Belarus: Oppositioneller stach sich vor Gericht in Kehle

Der belarussische Oppositionelle Stepan Latypow hat gestern im Gerichtssaal versucht, sich das Leben zu nehmen. Stepan Latypow sei nach der Befragung seines Vaters auf die Bank in seinem Anklagekäfig gestiegen und habe mit einem Stift in seine Kehle gestochen, bis er das Bewusstsein verlor, berichtete die belarussische NGO Wjasna heute. Er sei ins Krankenhaus gebracht worden.

Zuvor habe der 41-Jährige noch seinem Vater berichtet, dass ihm mit rechtlichen Schritten gegen seine Verwandten gedroht worden sei, wenn er sich nicht schuldig bekenne, berichtete Wjasna weiter. Latypow erschien mit Blessuren vor Gericht.

Bei Protesten im September festgenommen

Latypow hatte sich wie viele Belarussen bei den Protesten im vergangenen Jahr gegen Machthaber Alexander Lukaschenkow engagiert. Im September wurde er in der Nähe seines Wohnblocks in Minsk festgenommen und muss sich nun wegen einer Reihe von Anklagepunkten vor Gericht verantworten, darunter wegen Widerstands gegen die Polizei bei seiner Festnahme und der Herstellung von Protestsymbolen.

Der im polnischen Exil lebende Oppositionspolitiker und ehemalige Präsidentschaftskandidat Andrej Sannikow sprach auf Twitter von einer „Verzweiflungstat“ des 41-Jährigen. Latypow sei „lange geschlagen und gefoltert“ worden, erklärte er und fügte hinzu: „ein weiterer Beweis für den mörderischen Charakter von Lukaschenkos Regime“.

Nach der von enormen Betrugsvorwürfen überschatteten Präsidentschaftswahl im vergangenen August hatte es in Belarus beispiellose Massenproteste gegeben, die Lukaschenko niederschlagen ließ. Tausende Demonstrantinnen und Demonstranten wurden festgenommen, führende Oppositionelle mussten ins Exil. Nach Angaben von Wjasna sind derzeit 449 politische Gefangene in Belarus in Haft.