Die Präsidentin der Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter Sabine Matejka in der ZIB2
ORF
Wirbel um Pilnacek-Chats

„Kein besonders gutes Bild“

Die zuletzt bekanntgewordenen Chats des suspendierten Justizsektionschefs Christian Pilnacek, teils mit dem ehemaligen ÖVP-Justizminister und heutigen Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter, haben am Mittwoch nicht nur in der politischen Opposition für herbe Kritik und Rufe nach Konsequenzen gesorgt. In der ZIB2 zeigte sich etwa die Präsidentin der Richtervereinigung, Sabine Matejka, „sehr schockiert“, die Chats würden „kein besonders gutes Bild der Justiz“ bieten.

Das treffe all jene in der Justiz, die korrekt und integer arbeiten und die Unabhängigkeit hochhalten. „Das Bild, das hier in der Öffentlichkeit gezeichnet wird, entspricht nicht der Realität. Ich kann es nur mit den Worten des Bundespräsidenten sagen: So sind wir nicht“, sagte Matejka. Sie beklagte auch die jüngsten „unsachlichen“ und „pauschalen“ Angriffe auf die Justiz seitens der ÖVP, die teils über Medien transportiert würden und ortete einen „politischen Kampf auf dem Rücken der Justiz“.

„Ich halte es für höchst bedenklich, wie man derzeit mit den rechtsstaatlichen Institutionen umgeht“, so Matejka zu den Ereignissen der letzten Monate, etwa der erzwungenen Aktenlieferung des Finanzministeriums an den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Die aktuellen Beispiele würden von „wenig bis mangelnden Respekt“ zeugen.

Matejka analysiert Pilnacek-Chats

Sabine Matejka, Vorsitzende der Richtervereinigung, analysiert, was Sektionschef Christian Pilnacek und Höchstrichter Wolfgang Brandstetter in Chats über Vorgänge in der Justiz meinen.

„Schritt zurück machen und reflektieren“

Sie forderte zu Zurückhaltung auf: „Alle handelnden Personen müssen einen Schritt zurück machen, reflektieren und ein bisschen abrüsten in ihren Worten“, so Matejka. Das sei kein Verhalten, dass die Bürgerinnen und Bürger von Vertreterinnen und Vertretern des Staates erwarten. Vertrauen in die Justiz sei dennoch weiterhin gerechtfertigt. Der Rechtsstaat werde aktuell „immer wieder ein bisschen ins Wanken gebracht“, aber es hielten immer noch viele Menschen dagegen.

Sie vertraue darauf, dass in den aktuell politisch brisanten Fällen objektiv und in alle Richtungen ermittelt werde. Die aktuelle Aufregung halte sie ohnehin für überzogen, man befinde sich in einem frühen Ermittlungsstadium, am Ende werde ein unabhängiges Gericht entscheiden.

Zadic mahnt Respekt vor Institutionen ein

Justizministerin Alma Zadic (Grüne) hatte zuvor Respekt vor rechtsstaatlichen Institutionen eingemahnt und meinte in Richtung Pilnacek, ohne diesen namentlich zu nennen, dass sie sich von Spitzenbeamten der Justiz erwarte, „dass sie allen Institutionen des Rechtsstaats und insbesondere dem Verfassungsgerichtshof den gebührenden und gebotenen Respekt entgegenbringen“. Aufgabe von Beamten sei es, „dem Rechtsstaat und den Menschen in Österreich zu dienen“. Zudem müssten Justizvertreter wachsam gegenüber jeder Form von Diskriminierung, Herabwürdigung und Ausgrenzung sein.

Aufregung um Pilnacek-Chats

Die jüngst medial bekanntgewordenen Chats des suspendierten Sektionschefs Christian Pilnacek haben die Opposition zu Kritik veranlasst. Die FPÖ zeigte sich „schockiert“, SPÖ und NEOS forderten eine bessere Ausstattung der Justiz. Pilnacek sprach in seinen Chats unter anderem von einer „missratenen“ WKStA und schrieb mit einem VfGH-Richter über das Höchstgericht.

Die Opposition übte scharfe Kritik. SPÖ und NEOS sahen nun die Grünen gefragt und forderten eine bessere Ausstattung der Justiz. Zadic müsse tätig werden und die WKStA mit mehr Ressourcen ausstatten. Für SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch sind mittlerweile „sämtliche rote Linien“ überschritten. Zadic müsse tätig werden, der WKStA mehr Ressourcen zur Verfügung stellen und für eine unabhängige Weisungsspitze sorgen, so NEOS. Eine Neuaufrollung aller Verfahren, an denen Pilnacek und Brandstetter beteiligt waren, forderte FPÖ-Mandatar Christian Hafenecker: „Es ist davon auszugehen, dass die beiden seit eh und je so gefuhrwerkt haben.“

Wirbel um Chats

Die jüngst medial bekanntgewordenen Chats des suspendierten Sektionschefs Pilnacek haben in den vergangenen Tagen viel Staub aufgewirbelt. Pilnacek sprach in seinen Korrespondenzen unter anderem von einer „missratenen“ WKStA und schrieb mit VfGH-Richter Brandstetter über das Höchstgericht, äußerte sich dabei auch abfällig über die Institution VfGH und zwei Richterinnen.

Im Protokoll finden sich auch viele kritische Anmerkungen zu der ihm lange Zeit unterstellten Korruptionsbehörde WKStA – was nicht weiter verwunderlich ist, haben Pilnacek und die WKStA bzw. deren Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda ihre Auseinandersetzungen, etwa rund um die Causa Eurofighter, doch auch öffentlich in Interviews, mit Anzeigen und Gegenanzeigen ausgetragen. In einem Chat hieß es etwa: „Die schießen die Republik zusammen.“ Und: Man sollte die „Accounts der WKStA sichern“.

Pilnacek wollte laut der Auswertung auch einen Richterposten für seine Ehefrau. Er intervenierte beim steirischen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP): „ (…) möchte nur informieren, dass Präsident des OLG Graz ausgeschrieben ist; wäre Gelegenheit, das an unserer Familie begangene Foul auszugleichen; bitte um Deine Unterstützung; Caroline wäre wohl eine Wohltat für die Gerichtsbarkeit in der Grünen Mark (…)“. Mit „Foul“ war wohl die Teilung der Strafrechtssektion im Justizministerium gemeint. Seitdem war Pilnacek nicht mehr für Einzelstrafsachen tätig. Das Büro Schützenhöfer teilte mit, dass man nichts für Pilnaceks Ehefrau, die Richterin ist, getan habe. Sie bekam den Posten auch nicht.

Pilnacek seit Februar suspendiert

Pilnacek ist seit Ende Februar suspendiert, Ex-ÖVP-Justizminister Brandstetter, der nach seiner aktiven Politikkarriere 2018 zum Richter am Verfassungsgerichtshof ernannt wurde, war zuletzt in Spitalsbehandlung. Beide Justizexperten werden von der Staatsanwaltschaft Innsbruck als Beschuldigte geführt.

Sie sollen, so der Verdacht, eine geplante Hausdurchsuchung beim Unternehmer Michael Tojner verraten haben. Pilnacek soll die bevorstehende Zwangsmaßnahme Tojners Rechtsberater Brandstetter „gesteckt“ haben. Beide bestreiten alle Vorwürfe, es gilt die Unschuldsvermutung.

Zuletzt hatte VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter angesichts der Ermittlungen gegen Brandstetter gesagt, man könne auf Basis der Informationen, die derzeit vorliegen, kein Amtsenthebungsverfahren gegen Brandstetter einleiten. Es gelte für den Kollegen die Unschuldsvermutung. Sollte Anklage gegen Brandstetter erhoben werden, dann würde aber „mit Sicherheit Handlungsbedarf“ bestehen. Gegenüber ORF.at wollte sich der VfGH am Mittwoch zu den neuen Chats nicht äußern.