Roman Protassewitsch
EBU
Unter Zwang?

Inhaftierter lobt in Video Lukaschenko

Das staatliche belarussische Fernsehen hat am Donnerstagabend ein aufgezeichnetes Interview mit dem inhaftierten Regierungskritiker Roman Protassewitsch ausgestrahlt, das vermutlich unter Zwang entstanden ist. Darin bekennt sich der sich offensichtlich unwohl fühlende 26-Jährige dazu, zu Protesten aufgerufen zu haben, und lobt Machthaber Alexander Lukaschenko.

Der belarussische Staatssender ONT hatte am Donnerstagvormittag einen Trailer des Studiointerviews mit Protassewitsch veröffentlicht und dieses als „emotionales“ Spektakel beworben. Darin war Protassewitsch mit ernstem Gesicht zu sehen, im Hintergrund lief furchterregende Musik. Protassewitschs Vater, Dmitri Protassewitsch, sagte der Nachrichtenagentur AFP, es handle sich dabei um eine durch Folter erzwungene Aussage.

„Ich kenne meinen Sohn sehr gut, und ich glaube, dass er so etwas nie sagen würde“, sagte er. „Sie haben ihn gebrochen und ihn gezwungen, das zu sagen, was nötig war.“ Es schmerze ihn, das Interview zu sehen. „Ich bin sehr besorgt.“ Auch die Menschenrechtsgruppe Wjasna äußerte sich ähnlich. „Was auch immer er jetzt sagt, es ist reine Propaganda“, sagte Wjasna-Chef Alex Bjaljazki. Protassewitsch sei mit „unfairen, aber sehr ernsten Anschuldigungen“ konfrontiert und so „mindestens psychologisch bedroht“ und unter Druck gesetzt worden.

EU setzt Luftraumsperre in Kraft

Protassewitsch und seine Partnerin waren am 23. Mai festgenommen worden, nachdem ihr Ryanair-Flug auf dem Weg von Athen nach Vilnius von einem belarussischen Kampfjet zur Landung in der Hauptstadt Minsk gezwungen worden war. Als Reaktion darauf sperrten die EU-Länder ihren Luftraum für Flugzeuge aus Belarus und sprachen ein Landeverbot aus. Airlines aus der EU riefen sie auf, das autoritär regierte Land nicht mehr zu überfliegen.

Fluggesellschaften aus der ehemaligen Sowjetrepublik Belarus dürfen ab diesem Samstag nicht mehr in den Luftraum der EU fliegen. Belarussischen Fluggesellschaften ist es damit auch nicht mehr erlaubt, Flughäfen in der EU anzufliegen. Infrastrukturministerin Leonore Gewessler (Grüne) hatte am Donnerstag erklärt, Österreich werde unmittelbar nach Vorliegen der Europäischen Rechtsgrundlage alle notwendigen Schritte setzen, um den Überflug und die Landung von Maschinen aus Belarus über und in Österreich zu verhindern.

Protassewitsch soll Demos organisiert haben

Die belarussischen Behörden werfen Protassewitsch vor, Demonstrationen gegen die Regierung nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr organisiert zu haben. Nach der von massiven Betrugsvorwürfen überschatteten Wahl hatte es beispiellose Massenproteste gegeben, die Staatschef Lukaschenko niederschlagen ließ. Tausende Demonstranten wurden festgenommen, viele berichteten über Folter. Nach Angaben von Wjasna sind derzeit 449 politische Gefangene in Haft.

Festnahme des weißrussischen Journalisten und Bloggers Roman Protassewitsch im Jahr 2017
AP/Sergei Grits
Blogger und Regierungsgegner Protassewitsch befindet sich seit zwei Wochen in Haft

In dem Interview gestand Protassewitsch, die Proteste organisiert zu haben. Er habe versucht, sagte der Inhaftierte, Lukaschenko zu stürzen. Nun habe er aber begonnen zu verstehen, „dass Lukaschenko das Richtige tat und ich respektiere ihn auf jeden Fall“. Am Ende des Interviews brach Protassewitsch in Tränen aus und sagte, er hoffe, eines Tages zu heiraten und Kinder zu haben. Es sei sinnlos, wenn die Opposition zu weiteren Straßenprotesten aufrufe, sagte er.

Belarus kündigten Vergeltungsmaßnahmen gegen USA an

Wegen der US-Sanktionen kündigte Belarus Vergeltungsmaßnahmen an. „Wir können diese unfreundliche Vorgehensweise nicht unbeachtet lassen“, erklärte der Sprecher des Außenministeriums, Anatoli Glas, am Donnerstag. Demnach müssen die USA ihr diplomatisches Personal in Minsk abbauen, und die Visaverfahren für US-Bürger und US-Bürgerinnen werden verschärft. Zudem widerriefen die belarussischen Behörden die Arbeitserlaubnis für die US-Agentur für internationale Entwicklung (USAID).

Die USA hatten im April erneut Sanktionen gegen neun staatliche Unternehmen in Belarus verhängt, nachdem Lukaschenko Forderungen ignoriert hatte, politische Gefangene freizulassen. Die Maßnahmen traten am Donnerstag in Kraft. Die USA hatten bereits 2006 nach Wahlfälschungsvorwürfen Sanktionen gegen Belarus verhängt. 2008 verwies Lukaschenko in der Folge den US-Botschafter des Landes. 2015 setzte Washington die Strafmaßnahmen aus und begrüßte Fortschritte. Seit Donnerstag sind sie nun wieder in Kraft.

Ministeriumssprecher Glas bezeichnete sie als „illegal“. „Sie widersprechen dem internationalen Recht und zielen darauf ab, Druck auf einen souveränen Staat auszuüben.“ Zudem würden lediglich „gewöhnliche belarussische Bürger“ unter den Sanktionen leiden.