die Gefahr eines gefährlichen Krawall-Kurses des Herbert Kickl“.